BAG Urteil v. - 4 AZR 670/09

Eingruppierung als Oberärztin nach dem TV-Ärzte - Übertragung einer Spezialfunktion - Forderung einer Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung

Gesetze: § 1 TVG, § 12 Entgeltgr Ä3 TV-Ärzte

Instanzenzug: ArbG Rostock Az: 4 Ca 878/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 2 Sa 262/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin als Oberärztin nach der Entgeltgruppe Ä 3 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom (TV-Ärzte/TdL).

2Die Klägerin, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, ist seit 1976 als Ärztin im Universitätsklinikum Rostock und dort in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin tätig. Sie erwarb vor der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1992 die Anerkennung als Subspezialistin für Pulmologie auf ihrem Facharztgebiet (vgl. auch § 23 Abs. 14 Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern vom sowie § 2 Abs. 1 Nr. 17 WBO). Seit dem Jahr 1993 ist sie aufgrund einer Zusatz-Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern berechtigt, die Zusatzbezeichnung „Allergologie“ zu führen.

3Durch Schreiben des damaligen Ärztlichen Direktors des Klinikums vom wurde die Klägerin „zur kommissarischen Oberärztin der Abt. Allgemeine Pädiatrie der Kinder- und Jugendklinik“ ernannt. Anlass war das Ausscheiden der bisherigen Oberärztin. Seither ist die Klägerin die einzige Fachärztin (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets die weibliche Form verwandt) im Universitätsklinikum, die die Anerkennung als Subspezialistin für Pulmologie besitzt und die Zusatzbezeichnung Allergologie führen darf.

4Am trat der TV-Ärzte/TdL in Kraft. Aufgrund eines vom Marburger Bund angenommenen Angebots der TdL vom Juni 2006 zu einer sog. Vorwegregelung findet die Entgeltregelung für Ärzte im Ergebnis bereits ab dem Anwendung. Das beklagte Land teilte der Klägerin im Monat Juli 2006 mit, dass sie in der Zeit vom 1. Juli bis zum eine Zulage in Höhe des Unterschieds zwischen ihrer bisher erhaltenen tariflichen Vergütung und der Entgeltgruppe Ä 2, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL (Fachärztin ab dem siebten Beschäftigungsjahr) erhalte. Seit dem wird die Klägerin nach der Entgeltgruppe Ä 2, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL vergütet.

5Im Spätherbst 2006 wurde die Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums neu organisiert. Nach dem maßgebenden Organigramm vom wird die Abteilung Allgemeine Pädiatrie mit Nephrologie, Onkologie und Neonatologie der Kinder- und Jugendklinik vom Klinikdirektor Prof. Dr. H geleitet. Innerhalb der Klinik bestehen vier sog. Funktionsbereiche. Zuständig für den Bereich Allgemeine Pädiatrie ist der Oberarzt Dr. W. In den aufgeführten „Spezialfunktionen ohne OA-Bereiche“ ist die Klägerin - „OÄ Dr. B“ - für „Pneumologie, Allergologie“ aufgeführt. Neben ihrer Tätigkeit im Bereich Allgemeine Pädiatrie nimmt die Klägerin im Rahmen ihrer Spezialfunktion Pulmologie/Allergologie Sprechstunden der Mukoviszidose- und Bronchologischen Fachambulanz wahr.

6Mit Schreiben vom legte die Klägerin „Widerspruch gegen die Nichtanerkennung der Einstufung als klinischer Oberarzt“ ein. Das Klinikum teilte ihr mit Schreiben vom mit, dass ein tarifrechtlicher Anspruch auf eine Vergütung als Oberärztin nicht begründet sei.

7Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie seit dem nach der Entgeltgruppe Ä 3, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL zu vergüten ist. Sie erfülle seit über 15 Jahren die Voraussetzungen beider Fallgruppen der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL, weshalb sie auch eine Vergütung nach der Stufe 3 verlangen könne. Sie leite als Oberärztin die Abteilung Allgemeine Pädiatrie der Kinder- und Jugendklinik seit 1999 und die Poliklinik der Kinder- und Jugendklinik in der „Allgemeinen Pädiatrie“. Zudem übe sie eine Spezialfunktion iSd. Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL aus. Dort sei sie gegenüber der als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin tätigen Dr. P sowie gegenüber mehreren Krankenschwestern weisungsbefugt. Zudem sei sie „oberärztlich zuständig“ für die pulmologische Fachambulanz. In der Spezialfunktion Allergologie/Pulmologie sei sie zeitlich mit mehr als der Hälfte ihrer Wochenarbeitszeit tätig. Der Umfang der Sprechstunden in der Fachambulanz betrage von montags bis freitags wöchentlich insgesamt 23,5 Stunden. Hiervon seien vier Stunden abzuziehen, die sie im Rahmen einer Nebentätigkeitsgenehmigung direkt mit den Krankenkassen abrechne. Hinzu kämen Konsilien und die Behandlung stationär aufgenommener Patienten sowie die Notfallambulanz mit einem Zeitanteil von wöchentlich fünf bis sechs Stunden, weshalb die Tätigkeit in der Spezialfunktion insgesamt ihre überwiegende darstelle.

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt beantragt,

9Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Oberarzt im Bereich der Allgemeinen Pädiatrie sei Dr. W. Eine Poliklinik bestehe ausweislich des Organigramms nicht mehr. Die früher dort tätigen Ärzte hätten weisungsfrei und eigenverantwortlich gehandelt. Zwar sei die Klägerin in der Spezialfunktion Pneumologie/Allergologie tätig. Von der Klägerin sei aber eine entsprechende Weiterbildung nicht gefordert worden. Die Tätigkeit in der Spezialfunktion umfasse zudem nicht „zeitlich mindestens die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit“ der Klägerin. Der wöchentliche Arbeitsaufwand dafür betrage nur 20,5 Stunden bei einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag für die Zeit ab stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

11Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Da es für eine abschließende Entscheidung an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12I. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Er ist, wie sich aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt, zunächst auf die Feststellung gerichtet, dass sie ab dem eine Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL von der Beklagten verlangen kann. Für den Zeitraum zwischen dem bis zum und damit vor Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL (§ 39 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte/TdL) ergibt die gebotene Auslegung, dass die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wissen will, ihr eine Zulage zur Aufstockung entsprechend Nr. 1 der Anlage 2 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte, vom ) in Höhe des Unterschiedsbetrages der bisher „nach BAT/BAT-O zustehenden Summe aus Grundvergütung, Ortszuschlag Stufe 1 oder 2 und allgemeiner Zulage“ und der sich nach der Entgeltgruppe Ä 3, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL ergebenden Vergütung zu zahlen.

13II. Die Klage ist als im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. Ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht auch hinsichtlich der geltend gemachten Stufenzuordnung in die Stufe 3 der Entgelttabelle. Die Höhe der Vergütungspflicht des beklagten Landes ergibt sich nicht allein aus der Entgeltgruppe, sondern auch aus der Stufenzuordnung. Es kann nach dem Vorbringen der Parteien nicht ausgeschlossen werden, dass selbst für den Fall der Feststellung einer Vergütungspflicht nach der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL noch Streit über die Stufenzuordnung besteht (vgl. etwa - 4 AZR 495/08 - Rn. 24, BAGE 132, 365; - 4 AZR 188/09 - Rn. 15, NZA-RR 2011, 304).

14III. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat anhand der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entscheiden.

151. Das Landesarbeitsgericht hat - kurz zusammengefasst - der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL, weil ihr als Fachärztin durch den Arbeitgeber eine Spezialfunktion übertragen worden sei, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung fordere. Zwar gebe es keine „ausdrückliche Forderung“, es sei aber nicht vorstellbar, dass das beklagte Land „von der Fachkunde der Klägerin … nicht in einer Weise profitiert, dass es für das beklagte Land aufgrund der Weiterbildung nicht erforderlich ist, eine entsprechende Weiterbildung von der Klägerin selbst oder von einem anderen Arzt zu fordern“. Die Tätigkeit in der Spezialfunktion betrage auch mindestens die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit.

162. Mit dieser Begründung konnte der Klage nicht stattgegeben werden. Der Senat kann jedoch in der Sache nicht selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist.

