Markenlöschungsverfahren: Zulassungsfreie Rechtsbeschwerde bei mangelnder Begründung der Beschwerdeentscheidung
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 83 Abs 3 Nr 6 MarkenG
Instanzenzug: Az: 30 W (pat) 106/09
Gründe
1I. Für die Markeninhaberin ist seit dem die Bildmarke (farbig: hellgrün, dunkelgrün, braun, schwarz) Nr. 307 16 602.3
für folgende Dienstleistungen eingetragen:
Zahnprothesen; Zahnregulierungen; Zahnstifte; künstliche Kiefer; künstliche Zähne; Antilutschplatten, Knirscherschienen; Anti-Schnarch-Schienen; zahnärztliche Apparate und Instrumente; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Druckereierzeugnisse Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mit Waren aus den Klassen 3, 10, 16 und 1; Dienstleistungen eines Zahntechnikers; Unterricht, insbesondere Schulungen im Gesundheitswesen und im Bereich der Ernährung; Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung), insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens und im Bereich der Ernährung; Wissenschaftliche Dienstleistungen medizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Zahnarztes; plastische Zahnchirurgie, zahnmedizinische Schönheitschirurgie; Durchführung von medizinischen Untersuchungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen, namentlich Zahnästhetik, insbesondere zahnmedizinische Behandlung in den Bereichen Implantate, Kronen, Brücken und Veneers, Füllungen und Inlays, Bleaching, Zahnreinigung, Prothesen, Zahnregulierung sowie ganzheitliche Kieferorthopädie; Erstellung von zahnärztlichen Gutachten; pharmazeutische Beratung; Durchführung von medizinischen Analysen im Zusammenhang mit der Behandlung von einzelnen Menschen; Ernährungsberatung.
2Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt.
3Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom die teilweise Löschung der Marke für die Dienstleistungen "Medizinische Dienstleistung, insbesondere Dienstleistung eines Zahnarztes, Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen" angeordnet.
4Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und den Löschungsantrag der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen ( 30 W (pat) 106/09, juris).
5Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
6II. Das Bundespatentgericht hat die Auffassung vertreten, der Eintragung der Marke stünden hinsichtlich der gelöschten Dienstleistungen nicht die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen, da die Bildmarke hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei.
7III. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
81. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2010, 1034 Rn. 9 = WRP 2010, 1034 - LIMES LOGISTIK).
92. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin rügt ohne Erfolg die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG).
10a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt deshalb voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, NJW 2009, 1584 mwN). Dagegen gibt das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (, juris Rn. 6 mwN).
11b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es angenommen habe, weder die Antragstellerin noch die Markenabteilung hätten Nachweise für ein Verkehrsverständnis dahingehend genannt, dass der Durchschnittsverbraucher die Abbildung eines grünen Apfels ohne weiteres als Sachhinweis für gesunde Zähne oder gesundes Zahnfleisch verstehe. Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde insoweit geltend, die Antragstellerin habe diverse Veröffentlichungen aus dem zahnmedizinischen und zahntechnischen Bereich vorgelegt, aus denen sich sehr wohl ergebe, dass sich die Abbildung eines Apfels, wie sie Gegenstand der angefochtenen Marke sei, in Assoziation zu der bekannten blend-a-med-Werbung mit dem Apfelbiss zu einem Zeichen entwickelt habe, das in der einschlägigen Branche - Zahnmedizin bzw. Dentaltechnik - als gängiges Werbemotiv ohne Bezug zu bestimmten zahnmedizinischen Waren und Dienstleistungen allgemeine Verwendung finde.
12Das Bundespatentgericht hat angenommen, der Umstand, dass der Biss in einen grünen Apfel als Test zur Überprüfung des Gesundheitszustands des Zahnfleischs durch eine frühere Werbung für Zahnpasta eine gewisse Bekanntheit erreicht habe und der grüne Apfel besonders geeignet sei, auf das kraftvolle Hineinbeißen mit gesunden Zähnen hinzuweisen, lasse noch nicht darauf schließen, dass sich speziell der grüne Apfel zu einem Symbol für gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch im Bereich der Gingivitis-Prophylaxe entwickelt habe. Dies würde voraussetzen, dass der grüne Apfel stets als entsprechend eindeutige Sachangabe verstanden werde. Der Apfel an sich werde mit Gesundheit verbunden, der grüne Apfel im Speziellen mit Frische und besonders fruchtigem Geschmack und Geruch. Von dem Apfelbiss aus der Zahnpastawerbung auf gesunde Zähne und auf eine hierfür erforderliche Parodontosebehandlung und sodann auf eine entsprechende allgemeine Symbolik grüner Äpfel zu schließen und diese auf die vorliegende Apfeldarstellung zu beziehen, sei keine naheliegende Betrachtungsweise, sondern erfordere mehrere gedankliche Zwischenschritte. Der Durchschnittsverbraucher werde auch aus dem Umstand, dass die Darstellung eines grünen Apfels im Zusammenhang mit der Werbung für zahnärztliche Leistungen Verwendung finde, nicht darauf schließen, dass der grüne Apfel an sich ein Symbol für gesunde Zähne und ein Sachhinweis im Zusammenhang mit Parodontosebehandlungen sei. Das Bundespatentgericht hat aufgrund dieser Beurteilung angenommen, dass sich keine Anhaltspunkte für die Feststellung ergäben, dass der Verkehr mit der Bildmarke einen unmittelbaren und konkreten Sachbezug zu den beanspruchten Dienstleistungen herstelle. Die Abbildung eines grünen Apfels sei keine geläufige Sachangabe, ein (allgemein) beschreibender oder sachbezogener Begriffsinhalt lasse sich ihr nicht ohne weiteres und ohne Unklarheiten entnehmen.
