BGH Beschluss v. - XII ZB 277/11

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Nicht befolgte mündliche Anweisung zur Notierung einer Rechtsmittelfrist

Leitsatz

Zur (hier verneinten) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer nicht befolgten mündlichen Anweisung des Rechtsanwalts an seine Büroangestellte, eine Rechtsmittelfrist zu notieren.

Gesetze: § 63 FamFG, § 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO

Instanzenzug: Az: II-5 UF 104/10vorgehend AG Mönchengladbach-Rheydt Az: 19 F 9/10

Gründe

I.

1Antragsteller und Antragsgegnerin sind geschiedene Eheleute. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Abänderung eines 1994 geschlossenen Unterhaltsvergleichs beantragt. Das Amtsgericht hat den Vergleich dahin abgeändert, dass der Antragsteller ab Dezember 2009 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat.

2Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am zugestellt worden. Mit einem am beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde beantragt. Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am zugestellt worden. Mit einem am beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in die von ihr versäumte Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der Beschwerdefrist beantragt. Ferner hat sie die Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist beantragt.

3Die Antragsgegnerin hat ihr Gesuch damit begründet, dass eine Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten entgegen der von diesem mündlich erteilten Anweisung die Wiedereinsetzungsfrist nicht im Fristenkalender notiert habe. Die Akte sei stattdessen in die Registratur eingelegt worden. Das Versäumnis sei erst anlässlich eines von der Mitarbeiterin mit dem Verfahrensbevollmächtigten vereinbarten Rücksprachetermins am aufgefallen.

4Das Oberlandesgericht hat beide Wiedereinsetzungsgesuche zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

5Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

61. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei. Vielmehr beruhe die Fristversäumung auf einem Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, welches sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.

7Ein Organisationsverschulden liege darin, dass der Verfahrensbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis betreffend den Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss zurückgesandt habe, ohne zuvor die Eintragung der Fristen sichergestellt zu haben. Durch die mündliche Anweisung an die Mitarbeiterin, die Beschwerdefrist nebst Vorfrist zu notieren, sei das Organisationsverschulden nicht geheilt worden. Zwar dürfe sich der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass eine mündliche Anweisung auch befolgt werde. Jedoch sei die Mitarbeiterin arbeitsmäßig besonders hoch belastet gewesen. Bei dieser Sachlage habe eine mündliche Anweisung nicht ausgereicht. Selbst wenn man aber die Anweisung ausreichen lasse, so müssten bei Rechtsmittelfristen besondere Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Eintragung der Rechtsmittelfrist unterbleibe. Solche Vorkehrungen seien hier jedenfalls mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht glaubhaft gemacht worden. Die allgemeine Anweisung, zur Überprüfung der Notierung der Frist die Handakte noch einmal dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorzulegen, reiche hierzu nicht aus. Soweit in einem später eingereichten Schriftsatz vorgebracht worden sei, dass die Anweisung gelautet habe, die Fristen sofort zu notieren, könne die Erheblichkeit dieses Vorbringens dahinstehen, weil dieses erst nach Ablauf der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung erfolgt sei und es sich nicht um nach § 139 ZPO aufklärungsbedürftige Angaben gehandelt habe.

82. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 117 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

9Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt die Antragsgegnerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.

10Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wiedereinsetzungsfrist versäumt ist und ein der Antragsgegnerin zuzurechnendes Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht ausgeräumt ist, weil keine hinreichenden Sicherheitsvorkehrungen zur Notierung der Rechtsbeschwerdefrist (und Wiedereinsetzungsfrist) getroffen worden sind.

11Zwar darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 und vom - XII ZB 154/09 - MDR 2010, 400 jeweils mwN). Erteilt der Rechtsanwalt dagegen lediglich eine mündliche Anweisung, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass diese nicht in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist unterbleibt (Senatsbeschluss vom - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 mwN). Daran fehlt es hier.

12Wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteilte, hätte er demnach seine Angestellte zumindest anweisen müssen, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht wieder in Vergessenheit geraten konnte. Eine dementsprechende Weisung hat die Antragsgegnerin aber in ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt. Das später ergänzte Vorbringen ist nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt und vom Oberlandesgericht daher zu Recht nicht berücksichtigt worden. Es handelt sich hier auch nicht um Vorbringen, das im Rahmen von § 139 ZPO nachgeholt werden konnte. Auch insoweit befindet sich der angefochtene Beschluss im Einklang mit der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 23 ff.).

13Die von der Rechtsbeschwerde angeführte Entscheidung des - NJW 2004, 688, 689) steht schließlich nicht entgegen. In dieser Entscheidung ist zwar eine Wiedervorlageanweisung als mögliche Sicherheitsvorkehrung angesprochen, zugleich aber darauf hingewiesen, dass dazu selbstverständlich auch deren Vermerk gehöre. Entsprechendes ist hier nicht glaubhaft gemacht worden.

Hahne                                               Weber-Monecke                                                      Klinkhammer

                         Schilling                                                           Nedden-Boeger

Fundstelle(n):
NJW-RR 2012 S. 743 Nr. 12
VAAAE-06209