17a) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Das ursprünglich mit dem Land geschlossene Arbeitsverhältnis ist nicht mit Wirkung zum auf die durch Landesverordnung (Landesverordnung über die Errichtung des Universitätsklinikums Rostock der Universität Rostock als Anstalt des öffentlichen Rechts vom , GVOBl. M-V S. 562 - UKlHRO-VO) errichtete Universitätsklinik Rostock als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts übergegangen. Die Klägerin gehört, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben, zu dem Personal mit überwiegend ärztlichen Aufgaben iSd. § 67 Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommern, das Aufgaben für die Medizinische Fakultät der Universität wahrnimmt. Für diese Beschäftigten ist in § 18 Abs. 1 UKlHRO-VO bestimmt, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Land bestehen bleibt, der Arbeitnehmer jedoch verpflichtet ist, seine Arbeit im Universitätsklinikum zu verrichten.

b) Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist nach ihrem übereinstimmenden Vorbringen für den Streitzeitraum der TV-Ärzte/TdL einschließlich der Nr. 1 der Anlage 2 zum TVÜ-Ärzte anzuwenden. Damit sind für die Eingruppierung der Klägerin nachstehende Tarifbestimmungen des TV-Ärzte/TdL maßgebend:

19c) Nach Maßgabe der vorstehenden Tarifbestimmungen kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Berufung des beklagten Landes nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil es der Klägerin eine Spezialfunktion übertragen habe, für die es eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert und diese zeitlich mindestens die Hälfte der auszuübenden Tätigkeit ausmache.

20aa) Im Gegensatz zur ersten Fallgruppe des Tätigkeitsmerkmales einer Oberärztin iSv. § 12 TV-Ärzte/TdL, die keine besondere medizinische Qualifikation der Ärztin, sondern lediglich die Approbation und die Übertragung der medizinischen Verantwortung in einer Organisationseinheit verlangt, die die Anforderungen eines Teilbereichs oder Funktionsbereichs erfüllt, stellt die zweite Fallgruppe auf die persönlich-fachliche Qualifikation und deren gezielte „Forderung“ durch den Arbeitgeber ab. Sie setzt - anders als die erste Fallgruppe - zunächst eine Qualifikation als Fachärztin voraus. Aus der tariflichen Systematik ergibt sich, dass es sich dabei um eine bestimmte Tätigkeit oder einen bestimmten Tätigkeitsausschnitt im Rahmen der Erfüllung einer Aufgabe der Klinik handelt, die nicht zwingend in einer Organisationseinheit gebündelt sein muss. Die Spezialfunktion muss sich innerhalb des Aufgabenbereichs der Klinik als Besonderheit ergeben und verlangt eine in der Bedeutung für die Klinik herausgehobene Aufgabe und ihre Erfüllung durch die Fachärztin ( - Rn. 23 f., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 25).

21Darüber hinaus muss die Ärztin eine Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung erfolgreich absolviert haben, die sich nach den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern richtet ( - Rn. 29, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 7; - 4 AZR 841/08 - Rn. 32; - 4 AZR 340/09 - Rn. 16 ff., ZTR 2011, 421).

22Diese persönlich-fachliche Qualifikation der Ärztin muss nach den tariflichen Anforderungen vom Arbeitgeber vor der Übertragung der Spezialfunktion als deren notwendige Voraussetzung „gefordert“ worden sein. Es genügt demnach nicht, dass die herausgehobene Qualifikation der Ärztin für die Tätigkeit nur nützlich ist. Es wird vielmehr ausdrücklich verlangt, dass der Arbeitgeber diese besondere Qualifikation für die auszuübende Tätigkeit gefordert und damit festgelegt hat, dass aus seiner Sicht, auf die es nach dem Wortlaut des Tarifvertrages diesbezüglich hier entscheidend ankommt, die Weiterbildung für die Tätigkeit einschlägig ist. Diese Forderung muss nicht in jedem Fall ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich auch daraus ergeben, dass der Tätigkeitsbereich, der die oa. Voraussetzungen erfüllt, nach den medizinischen Regeln oder aus Rechtsgründen zwingend die besondere Qualifikation der Fachärztin verlangt ( - Rn. 23 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 25).