13Das Bundespatentgericht hat damit das von der Rechtsbeschwerde als unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör übergangen gerügte Vorbringen der Antragstellerin nicht nur ausdrücklich erwähnt, sondern es auch tatrichterlich bewertet. Dabei ist es für die Frage der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG unschädlich, dass das Bundespatentgericht die einzelnen Unterlagen nicht im Einzelnen erwähnt hat, sondern zusammenfassend auf die Verwendung des Apfels in der Werbung Bezug genommen hat. Soweit die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf die von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen meint, diese zeigten, dass die Abbildung eines Apfels - und zwar nicht nur eines angebissenen Apfels - im Dentalbereich als ein allgemeines Symbol für Zahngesundheit Verwendung finde, was anscheinend darauf zurückzuführen sei, dass die bekannte blend-a-med-Werbung mit dem Apfelbiss bei dem angesprochenen Verkehr derart stark in der Erinnerung hafte, wendet sie sich nur gegen die tatrichterliche Würdigung ihres ausdrücklich im angefochtenen Beschluss berücksichtigten Vorbringens durch das Bundespatentgericht.
14Darauf, ob das Bundespatentgericht das Vorliegen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu Recht bejaht hat, kommt es jedoch nicht an. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 83 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG soll allein die Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs sichern und dient nicht der Überprüfung der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung (vgl. , GRUR 2000, 894, 895 = WRP 2000, 1166 - Micro-PUR; Beschluss vom - I ZB 121/05, juris Rn. 12; BGH, GRUR 2008, 1027 Rn. 22 - Cigarettenpackung; , juris Rn. 10; , MarkenR 2011, 267 Rn. 13) und damit auch nicht der Überprüfung der tatrichterlichen Würdigung des zur Kenntnis genommenen Streitstoffs durch das Bundespatentgericht (vgl. , MarkenR 2008, 176 Rn. 12).
15Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass das Bundespatentgericht den wesentlichen Kern des Vorbringens der Antragstellerin verkannt habe. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses befasst sich vielmehr ausdrücklich mit der auch von der Rechtsbeschwerde als Kern des Vorbringens der Antragstellerin aufgeworfenen Frage, ob infolge der Verwendung der Darstellung eines grünen Apfels in der Werbung für zahnärztliche Leistungen darauf geschlossen werden könne, dass der grüne Apfel an sich ein Symbol für gesunde Zähne und ein Sachhinweis im Zusammenhang mit Parodontosebehandlungen sei. Es befasst sich auch mit der These der Antragstellerin, dies sei auch auf die bekannte blend-a-med-Werbung mit dem Apfelbiss zurückzuführen.
16Ohne Erfolg meint die Rechtsbeschwerde, die Verkennung des Kerns des Vorbringens folge aus der Knappheit der Begründung des angefochtenen Beschlusses. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anspruch auf eine ausführliche Begründung. Eine Rüge gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG hat die Rechtsbeschwerde nicht erhoben. Sie wäre auch erfolglos. Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Anspruch der Beteiligten auf Mitteilung der Gründe sichern, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hat. Es kommt deshalb nur darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung maßgebend gewesen ist. Dagegen ist insoweit nicht entscheidend, ob die Beurteilung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist. Dem Erfordernis einer Begründung ist daher schon genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt (BGH, GRUR 2009, 992 Rn. 25 - Schuhverzierung, mwN). Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss. Ihm ist zu entnehmen, dass das Bundespatentgericht aus dem Umstand, dass die Darstellung von Äpfeln in der Werbung, wie sie die Antragstellerin durch Unterlagen belegt hat, nicht darauf schließen lässt, dass der grüne Apfel an sich ein Symbol für gesunde Zähne und ein bloßer Sachhinweis auf den Bereich Zahngesundheit ist. Die Begründung ist weder inhaltsleer noch verworren oder widersprüchlich. Ob das Bundespatentgericht seine tatrichterliche Würdigung zutreffend vorgenommen hat, ist auch im Rahmen des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG unerheblich.
17Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde ferner, dem Hinweis der Berichterstatterin des Marken-Beschwerdesenats vom entnehmen zu können, dass sich der Senat vermutlich in "Begründungsnot" befunden und den in Rede stehenden Parteivortrag der Antragstellerin deshalb in einer Weise abgetan habe, die zeige, dass er den wesentlichen Kern dieses Vortrags, der eine zentrale Frage betreffe, nicht richtig erfasst und nicht ausreichend berücksichtigt habe. In dem angesprochenen Hinweis, der in der Tat davon ausging, dass der Verkehr in der Abbildung eines grünen Apfels lediglich einen werbemäßigen Hinweis auf Parodontosebehandlungen oder Prophylaxe sehen dürfte, wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass über die Sache noch nicht beraten worden sei und nur eine vorläufige Meinung geäußert werde. Im Übrigen geht auch dieser Angriff der Rechtsbeschwerde deshalb ins Leere, weil sich die angegriffene Beschlussbegründung - wie dargelegt - ausdrücklich mit dem als übergangen gerügten Vorbringen der Antragstellerin befasst, wenn auch mit einem von der Bewertung der Antragstellerin abweichenden Ergebnis.
18IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
EAAAE-05769