Zulässigkeit der Verrechnungserklärung durch Verwaltungsakt - Vollstreckungsschutz - rückwirkendes Eintreten der Sozialhilfebedürftigkeit
Leitsatz
1. Der Rentenversicherungsträger darf eine Verrechnung einseitig durch Verwaltungsakt regeln (Anschluss an BSG - GrS - vom - GS 2/10 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4).
2. Ein Verrechnungs-Verwaltungsakt ist noch hinreichend bestimmt, wenn die zur Verrechnung gestellte Gesamtforderung des anderen Leistungsträgers mit bestehenden, ihrer Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann.
3. Nach Beendigung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens steht die Vollstreckungsbeschränkung aus der Gesamtvollstreckungsordnung einer Verrechnung nicht entgegen.
Gesetze: § 39 SGB 1, § 51 SGB 1, § 52 SGB 1, § 24 Abs 1 SGB 10, § 24 Abs 2 Nr 7 SGB 10, § 31 S 1 SGB 10, § 33 Abs 1 SGB 10, § 35 Abs 1 SGB 10, § 35 Abs 2 Nr 2 SGB 10, § 41 Abs 1 Nr 2 SGB 10, § 41 Abs 1 Nr 3 SGB 10, § 41 Abs 2 SGB 10, § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG, § 22 Abs 2 BSHG, § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG, § 76 Abs 2 BSHG, § 81 Abs 1 BSHG, § 307 S 1 ZPO, § 850c Abs 1 S 1 ZPO, § 54 Abs 2 S 2 SGG, § 77 SGG, § 95 SGG, § 96 Abs 1 SGG vom , § 99 SGG, § 18 Abs 2 S 3 GesO, § 366 Abs 2 BGB, § 387 BGB, § 389 BGB, § 396 Abs 1 S 2 BGB
Instanzenzug: Az: S 7 RJ 285/02 Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 5 R 100/05 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.
2Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.
3Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.
4Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom eingestellt.
5Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom bis zum , die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum zur Auszahlung kam. Seit bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom ).
6Mit Bescheiden vom stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.
7Bereits mit Schreiben vom hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.
8Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.
9Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie mit Bescheid vom , gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.
10Mit Bescheid vom bewilligte die Beklagte dem Kläger ab Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).
11Das beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
12Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom ), ab betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom ), ab monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom ), ab monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom und ) und ab monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom ); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom ), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab auf 58,39 Euro erhöhe.
13Das (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom ) die Klagen abgewiesen.
14Das Sächsische die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.
15Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom (aktualisiert mit Schreiben vom ) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.
16Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.
17Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.
18Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I (iVm § 52 SGB I) verdrängt.
19Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis ) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab ) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.
20Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.
21Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).
23Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.
24Der Kläger beantragt sinngemäß,das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , den Bescheid vom , den Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , die Bescheide vom , , , , und hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.
26Im Übrigen hat sie beantragt,die Revision zurückzuweisen.
27Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.
Gründe
28Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.
29Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom und den Bescheid vom hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen (vgl SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; - juris RdNr 18; Senatsurteil vom - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).
30Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom , , , , und hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.
31Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom bis zum aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.
321. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom , , , , in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.
33Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss (vgl etwa SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom , , , und erfüllt.
34Ob auch der Bescheid vom in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus ( - RdNr 7 f).
35Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).
36Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom , und nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).
372. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis ); ab kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).
383. Der Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie ihre Bescheide vom , , , , und - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen (dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt (§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom , , , , und ; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom für den Zeitraum vom bis zum vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).
39a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom , in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom , deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X (dazu unter bb).
40aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).
41 (1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht (vgl Vorlagebeschluss des Senats vom - aaO; BSG - GrS - vom - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).
42 (2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom (BGBl I 1229) mit Wirkung ab eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.
43Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist (vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).
44Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II (mit Wirkung ab idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).
45 (3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht (s hierzu BSG - GrS - vom - aaO - RdNr 16 ff).
46bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".
47Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).
48Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).
49Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).
50Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).
51Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.
52Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFHE 140, 10 f; BFHE 160, 108, 112; BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).
53Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB) bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.
54b) Vorliegend bestand ab objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).
55Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).
56Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom (aktualisiert mit Schreiben vom ) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom <BGBl I 3019>).
57c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen (dazu unter bb).
58aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab : 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.
59Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger (vgl grundlegend BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).
60bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.
61Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.
62Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.
63Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet ( - juris RdNr 28; Brandenburgisches - juris RdNr 15; OLG Celle vom - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl NJW 1971, 1563; DÖV 1972, 573, 574; BFHE 140, 9 f; - juris RdNr 22, 28; <PKH> - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom , Anm 1 unter C).
64Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl aaO; BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105), steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl ER, L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase <Wohlverhaltensphase> nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I (iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I (iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.
65d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann" (vgl Vorlagebeschluss des Senats vom - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; - juris RdNr 52; - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").
66Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).
67Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom , , , , und getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).
68aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen (vgl in diesem Sinne bereits SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom bis zum damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.
69bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom , , , , und keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.
70Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom den ab einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom und im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.
71Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom , , , , und überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X (vgl SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).
72cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).
73Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab (vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.
74Aus dem Widerspruchsbescheid vom lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.
75e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom , , , , und sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).
76Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
77aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.
78bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom , , , , und weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom (820 Euro).
79f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ) für den Zeitraum vom bis zum verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).
80Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum ( bis zum ) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.
81Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger (nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom , Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom (aaO) im Freistaat Sachsen ab ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.
82Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.
83Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).
84Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.
854. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2012:070212UB13R8509R0
Fundstelle(n):
KAAAE-10270