23Geht es um eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL unter dem Gesichtspunkt der übertragenen Spezialfunktion, ist es darüber hinaus erforderlich, gesondert festzustellen, dass die Ärztin die Spezialfunktion mit den dazugehörenden Zusammenhangstätigkeiten tatsächlich auch zeitlich mindestens zur Hälfte ausübt (§ 12 Einleitungssatz TV-Ärzte/TdL). Anders als bei den übertragenen organisatorischen Leitungsfunktionen der ersten Fallgruppe des Tätigkeitsmerkmales ist hier nicht ohne weiteres von einem einzigen einheitlichen Arbeitsvorgang der gesamten Tätigkeit der Ärztin auszugehen. Dabei obliegt es nach den üblichen Regeln der klagenden Partei, die entsprechenden Tatsachen, auch für die Übertragung einer Spezialfunktion, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ( - Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 25; - 4 AZR 49/09 - Rn. 36).

24bb) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin erfülle die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe Ä 3 zweite Fallgr. TV-Ärzte/TdL.

25(1) Das Landesarbeitsgericht konnte aufgrund seiner Feststellungen nicht davon ausgehen, das beklagte Land habe für die der Klägerin übertragene Spezialfunktion eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung gefordert.

26(a) Zwar verfügt die Klägerin über eine entsprechende Zusatzqualifikation iSd. Tätigkeitsmerkmales. Sie übt auch nach dem von dem beklagten Land vorgelegten Organigramm eine Spezialfunktion aus. Dies spricht dafür, dass es sich um einen Aufgabenbereich der Klinik handelt, der in seiner Bedeutung für diese eine herausgehobene Aufgabe darstellt und diese durch Fachärztinnen zu erfüllen ist ( - Rn. 24, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 25). Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus. Das beklagte Land hat selbst vorgetragen, die Klägerin „ist in der Spezialfunktion Pneumologie, Allergologie tätig“, es fehle aber an der arbeitgeberseitigen Forderung nach der Zusatzqualifikation.

27(b) Nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es auch tatsächlich an einer ausdrücklichen Forderung seitens des Arbeitgebers. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, eine solche sei erhoben worden. Soweit das Landesarbeitsgericht ausführt, es genüge, dass der Arbeitgeber von der Zusatzqualifikation „profitiert“, reicht dies nicht aus. Allein der Umstand, dass die herausgehobene Qualifikation der Ärztin für die Tätigkeit nützlich ist, genügt für die Erfüllung der tariflichen Anforderungen nicht (st. Rspr.,  - Rn. 25, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 25; - 4 AZR 49/09 - Rn. 34).

28(c) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass sich die Anforderung an die Qualifikation bereits aus der Spezialfunktion einer Fachärztin logisch oder rechtlich zwingend ergeben kann. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, die Tätigkeit in der Spezialfunktion könne „in rechtlich zulässiger Weise und tatsächlich allein von der Klägerin“ ausgeübt werden, weil nur sie über die gebotene Zusatzqualifikation verfügt. Dies spricht dafür, dass in der Fachambulanz nicht nur hochspezialisierte Fachärztinnen tätig sind - dies allein würde nicht zu einer Tätigkeit als Oberärztin im Tarifsinne führen -, sondern dass es jedenfalls für die der Klägerin übertragenen Tätigkeiten aufgrund der genannten Maßstäbe erforderlich ist, dass sie von Fachärztinnen mit der entsprechenden Zusatzqualifikation ausgeübt werden. Deshalb kann die Zusatzqualifikation durch den Arbeitgeber bereits durch Übertragung der Tätigkeit an die Klägerin auch dadurch konkludent gefordert sein, dass sie nach medizinischen Regeln oder rechtlich - etwa aus Gründen der nach medizinischen Standards bestehenden Anforderung an diese Tätigkeit und in der Folge zur Vermeidung von haftungsrechtlichen Konsequenzen im Sinne eines Organisationsverschuldens - geboten ist.

29Von daher trifft es nicht zu, wenn das Landesarbeitsgericht ausführt, der Arbeitgeber könne sonst zwar von einem „Fordern“ absehen, aber im Rahmen einer Stellenbesetzung nur Bewerberinnen mit einer entsprechenden Qualifikation berücksichtigen. Bei einem solchen Vorgehen spräche viel für ein „Fordern“ im Tarifsinne. Der Begründung des Landesarbeitsgerichts lassen sich jedoch Anhaltspunkte, wonach der Klägerin die Tätigkeit deshalb übertragen wurde, weil sie über die entsprechende Zusatzqualifikation verfügte, nicht entnehmen.

