BGH Urteil v. - V ZR 224/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Stendal, 23 O 321/02 vom OLG Naumburg, 12 U 111/09 vom

Tatbestand

Die Kläger kauften von dem Beklagten ein Grundstück. Nach dem Vertragsschluss stellte sich heraus, dass die Flurkarte, die bei der Beurkundung des Kaufvertrags vorlag, schon vor dem Vertragsschluss eine Veränderung erfahren hatte. Die neue Grundstücksgrenze durchschneidet eine terrassenartige Fläche auf dem verkauften Grundstück mit der Folge, dass ein kleiner Teil dieser Fläche nebst dazugehöriger Einfriedungs- und Stützmauer auf dem Nachbargrundstück liegt. Die Kläger sehen sich hierdurch daran gehindert, die Stützmauer bei einer im Zusammenhang mit der Sanierung des Anwesens vorgesehenen Gründung des Gebäudes als Unterfangung einzusetzen, und verlangen, soweit hier noch von Interesse, Ersatz der Mehrkosten für eine anderweitige Unterfangung der Gründung in diesem Bereich. Das Oberlandesgericht hat in einem ersten Berufungsurteil vom die Klage "dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit die Kläger Schadensersatz wegen der Kosten für die Unterfangung der Terrasse/Stützmauer an der östlichen Grundstücksgrenze ihres Grundstücks zum Nachbargrundstück 195/3 geltend machen."

Die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom (V ZR 241/06) zurückgewiesen. In dem Betragsverfahren hat das Landgericht den Klägern unter Abweisung der zwischenzeitlich auf 28.108,35 € erweiterten Klage im Übrigen den ursprünglich verlangten Betrag von 14.784,20 € nebst Zinsen zugesprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung der Berufung der Kläger die Klage ganz abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren erweiterten Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht meint, die Kläger hätten einen Schaden nicht nachgewiesen. Sie könnten die Stützmauer nicht anders als bei Verschaffung des Eigentums auch an dem mit der Stützmauer überbauten Teil des Nachbargrundstücks für die vorgesehene Terrassengründung einsetzen und hätten deshalb keine durch die Nichterfüllung bedingten Mehrkosten. Im Betragsverfahren habe sich ergeben, dass die Stützmauer auch die Standfestigkeit des Gebäudes selbst sichere. Das habe zur Folge, dass die Mauer vollständig im Eigentum der Kläger stehe und von dem Nachbarn nach § 912 BGB zu dulden sei. Die Mauer könne deshalb für die Terrassengründung genauso verwendet werden, wie wenn der Beklagte den Klägern auch das Eigentum an dem überbauten Teil des Nachbargrundstücks verschafft hätte. Dieser Gesichtspunkt dürfe im Betragsverfahren berücksichtigt werden.

II. Die zuletzt genannte Annahme des Berufungsgerichts trifft nicht zu. Einer Abweisung der Klage aus den von ihm angestellten Erwägungen steht die innerprozessuale Bindungswirkung des Grundurteils nach § 318 ZPO entgegen.

1. Das Berufungsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, "soweit die Kläger Schadensersatz wegen der Kosten für die Unterfangung der Terrasse/Stützmauer an der östlichen Grundstücksgrenze ihres Grundstücks zum Nachbargrundstück 195/3 geltend machen". Es hat dem Betragsverfahren lediglich die Klärung der Fragen vorbehalten, ob für die anderweitige Unterfangung der Terrassengründung Mehrkosten anfallen, wie hoch diese sind und ob die Kläger ein Mitverschulden trifft, weil sie nachträglich Eigentum an der überbauten Teilfläche zu einem Preis erwerben können, der die veranschlagten Mehrkosten deutlich unterschreitet. Mit weiteren Einschränkungen hat es die Verurteilung nicht versehen.

