BAG Urteil v. - 5 AZR 536/10

Rückkehrrecht nach § 17 HVFG - Strukturausgleich

Gesetze: § 17 LBKHG HA vom , § 1 TVÜ-L, § 12 TVÜ-L

Instanzenzug: Az: 13 Ca 257/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 1 Sa 12/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen tariflichen Strukturausgleich.

2Der 1959 geborene Kläger war schon vor 1995 seit einem vom Landesarbeitsgericht nicht näher festgestellten Zeitpunkt bei der Beklagten in einem städtischen Krankenhaus beschäftigt.

Aufgrund § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb Krankenhäuser vom (LBKHG, HmbGVBl. I S. 77) gingen die Arbeitsverhältnisse der in den städtischen Krankenhäusern tätigen Arbeitnehmer auf den Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg (LBK Hamburg), eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, über. Träger des LBK Hamburg war gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKHG die Beklagte. § 17 Abs. 2 LBKHG lautete:

4Mit dem Gesetz zur Errichtung der Betriebsanstalt LBK Hamburg vom (LBK BetriebG, HmbGVBl. I S. 487) wurde mit Wirkung zum die Betriebsanstalt „LBK Hamburg - Anstalt öffentlichen Rechts“ (Betriebsanstalt LBK Hamburg) errichtet. Zugleich wurde das LBKHG in „Gesetz zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg Immobilien Anstalt öffentlichen Rechts“ und der bisherige LBK Hamburg in LBK-Immobilien umbenannt. Bei der nur noch als Besitzanstalt fungierenden LBK-Immobilien verblieben vier Personalstellen. Der Betrieb der Krankenhäuser wurde auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg übertragen, deren Träger der LBK-Immobilien war. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKBetriebG gingen die Arbeitsverhältnisse der bisher beim („alten“) LBK Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer mit Wirkung zum auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg (dem „neuen“ LBK Hamburg) über. Dabei war ein Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer entsprechend § 613a Abs. 6 BGB vorgesehen.

5Mit der Verordnung zur Umwandlung der Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine Kapitalgesellschaft vom (HmbGVBl. I S. 4) wurde die Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, deren Mehrheitsgesellschafterin zunächst noch die Besitzanstalt LBK-Immobilien war. Die Rechte und Pflichten der Beschäftigten aus den bestehenden Arbeitsverträgen blieben durch den Formwechsel unberührt. Der früheren Regelung zum Rückkehrrecht der Arbeitnehmer in § 17 Abs. 2 LBKHG entsprach nunmehr § 15 Abs. 2 LBK-Immobiliengesetz. Ergänzend bestimmte § 15 Abs. 3 LBK-Immobiliengesetz, dass das Rückkehrrecht auch dann besteht, wenn die neu errichtete Anstalt öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden ist und der LBK-Immobilien seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft mehrheitlich veräußert.

6Die Mehrheit der Anteile an der LBK Hamburg GmbH (74,9 %) gingen am von der Beklagten auf einen privaten Krankenhausträger über unter nachfolgender Umfirmierung in A GmbH. Zuvor war das LBK-Immobiliengesetz in „Gesetz über den Hamburgischen Versorgungsfonds - Anstalt öffentlichen Rechts - (HVFG)“ und der LBK-Immobilien in Hamburger Versorgungsfonds (HVF) umbenannt worden.

In § 17 HVFG wurde das Rückkehrrecht mit Wirkung vom wie folgt geregelt:

8Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers beim LBK Hamburg fand bis zum der zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und ver.di abgeschlossene Manteltarifvertrag für Angestellte (MTV Angestellte AVH), der inhaltlich im Wesentlichen dem BAT entsprach, Anwendung. Zum erfolgte die Überleitung in den - dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nachgebildeten - Tarifvertrag für den Krankenhaus-Arbeitgeberverband Hamburg e.V. (TV-KAH) nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten von Mitgliedern des Krankenhausarbeitgeberverbandes Hamburg (KAH) vom (TVÜ-KAH). Dieser entspricht im Wesentlichen dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder).

9Nachdem der Kläger seine Rückkehr zur Beklagten verlangt hatte, schlossen die Parteien mit Wirkung zum einen neuen Arbeitsvertrag, in dem sie die Geltung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für die Beklagte jeweils geltenden Fassung vereinbarten.

10Mit Schreiben vom machte der Kläger erfolglos einen Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Länder geltend.

Die Vorschrift lautet:

12Mit seiner am eingereichten Klage hat der Kläger einen Strukturausgleich iHv. 60,00 Euro brutto monatlich für den Zeitraum November 2008 bis November 2009 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, sein Anspruch ergebe sich zumindest aus der Ausgestaltung des Rückkehrrechts in § 17 Satz 1 HVFG.