30In diesem Zusammenhang bedarf es weiterer Feststellungen und den Parteien ist unter dem Gesichtspunkt ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu einem ergänzenden Vortrag zu geben.

31(2) Das Landesarbeitsgericht konnte weiterhin nicht davon ausgehen, die Klägerin übe die Spezialfunktion zeitlich mindestens zur Hälfte der von ihr auszuübenden Tätigkeiten aus. Das beklagte Land rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht von einem Anteil von 22 Stunden in der Woche ausgegangen sei.

32(a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin sei in einem zeitlichen Umfang von 28 Stunden in ihrer Spezialfunktion tätig. Davon entfielen 22 Stunden auf die Tätigkeit in der Fachambulanz und von ihr wahrgenommene Konsilien sowie die Behandlung stationär aufgenommener Patienten. Im Rahmen der Notfallambulanz sei sie weitere fünf bis sechs Stunden tätig. Hiervon seien - entsprechend dem Vortrag der Klägerin - vier Stunden aufgrund der ihr gestatteten Nebentätigkeit in Abzug zu bringen. Selbst wenn man von der sich dann ergebenden Stundenzahl weitere zwei Stunden abziehe, weil sich die Klägerin zu vier Überstunden verpflichtet habe, ergebe sich mit 22 Stunden eine zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübende Tätigkeit in ihrer Spezialfunktion.

33(b) Das ist nicht frei von Rechtsfehlern. Dieses Ergebnis wird von den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getragen. Das Landesarbeitsgericht hat weder festgestellt, dass die weiteren Tätigkeiten der Klägerin über die Wahrnehmung der Sprechstunden in der Fachambulanz hinaus eine eigenständige Teiltätigkeit darstellen, die nach der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL zu bewerten ist, noch ob diese Tätigkeiten einer anderen Teiltätigkeit - namentlich der in der Fachambulanz - hinzuzurechnen sind.

34(aa) Anders als nach § 22 Abs. 2 BAT oder nach § 15 Abs. 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA, vom ) wird in § 12 TV-Ärzte/TdL nicht auf Arbeitsvorgänge abgestellt. Dies steht der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Teiltätigkeiten für deren jeweils einheitliche tarifliche Bewertung aber nicht entgegen. Dafür gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng (st. Rspr., etwa  - Rn. 24; - 4 ABR 40/08 - Rn. 21, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 42; - 4 ABR 18/08 - Rn. 29, BAGE 131, 197). Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die jeweiligen Begriffe verkannt wurden, ob bei ihrer Anwendung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden ist, oder ob die Beurteilung unter Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (st. Rspr., etwa  - Rn. 16 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 314).

35(bb) Das Landesarbeitsgericht konnte die von der Klägerin angegebenen Zeiten, die diese über die Tätigkeit in der Fachambulanz hinaus tätig ist, nicht ohne weitere Feststellungen den Zeiten der Sprechstundentätigkeit in der Fachambulanz hinzurechnen. Eine Zusammenrechnung beider Zeitanteile käme etwa dann in Betracht, wenn es sich bei den Zeiten der Konsilien, der stationären Tätigkeit und der Notfallambulanz um eine oder mehrere selbständig zu bewertende Teiltätigkeiten handelt, die gleichfalls die Anforderungen an die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL erfüllen (vgl.  - Rn. 31, BAGE 131, 197). Eine solche Vorgehensweise wäre darüber hinaus auch dann möglich, wenn es sich bei der Tätigkeit der Konsilien, der Behandlung stationär aufgenommener Patienten sowie der in der Notfallambulanz um Zusammenhangstätigkeiten handelt, die einer einheitlich zu beurteilenden Teiltätigkeit in der Fachambulanz oder - weil es sich um Sprechstunden sowohl der Mukoviszidose- als auch der Bronchologischen Fachambulanz handelt - einer von zwei Teiltätigkeiten hinzuzurechnen sind, weil sie tatsächlich nicht trennbar sind und daher rechtlich nicht selbständig bewertet werden können (dazu  - Rn. 21 mwN, AP TVÜ § 17 Nr. 1).

