BGH Beschluss v. - 4 StR 632/11

Strafrechtliche Bewertung: Tanken mit dem Willen, nicht zu bezahlen

Gesetze: § 22 StGB, § 242 StGB, § 246 StGB, § 263 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 52 KLs 22/11

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in einem Fall zudem in Tateinheit mit Unterschlagung, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Urkundenfälschung, wegen Diebstahls in zwei Fällen und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, im Übrigen hat es keinen Erfolg.

21. Der Schuldspruch des landgerichtlichen Urteils hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Unterschlagung verurteilt wurde.

3Nach den von der Strafkammer insofern getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte seinen Pkw in allen diesen Fällen mit amtlichen Kennzeichen versehen, die er zuvor entwendet hatte, "damit er unerkannt ohne zu bezahlen tanken konnte". Entsprechend dieser Absicht hat er anschließend in sechs Fällen getankt, wobei die Strafkammer zum ersten dieser Fälle (Tat 3) ausdrücklich mitteilt, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die in der Tankstelle allein anwesende Kassiererin "den Vorgang bemerkt hat".

4War das Bestreben des Täters - wie mithin hier - von Anfang an darauf gerichtet, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, so macht er sich grundsätzlich nicht des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern des (versuchten) Betruges schuldig. Denn indem er als Kunde auftritt und sich wie ein solcher verhält, bringt er - jedenfalls in der Regel - durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck, dass er das Benzin nach dessen Erhalt bezahlen werde. Durch diese Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft erweckt er bei dem Tankstelleninhaber oder dessen Personal einen entsprechenden Irrtum mit der Folge, dass ihm - sofern es sich um eine Bedienungstankstelle handelt - das Benzin in den Tank eingefüllt oder - falls es eine Selbstbedienungstankstelle ist - das Einfüllen gestattet wird. Aus dem äußeren Erscheinungsbild der Tathandlungen folgt bei natürlicher Betrachtungsweise, dass es sich hier um ein durch Täuschung bewirktes Geben und nicht um ein Nehmen im Sinne eines Gewahrsamsbruchs handelt. Ob mit dem Einfüllen bereits das Eigentum an dem Benzin erlangt wird, kann dabei dahingestellt bleiben. Jedenfalls bringt der Täter durch die Täuschungshandlung das Benzin in seinen Besitz und erlangt damit einen Vermögensvorteil i. S. des § 263 StGB, dem auf Seiten der geschädigten Tankstelle ein entsprechender Vermögensnachteil gegenüber steht.

5Ein vollendeter Betrug liegt jedoch nicht vor, wenn der Täter an einer Selbstbedienungstankstelle tankt, ohne vom Tankstelleninhaber oder dessen Mitarbeiter bemerkt zu werden. In einem solchen Fall ist aber regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betruges auszugehen. Da der Täter schon beim Einfüllen mit dem Willen handelt, sich das Benzin zuzueignen, kommt eine Bestrafung wegen Unterschlagung schon wegen deren Subsidiarität (§ 246 Abs. 1 StGB) auch dann nicht in Betracht, wenn er durch den - versuchten oder vollendeten - Betrug nur den Besitz und nicht bereits das Eigentum an diesem erlangt (zum Ganzen: , NJW 1983, 2827; vgl. auch , NStZ 2009, 694 jeweils mwN).

6Da das Landgericht trotz umfangreicher Beweisaufnahme nicht in allen Fällen feststellen konnte, ob die Tankvorgänge von den Betreibern der Tankstellen oder deren Mitarbeitern bemerkt wurden, geht der Senat zugunsten des Angeklagten davon aus, dass dies nicht der Fall war und ändert den Schuldspruch jeweils von Unterschlagung in versuchten Betrug ab. Eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO hierauf bedurfte es nicht, weil diese Taten dem (geständigen) Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage bereits als Betrug zur Last gelegt worden waren.

72. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter bei Verurteilung wegen versuchten Betruges statt wegen Unterschlagung mildere Einzel- oder eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, dass also der Rechtsfolgenausspruch auf dem Rechtsfehler beruht. Denn infolge der Aburteilung jeweils tateinheitlich verwirklichter Straftatbestände werden die nach § 52 Abs. 2 StGB maßgeblichen Strafrahmenober- und -untergrenzen von der Änderung nicht berührt. Hinzu kommt, dass die Strafrahmenobergrenze des § 246 Abs. 1 StGB - bei gleicher Strafrahmenuntergrenze - geringer ist, als die gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB herabgesetzte Strafrahmenobergrenze des § 263 Abs. 1 StGB. Auch hat sich der Unrechtsgehalt der Taten - trotz der Einordnung als Versuch - nicht wesentlich verändert.

83. Die weiter gehende Revision hat aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ernemann                                      Cierniak                                      Franke

                         Mutzbauer                                      Quentin

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 1092 Nr. 15
NJW 2012 S. 8 Nr. 10
PAAAE-02741