Der Kläger hat beantragt

14Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, § 12 TVÜ-Länder finde keine Anwendung. § 17 Satz 1 HVFG verlange nur die Sicherung des erreichten Grundentgelts.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

16Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen.

17I. Für den vom Kläger begehrten Strukturausgleich fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

181. Auf § 12 Abs. 1 und Abs. 2 TVÜ-Länder kann der Kläger seinen Anspruch nicht stützen. Der TVÜ-Länder verlangt für seinen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 ein zum Arbeitgeber über den hinaus fortbestehendes Arbeitsverhältnis. Für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nach dem begann, findet er nur Anwendung, soweit einzelne Vorschriften des TVÜ-Länder dies ausdrücklich bestimmen, § 1 Abs. 2 TVÜ-Länder. § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder setzt aber mit dem Erfordernis der Überleitung aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O und der Stichtagsregelung für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen wiederum ein über den hinaus ununterbrochen fortbestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Das ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger stand am nicht (mehr) in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, sondern in einem solchen zur LBK Hamburg GmbH. Ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten wurde - was der Kläger nicht in Abrede stellt - erst zum wieder - und neu - begründet.

192. Auch § 17 Satz 1 HVFG kommt als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers nicht in Betracht.

20a) Die Norm räumt unter den dort geregelten Voraussetzungen den betroffenen Arbeitnehmern einen Anspruch darauf ein, wieder bei der Beklagten beschäftigt zu werden. Dieses sog. Rückkehrrecht verwirklicht sich durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zwischen der Beklagten und dem Rückkehrer. Zum Inhalt des neuen Arbeitsvertrags verpflichtet § 17 Satz 1 HVFG die Beklagte als Arbeitgeberin, die vom Rückkehrer beim LBK Hamburg erreichte Lohn- bzw. Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit zu wahren. Dieser Schutz umfasst bei einem Angestellten - neben der Anrechnung der Beschäftigungszeit - die am maßgeblichen Stichtag erreichte Vergütungsgruppe und die durch die Eingruppierung vermittelten Bestandteile der laufenden Vergütung ( -). Dazu gehört der Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Länder nicht. Er ist nicht Teil des monatlichen Entgelts (§ 15 Abs. 1 TV-L), sondern wird „zusätzlich“ geleistet, § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder. Mit ihm wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen und Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern (vgl.  - Rn. 25, BAGE 134, 184). Demgemäß wird bei einer Höhergruppierung der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf den Strukturausgleich angerechnet, § 12 Abs. 5 TVÜ-Länder, und kann der Strukturausgleich sogar einzelvertraglich abgefunden werden, § 12 Abs. 6 TVÜ-Länder.

21Eine über die Wahrung der erreichten Lohn- bzw. Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit hinausgehende umfassende Besitzstandswahrung sieht § 17 Satz 1 HVFG ebenso wenig wie die Vorgängerregelungen in § 15 Abs. 2 LBK-Immobiliengesetz und § 17 Abs. 2 LBKHG vor. Lediglich für den Fall der Überführung der Anstalt in eine andere Trägerschaft verpflichtete § 17 Abs. 2 Satz 1 LBKHG die Beklagte, dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten vom neuen Träger „unter Wahrung ihres Besitzstandes“ übernommen werden.

22b) Art. 12 Abs. 1 GG zwingt nicht zu einem Verständnis des § 17 Satz 1 HVFG im Sinne einer umfassenden Besitzstandswahrung.

23Das Bundesverfassungsgericht hat erkannt, der Gesetzgeber müsse bei einer Privatisierung das Grundrecht der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes bei einem ohne ihren Willen erfolgenden Arbeitgeberwechsel schützen. Dazu stünden ihm verschiedene Regelungsalternativen, wie etwa die Einräumung eines Widerspruchs- oder eines Rückkehrrechts zur Verfügung ( - Rn. 94 ff., 115, EzA GG Art. 12 Nr. 48). Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtswirkungen eines Rückkehrrechts in allen Belangen denen eines Widerspruchsrechts entsprechend § 613a Abs. 6 BGB anzugleichen. Die Auffassung des Klägers, rückkehrende Arbeitnehmer seien so zu stellen, als hätte ihr Arbeitsverhältnis durchgehend bei der Beklagten bestanden, würde das Rückkehrrecht des § 17 Satz 1 HVFG in ein ex nunc wirkendes Widerspruchsrecht umgestalten. Das überstiege die Grenzen zulässiger Norminterpretation (vgl. , 2 BvR 136/05 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 118, 212; - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 c cc (2) der Gründe, BVerfGE 126, 286).

II. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Fundstelle(n):
DAAAE-00603