36Handelt es sich dagegen um Zusammenhangstätigkeiten mit der oder den Teiltätigkeiten, die die Klägerin im Bereich der Allgemeinen Pädiatrie wahrnimmt, ist eine Zusammenrechnung in der Form, wie sie das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat, nicht möglich.

37(cc) Zwar kann das Revisionsgericht Teiltätigkeiten anhand der von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriffe aus den Eingruppierungsnormen selbst bestimmen ( - Rn. 63, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 42).

38Hierzu fehlt es aber an den dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht, die es erlauben, eine oder einzelne Teiltätigkeiten feststellen zu können, um diese anschließend tariflich zu bewerten. Der Umstand, dass die Parteien offenbar davon ausgehen, dass es sich bei den genannten Aufgaben der Klägerin zugleich um eine Teiltätigkeit im Tarifsinne entsprechend der maßgebenden Eingruppierungsregelung handelt, entlastet das Landesarbeitsgericht nicht von der Feststellung der zugrunde liegenden Tatsachen. Denn bereits die Bestimmung und Abgrenzung der konkreten Tätigkeiten als Teiltätigkeiten im tariflichen Sinn ist eine rechtliche Bewertung, über die die Parteien auch nicht einvernehmlich verfügen können ( - Rn. 64, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 42).

39(dd) Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen. Das beklagte Land hatte geltend gemacht, dass die Klägerin in den Sprechstunden am Freitag keine Tätigkeiten „für die Fachambulanz“ erbringt. Deren Berücksichtigung bei der Bestimmung der nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts maßgebenden Teiltätigkeit konnte daher nur dann erfolgen, wenn es sich um die Nebentätigkeitszeiten der Klägerin handelte, die das Berufungsgericht vom zeitlichen Umfang in Höhe von vier Stunden wieder in Abzug gebracht hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht aber nicht festgestellt.

403. Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klage aus anderen Gründen entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insbesondere ist der Klage nicht ohne weitere Feststellungen aus anderen Gründen stattzugeben.

41a) Die Klägerin kann nicht allein auf Grundlage des Schreibens des früheren Ärztlichen Direktors vom ein Entgelt als Oberärztin nach der Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL beanspruchen.

42Allein die Verleihung des Status oder des Titels einer Oberärztin reicht nicht aus, wenn nicht die auszuübende Tätigkeit selbst die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales erfüllt. Das ergibt sich aus der Niederschriftserklärung zu § 4 des Tarifvertrages zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom (TVÜ-Ärzte/TdL). Deshalb ist es für die Eingruppierung ohne Bedeutung, wenn die Klägerin dort „ernannt“ oder in anderem Zusammenhang als Oberärztin bezeichnet wird. Maßgebend ist allein, dass die auszuübende Tätigkeit selbst die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales erfüllt ( - Rn. 57 f., BAGE 132, 365).

43b) Die Klägerin erfüllt nach ihrem bisherigen Vorbringen auch nicht das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL.

44aa) Die Eingruppierung einer Ärztin als Oberärztin iSd. Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL setzt ua. voraus, dass der Ärztin die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung übertragen worden ist (ausf. und grdl. zum TV-Ärzte/TdL: - 4 AZR 495/08 - Rn. 35 ff., BAGE 132, 365; - 4 AZR 568/08 - Rn. 29 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9). Das Tätigkeitsmerkmal stellt hinsichtlich der übertragenen Verantwortung maßgebend auf deren Reichweite ab. Diese muss sich in personeller Hinsicht auch auf Fachärztinnen und in organisatorischer Hinsicht als Alleinverantwortung auf den gesamten betreffenden Bereich der Klinik oder Abteilung beziehen. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung dieser Entgeltgruppe innerhalb der durch die Vergütungsordnung gestalteten Hierarchie der Entgeltgruppen (ausf.  - Rn. 47, aaO).

45bb) Nach diesen Kriterien scheidet die von der Klägerin gleichfalls angestrebte Eingruppierung nach Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL bezogen auf den Bereich der Allgemeinen Pädiatrie schon deshalb aus, weil der Klägerin keine medizinische Verantwortung im Tarifsinne übertragen war. Denn nach dem unwidersprochenen Vorbringen des beklagten Landes ist Dr. W der für diesen Teilbereich allein zuständige Oberarzt, weshalb es schon an einer ungeteilten medizinischen Verantwortung der Klägerin fehlt. Es kann daher dahinstehen, ob es sich nach den Ausführungen der Klägerin hierbei überhaupt um die mindestens zur Hälfte von ihr auszuübende Tätigkeit handelt.