2. Die Frage, ob die Kläger diese anderweitige Unterfangung vornehmen dürfen oder ob sie gehalten sind, die Stützmauer, wie ursprünglich vorgesehen, für die Gründung einzusetzen, ist dagegen im Betragsverfahren nicht mehr zu prüfen.

a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärte Schadensersatzklage im Betragsverfahren mangels nachgewiesenen Schadens vollständig abgewiesen werden kann. Ein Grundurteil darf zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur erlassen werden, wenn nach dem im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (, NJW-RR 2005, 1008, 1009; strenger , BGHZ 108, 256, 260: hohe Wahrscheinlichkeit). Lässt sich im Betragsverfahren - entgegen der bei Erlass des Grundurteils bestehenden Erwartung - nicht feststellen, dass ein Schaden entstanden ist, darf und muss die Klage vollständig abgewiesen werden (, VersR 1965, 1173, 1174, vom - IVb ZR 14/85, NJW 1986, 2508 und vom - VIII ZR 123/04, NJW-RR 2005, 1157, 1158).

b) Das Berufungsgericht hat die Klage aber in der Sache nicht mangels Schadens, sondern wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht der Kläger nach § 254 Abs. 2 BGB abgewiesen.

aa) Das Berufungsgericht stellt nicht fest, dass die anderweitige Unterfangung der Terrassengründung des Gebäudes im Bereich der überbauten Stützmauer keine Mehrkosten verursacht. Es ist auch nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass die verursachten Mehrkosten nicht zu berechnen (oder zu schätzen) sind. Es hält die geplante anderweitige Unterfangung der Terrassengründung vielmehr für unnötig, weil die vorhandene Stützmauer als Überbau, den der Nachbar nach § 912 BGB zu dulden hat, wie vorgesehen zur Unterfangung der Terrassengründung verwendet werden kann.

bb) Mit diesem Argument stellt das Berufungsgericht inhaltlich nicht den Schaden der Kläger in Frage. Dieser besteht darin, dass sie die vorgesehene Terrassengründung des Gebäudes nicht nach eigenem Gutdünken und ohne zusätzliche Kosten herstellen können, weil ihnen die Fläche, auf welcher die Stützmauer steht, nicht vollständig gehört. Daran ändert es im Ergebnis nichts, dass der Nachbar die Stützmauer als Überbau dulden muss. Sie kann dann zwar grundsätzlich für die Terrassengründung eingesetzt werden. Möglich ist das aber nur in dem durch den Baukörper der Stützmauer vorgegebenen Rahmen, der - z.B. auch durch eine Auflagerung von Trägern einer Terrassengründung - nicht überschritten werden darf, und nur bei Zahlung der nach § 912 Abs. 2, § 913 BGB geschuldeten Überbaurente. An dem Schaden der Kläger ändert sich damit nichts.

cc) Man kann allerdings mit dem Berufungsgericht die Frage aufwerfen, ob die Kläger darauf bestehen dürfen, ihren Schaden durch eine anderweitige Unterfangung der Terrassengründung zu beheben, oder ob ihnen zugemutet werden kann, für diese Unterfangung die vorhandene Stützmauer in dem durch die Duldungspflicht bestimmten Rahmen zu nutzen. Gegenstand dieser Frage ist aber nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Schadens, sondern die Verpflichtung der Kläger, den eingetretenen Schaden durch eine andere, weniger aufwendige Maßnahme zu mindern. Ihre Beantwortung bestimmt sich nach § 254 Abs. 2 BGB und hängt letztlich von der Wertung ab, ob die Nutzung der Stützmauer als Überbau für die Kläger gleichwertig ist. Das ist wegen der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit und der Notwendigkeit, die - von dem funktionellen Zusammenhang von Stützmauer und Gebäude abhängige - Duldungspflicht gegenüber dem Nachbarn und gegebenenfalls auch seinen Rechtsnachfolgern durchzusetzen, zweifelhaft, muss aber nicht entschieden werden.

dd) Ein möglicher Verstoß der Kläger gegen die Schadensminderungspflicht betrifft jedenfalls nicht die dem Betragsverfahren vorbehaltene Frage der Schadenshöhe, sondern den Anspruchsgrund. Es geht nämlich darum, ob die Kläger die Kosten einer anderweitigen Unterfangung der Terrassengründung überhaupt geltend machen können, nicht darum, ob sie Mehrkosten verursacht, welche das sind und wie diese zu bemessen sind.

