BGH Beschluss v. - XII ZB 420/11

Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei Verurteilung zur Auskunftserteilung

Gesetze: § 61 Abs 1 FamFG, § 68 Abs 2 S 2 FamFG

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 12 UF 236/10 Beschlussvorgehend AG Hamburg-St. Georg Az: 982 F 85/10

Gründe

I.

1Die Antragstellerin nimmt - vertreten durch ihre Mutter - den Antragsgegner als ihren Vater im Wege eines Abänderungsstufenantrags auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Das Familiengericht hat den Antragsgegner in erster Stufe verpflichtet, der Antragstellerin in näher bezeichnetem Umfang Auskunft über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu erteilen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

2Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

31. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Verfahrensgrundrechte verbieten es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 127/11 - FamRZ 2011, 1929 mwN).

42. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zutreffend nach §§ 68 Abs. 2 Satz 2, 61 Abs. 1 FamFG als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt. Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat das Oberlandesgericht nicht zu niedrig festgesetzt.

5a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes richte sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für den Antragsgegner mit der Auskunftserteilung und der Vorlage der Belege verbunden sei. Dieser sei mit einem maximalen Aufwand an Eigenleistung in Wert von vier Stunden á 80 € zu bemessen; der Hinzuziehung eines Steuerberaters bedürfe es dafür nicht. Soweit der Antragsgegner verpflichtet worden sei, Auskunft über sein Vermögen zu erteilen, könne er das Verzeichnis seiner Vermögenswerte selbst erstellen. Für die Auskunfts- und Belegerteilung über seine Brutto- und Nettoauskünfte brauche der Antragsgegner nur die entsprechenden Unterlagen aus seiner Buchführung herauszusuchen; dasselbe gelte für die Lohnsteuerbescheinigung und den Lohnsteuerbescheid für 2009, die Lohnabrechnungen bis Januar 2010 und die Einkommensteuererklärungen und -bescheide von 2007 bis 2009. Anstelle der Vorlage von Bilanzen sehe der Beschluss ausdrücklich vor, dass ersatzweise Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt werden könnten. Diese habe die Steuerberaterin bereits erstellt. Auch seine Privatentnahmen und -einlagen könne der Antragsgegner seinen Buchführungsunterlagen selbst entnehmen.

6b) Insofern hat das Beschwerdegericht zutreffend erkannt, dass für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 16 und vom - XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 9 mwN).

7Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei seiner Schätzung eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die rechtlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 17; vom   XII ZB 150/05 - FamRZ 2007, 711 Rn. 9; vom   XII ZB 165/00 - FamRZ 2005, 104, 105; BGHZ 155, 127 = FamRZ 2003, 1267, 1268 und vom - XII ZB 31/02 - FamRZ 2003, 597). Letzteres ist hier nicht der Fall.

8aa) Das Beschwerdegericht hat im Einzelnen dargelegt, dass die zur Erfüllung der Auskunftspflicht erforderlichen Zusammenstellungen entweder dem Antragsgegner bereits vorliegen oder von ihm mit geringem Aufwand erstellt werden können. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen sind unbegründet. Insbesondere bedarf es zur Erfüllung der Auskunft nicht der Hinzuziehung einer Steuerberaterin. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nämlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 25/05 -FamRZ 2006, 33, 34 und Senatsurteil vom - XII ZR 14/00 -FamRZ 2002, 666, 667). Davon ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht auszugehen, weil der Antragsgegner sowohl seine steuerlichen Grundaufzeichnungen als auch seine Steuererklärungen und Überschussrechnungen in der Vergangenheit stets selbst, ohne Zuhilfenahme eines Steuerberaters, gefertigt hat.

9Auch für die im eigenen Wissen des Antragsgegners stehenden Angaben der Aktiva des Betriebsvermögens mit wertbildenden Faktoren sowie der Passiva bedarf es der Zuziehung eines Steuerberaters nicht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 31/02 - FamRZ 2003, 597 und Senatsurteil vom - IVb ZR 27/88 - FamRZ 1989, 157, 159).

10Der eigene Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen ist hingegen mit maximal 17 € pro Stunde zu bewerten ( - FamRZ 2012, 299 mwN und Senatsbeschluss vom - XII ZB 192/06 - FamRZ 2008, 1336 Rn. 18). Dass danach ein Gesamtaufwand von über 600 € entstünde, ist weder ersichtlich noch dargelegt.

11bb) Ebenso ist der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde unbegründet, die Verurteilung zur Auskunftserteilung über Einkünfte des Antragsgegners aus nichtselbständiger Tätigkeit nebst Vorlage zugehöriger Belege sei, weil dieser im auskunftspflichtigen Zeitraum keiner abhängigen Beschäftigung nachgegangen sei, auf eine unmögliche Leistung gerichtet, gegen die er sich mit kostenträchtigen Vollstreckungsabwehrmaßnahmen zur Wehr setzen müsse (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 108/05 - FamRZ 2009, 495, 496 mwN). Die ihm insoweit auferlegte Auskunft kann nämlich ohne Weiteres durch die schlichte Angabe erfüllt werden, dass ein Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit in dem fraglichen Zeitraum nicht erzielt worden ist. Korrespondierende Belege über die Höhe der Einnahmen aus dieser Einkunftsart (§ 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB) erübrigen sich damit.

123. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

Hahne                                       Dose                                                 Klinkhammer

                      Günter                                      Nedden-Boeger

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
HAAAE-08603