Gesetze: EStG § 34 Abs.
3, EStG § 16 Abs.
4, AO § 129, AO § 173 Abs. 1 Nr.
2, AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr.
2, AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr.
2a, AO § 88, AO § 89, AO § 150 Abs. 2 S.
1, AO § 110
Keine Berücksichtigung des ermäßigten Steuersatz nach
§ 34 Abs. 3 EStG bei
Antragstellung nach Eintritt der formellen Bestandskraft
grob
schuldhaftes Verhalten des Steuerberaters
Verletzung der
Ermittlungspflicht des Fa
Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand
Leitsatz
1. Die versehentlich unterlassene
Antragstellung nach
§ 34 Abs. 3 EStG ist
keine offenbare Unrichtigkeit nach
§ 129 AO.
2. Die Antragstellung nach
§ 34 Abs. 3 EStG
(Antrag ermäßigter Steuersatz) ist keine neue Tatsache i. S. d.
§ 173 AO.
3. Der Steuerpflichtige muss sich das
grobe Verschulden seines Steuerberaters zurechnen lassen, wenn dieser weder die
von seiner Mitarbeiterin mittels eines DATEV-Programms erstellte
Steuererklärung vor der Einreichung beim FA nachprüfte, noch anhand einer
Überprüfung des Einkommensteuerbescheides erkennt, dass die beabsichtigte
Beantragung der ermäßigten Besteuerung nach
§ 34 Abs. 3 EStG
versehentlich unterblieben ist, noch rechtzeitig Einspruch einlegt, um eine
Änderung des Bescheides zu Gunsten der Klägerin zu erreichen, so dass eine
Änderung des Steuerbescheides nach
§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
ausscheidet.
4. Das FA verletzt nicht seine
Ermittlungspflicht, wenn es bei der Steuerfestsetzung hinsichtlich der
Besteuerung des Veräußerungsgewinns der eindeutigen, von einem Steuerberater
gefertigten Erklärung folgt und mangels Antrags den ermäßigten Steursatz nach
§ 34 Abs. 3 EStG der
Besteuerung nicht zugrunde legt.
5. Da die Gewährung des Freibetrags
nach
§ 16 Abs. 4 EStG und
der Antrag auf Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach
§ 34 Abs. 3 EStG
nicht in einem inneren Zusammenhang stehen, verletzt das FA nicht seine
Verpflichtungen aus
§ 89 AO, wenn es eine
Antragstellung nach
§ 34 Abs. 3 EStG
nicht anregt.
6. Der nach Eintritt der formellen
Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung gestellte Antrag auf Gewährung der
ermäßigten Besteuerung nach
§ 34 Abs. 3 EStG ist
kein Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
AO, dem steuerliche Rückwirkung zukommt.
7. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
AO eröffnet nicht die Möglichkeit, die
steuerliche Wirkung von Antragsrechten, die nur bis zur Bestandskraft der
Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, nach Eintritt dieses Zeitpunkts zu
beseitigen.
8. Da der Antrag nach § 34 Abs. 3 S.
4
EStG nur einmal im Leben gestellt werden
kann, kann nicht unterstellt werden, dass derjenige, der die vergünstigte
Besteuerung geltend machen kann und alle Angaben hierzu macht, diese
Tarifermäßigung auch geltend machen will, so dass eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand nach
§ 110 AO nicht in
Betracht kommt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): StBW 2012 S. 540 Nr. 12 XAAAE-08962
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Online-Dokument
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.02.2012 - 2 K 677/11
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