BGH Beschluss v. - 1 StR 658/11

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: Ruhen der Strafverfolgungsverjährung nach Gesetzesänderung

Gesetze: § 78b Abs 1 Nr 1 StGB, § 174 StGB, Art 1 Nr 4 SelbstbG

Instanzenzug: LG Coburg Az: 1 KLs 318 Js 4169/10

Gründe

1Die Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich der Fälle II. 1. und 2. der Urteilsgründe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Die Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 StGB hat in 37 Fällen keinen Bestand, da insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

3Das Landgericht hat in den Fällen II. 1. als Tatzeiten einen Zeitraum von April 1998 bis Mai 2002 festgestellt (UA S. 5). Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung erfolgte jedoch nicht vor der Anzeige der Geschädigten im April 2010. Zu diesem Zeitpunkt war die fünf Jahre betragende Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) für die bis zum begangenen Taten des Missbrauchs einer Schutzbefohlenen bereits abgelaufen. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte in jeweils zwölf Monaten 37 der unter II. 1. für den Zeitraum von April 1998 bis Mai 2002 festgestellten Taten. Nach diesen getroffenen Feststellungen muss daher für den Zeitraum April 1998 bis Ende März 1999 von 37 Verstößen gegen § 174 StGB, die am , dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sexualdelikts-ÄndG vom , bereits verjährt waren, ausgegangen werden. Zwar ruht nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom (BGBl. I 3007) geänderten Fassung die Verjährung auch bei Straftaten nach § 174 StGB bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers. Diese Regelung gilt zudem auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am begangene Taten; ihre Anwendung ist indes ausgeschlossen, wenn - wie hier - zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war (vgl. ; aber auch BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 7).

4Danach entfallen 37 als tateinheitlich mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern festgestellte Taten des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen.

5Der Senat hat dementsprechend den Schuldspruch geändert und neu gefasst.

II.

6Die Korrektur des Schuldspruchs nötigt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Sowohl die Einzelstrafen wie auch die Gesamtstrafe können bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO).

7Angesichts der über 250 festgestellten Straftaten, welche entscheidend durch den über viele Jahre andauernden schweren sexuellen Missbrauch geprägt sind, fallen im Verhältnis hierzu die tateinheitlich begangenen 37 Fälle eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, die verjährt sind, nicht allzu schwer ins Gewicht. Angesichts der jeweiligen Tatbilder schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die tateinheitlich begangenen, verjährten Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen auf niedrigere Einzel- oder auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

Nack                                     Wahl                                     Graf

                    Jäger                                      Sander

Fundstelle(n):
EAAAE-03183