c) Diese Frage hat das Berufungsgericht durch das Grundurteil mit bindender Wirkung für das Betragsverfahren zugunsten der Kläger entschieden. Das Berufungsgericht hat die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der Mehrkosten bejaht und damit inzident eine Verpflichtung der Kläger, von der anderweitigen Unterfangung im Interesse einer Schadensminderung abzusehen, verneint. Dem Betragsverfahren hat es nur die Frage vorbehalten, ob die Kläger gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn sie die anderweitige Unterfangung herstellen, obwohl sie die überbaute Fläche zu einem deutlich günstigeren Preis erwerben können. Darauf hat sich das Berufungsgericht nicht gestützt. Andere Gesichtspunkte, die den Anspruch dem Grunde nach in Frage stellen, dürfen im Betragsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn sie zumindest in den Urteilsgründen kenntlich gemacht werden (, BGHZ 141, 129, 136). Das ist hier nicht geschehen.

d) Zu einer nachträglichen Berücksichtigung eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht ist das Berufungsgericht auch nicht deshalb berechtigt, weil dieser Gesichtspunkt erst im Betragsverfahren zutage getreten ist. Im Betragsverfahren dürfen ohne Vorbehalt nur Einwendungen gegen den Anspruch berücksichtigt werden, die nach Erlass des Grundurteils entstanden sind (, BGHZ 141, 129, 136). Das ist hier nicht der Fall. Dass die Stützmauer als Überbau zu dulden ist, beruht auf ihrer Funktion für die Standfestigkeit des Gebäudes. Diese ist zwar erst im Betragsverfahren zutage getreten, war aber schon bei Erlass des Grundurteils gegeben.

III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Im Betragsverfahren kann der Beklagte nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, die Stützmauer könne ohnehin nicht als Unterfangung für die Gründung des Hauses verwendet werden. Mit diesem Einwand stellt der Beklagte den Anspruch der Kläger nicht dem Betrag, sondern dem Grund nach in Frage. Denn der Beklagte hätte dann durch die Nichtverschaffung des Eigentums an der überbauten Fläche den von den Klägern geltend gemachten Schaden nicht verursacht. Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht, anders als der Beklagte meint, die Bindungswirkung des Grundurteils entgegen. Darin hat das Berufungsgericht den Klägern nicht nur allgemein einen Anspruch auf Schadensersatz, sondern ausdrücklich Schadenersatz "wegen der Kosten für die Unterfangung der Terrasse/Stützmauer" dem Grunde nach zuerkannt (vgl. , NJW 1961, 1465, 1466). Damit steht für das Betragsverfahren fest, dass die im Betragsverfahren festzustellenden Mehrkosten für eine anderweitige Unterfangung jedenfalls auf der Nichterfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht beruhen.

2. Im Betragsverfahren wäre aber wegen des Vorbehalts in dem Grundurteil zu prüfen, ob die Kläger gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn sie auf der Schaffung einer anderen Unterfangung bestehen, obwohl sie die mit der Stützmauer überbaute Fläche des Nachbargrundstücks erwerben können. Dazu reichen allerdings für sich genommen weder die von dem Beklagten behauptete Bereitschaft des Eigentümers des Nachbargrundstücks zum Verkauf der überbauten Teilfläche noch der in dem Grundurteil erwähnte günstige Erwerbspreis aus. Vielmehr muss der Beklagte entweder selbst die Fläche erwerben und den Klägern kostenfrei zum Erwerb anbieten oder, was kostengünstiger und zweckmäßiger wäre, den Eigentümer des Nachbargrundstücks veranlassen, dies zu tun. Schlügen die Kläger ein solches Angebot aus, könnten sie Ersatz der Mehrkosten für eine andere Unterfangung nicht verlangen.

Fundstelle(n):
JAAAE-04003