Erteilung einer befristeten Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen trotz strafrechtlicher Ermittlungen
gegen den weiter für das Bauunternehmen auftretenden früheren Gesellschafter und Prokuristen im Wege der einstweiligen Anordnung
Leitsatz
1. Eine Freistellungsbescheinigung darf nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. ) grundsätzlich nicht
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 S. 1 FGO erlassen werden, wenn
sie die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorwegnehmen würde. Hiervon abweichend ist der erkennende Senat der Auffassung,
dass der Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG bereits dann zulässig ist, wenn aufgrund des
glaubhaft gemachten Vortrags nicht vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Anordnungsgrund eine gewisse Intensität
hat (im Streitfall: Abhängigkeit der Aufträge für sechs Bauvorhaben von der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach
§ 48b EStG).
2. Werden gegen den früheren Gesellschafter und Prokuristen einer im Baubereich tätigen GmbH strafrechtliche Ermittlungen
u. a. wegen Sozialversicherungsbetrugs, Lohnsteuerhinterziehung und illegaler Beschäftigung von Ausländern im Zusammenhang
mit anderen ihm zuzurechnenden Unternehmen in der Baubranche geführt, haben sich aber seit über acht Monaten keine weiteren
strafpozessualen Maßnahmen angeschlossen, so kann aus dem Umstand, dass der ehemalige Prokurist allein in einer – die Zeit
seiner früheren Gesellschafter- und Prokuristenzeit betreffenden – Umsatzsteuersonderprüfung bestimmend für die GmbH aufgetreten
ist, nicht gefolgert werden, dass er weiter als faktischer Geschäftsführer für die GmbH Verfügungsberechtigter i. S. d. §
35 AO ist und dass wegen der nur ihn persönlich betreffenden strafrechtlichen Vorwürfe die Steueransprüche gegenüber der GmbH
als gefährdet i.S. von § 48 Abs. 1 S. 2 EStG anzusehen wären. Eine Gefährdung ergibt sich auch nicht aus der Zusammenarbeit
der GmbH mit einem dem früheren Gesellschafter und Prokuristen zuzurechnenden ausländischen Unternehmen, wenn es sich dabei
um nicht um ein Scheinunternehmen, sondern ein tatsächlich existierendes, steuerlich geführtes Bauunternehmen mit einer in
Deutschland ordnungsgemäß angemeldeten Niederlassung handelt.
3. Im Hinblick auf die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den früheren Gesellschafter und Prokuristen der GmbH ist
zweifelhaft, ob die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EGMRK für die Beurteilung der Frage, ob aufgrund einer steuerlichen
Unzuverlässigkeit der zu sichernde Steueranspruch i. S. v. § 48 b Abs. 1 S. 2 EStG gefährdet ist, heranzuziehen ist.
Tatbestand
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): KAAAE-01120
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Nutzungsdauer: 30 Tage
Online-Dokument
FG des Saarlandes, Beschluss v. 22.02.2005 - 2 V 429/04
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