46Soweit die Klägerin weiterhin anführt, sie trage die medizinische Verantwortung für die „Poliklinik“ als Teilbereich im Tarifsinne, der zur Allgemeinen Pädiatrie gehöre, „die auch im Organigramm der Beklagten erwähnt wird“, sind nach ihrem Vortrag bereits die räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen eines Teilbereichs nicht erkennbar. Das beklagte Land hat insoweit geltend gemacht, dass - wie auch das vorgelegte Organigramm verdeutliche - eine „Poliklinik“ nicht bestehe. Dies hat die Klägerin zwar bestritten, es aber als darlegungs- und beweispflichtige Partei verabsäumt, über den pauschalen Vortrag, es existierten drei Behandlungsräume, weitere Tatsachen vorzutragen, aus denen der rechtliche Schluss auf die Existenz eines Teilbereichs „Poliklinik“ möglich ist. Deshalb ist auch nicht ersichtlich, wie sich die personelle Zuordnung der von der Klägerin angeführten Fachärztin und der Krankenschwestern, für die sie ein Weisungsrecht geltend macht, im Verhältnis zu dem Bereich „Allgemeine Pädiatrie“ gestaltet. Von daher kann es dahinstehen, ob der Klägerin ein Aufsichts- und - eingeschränktes - Weisungsrecht auch gegenüber einer Fachärztin der Entgeltgruppe Ä 2 TV-Ärzte/TdL (Frau Dr. P) zusteht und ob die Verantwortung für diesen „Teilbereich“ ungeteilt ist (dazu ausf.  - Rn. 20, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5; weiterhin - 4 AZR 862/08 - Rn. 26 ff.; - 4 AZR 247/09 - Rn. 27).

47Für den Zeitraum vom bis zur Umorganisation der Klinik im Spätherbst 2006 ist gleichfalls nicht erkennbar, ob der Klägerin die medizinische Verantwortung für einen Funktions- oder Teilbereich übertragen war. Auch insoweit fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Klägerin hinsichtlich der damaligen Organisationsstruktur, der auf die Erfüllung der Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 3 erste Fallgr. TV-Ärzte/TdL schließen lassen könnte.

484. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Den Parteien ist Gelegenheit zur Präzisierung ihres Vortrages zu geben. Das gebietet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs insbesondere im Hinblick auf neue tarifliche Tätigkeitsmerkmale. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass weder der Klägerin noch dem Landesarbeitsgericht die Senatsentscheidungen seit dem zur Auslegung der Anforderungen an die Erfüllung der neuen Tätigkeitsmerkmale des TV-Ärzte/TdL bekannt waren.

Dabei werden neben den bereits erfolgten Hinweisen insbesondere die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein: Soweit die Klägerin in ihrem Vorbringen teilweise ihre Tätigkeit auch auf den Begriff des Teil- oder Funktionsbereichs einer Klinik bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich bisher kein wesentlicher Vortrag ersichtlich ist. Die Klägerin mag dabei insbesondere zu dem von ihr anführten Teilbereich „Poliklinik“ näher vortragen und dazu, ob ein solcher jedenfalls bis zu der Umorganisation der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin durch das beklagte Land im Spätherbst des Jahres 2006 bestanden hat, für den der Klägerin die medizinische Verantwortung übertragen worden war. Darüber hinaus wird das Landesarbeitsgericht, nicht zuletzt auch wegen der von der Klägerin beanspruchten Entgeltstufe 3 innerhalb der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/TdL, zu beachten haben, welche Tätigkeit die Klägerin bis zu der besagten Umorganisation ausgeübt hat. Nach ihrem bisherigen Vorbringen ist nicht auszuschließen, dass die Tätigkeit im Bereich der Fachambulanz von der Umorganisation im Spätherbst des Jahres 2006 unbeeinflusst gewesen sein könnte. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

Fundstelle(n):
DAAAD-99953