BGH Beschluss v. - 1 StR 459/11

Steuerhinterziehung: Berichtigung des auf Grund unberechtigten Steuerausweises geschuldeten Umsatzsteuerbetrages; Strafzumessung bei Serientaten

Gesetze: § 370 Abs 1 AO, § 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO, § 14c Abs 2 S 3 UStG, § 14c Abs 2 S 4 UStG, § 17 Abs 1 UStG, § 46 StGB

Instanzenzug: LG München II Az: W 5 KLs 68 Js 18248/09

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten D.    und O.   wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Kreditbetruges schuldig gesprochen und deswegen den Angeklagten D.    zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sowie den Angeklagten O.   zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten M.    hat es wegen Steuerhinterziehung in 28 tatmehrheitlichen Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Bankrotts in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben im Ergebnis keinen Erfolg.

3Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom bemerkt der Senat lediglich:

41. Die Revisionen der Angeklagten D.    und M.    machen geltend, das Landgericht habe bei der Bestimmung des Schuldumfanges der Straftaten der Umsatzsteuerhinterziehung die „möglichen und notwendigen Rechnungsberichtigungen“ der Scheinrechnungen nicht berücksichtigt. Dieses Vorbringen hat schon deshalb keinen Erfolg, weil bei aufgrund unberechtigten Steuerausweises geschuldeter Steuer nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG eine Berichtigung des Steuerbetrages nur möglich gewesen wäre, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden wäre. Dies hätte jedoch gemäß § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG vorausgesetzt, dass entweder der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beim Rechnungsempfänger nicht durchgeführt oder aber die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden wäre. Beides lässt sich den landgerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen; auf entsprechende Feststellungen gerichtete Verfahrensrügen wurden nicht erhoben.

52. Das Landgericht hat in 13 Fällen vollendeter gemeinschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung durch unberechtigten Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen im Rahmen der konkreten Strafzumessung rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet, dass zwei Regelbeispiele verwirklicht sind.

6a) Zutreffend hat das Landgericht in diesen Fällen den erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO zugrunde gelegt, denn die Feststellungen des Landgerichts belegen, dass die Angeklagten als Mitglieder einer Bande im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO gehandelt haben.

7b) In zehn Fällen wird allerdings die strafschärfend berücksichtigte Verwirklichung des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO von den Feststellungen des Landgerichts von vorneherein nicht getragen. Denn bei den vom Landgericht in diesen Fällen festgestellten Verkürzungsbeträgen unter 50.000 Euro liegt nach der Rechtsprechung des Senats das Merkmal „in großem Ausmaß“ im Sinne dieses Regelbeispiels nicht vor (vgl. , wistra 2011, 396; Beschluss vom - 1 StR 116/11, NJW 2011, 2450; Urteil vom - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).

8c) Auch die Feststellungen des Landgerichts, nach denen die Angeklagten in drei weiteren Fällen „Schadenssummen“ zwischen 50.000 und 100.000 Euro herbeigeführt haben, belegen nicht die Verwirklichung des weiteren Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (vgl. , wistra 2011, 396; Beschluss vom - 1 StR 116/11, NJW 2011, 2450; Urteil vom - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).

9d) Die Strafaussprüche haben gleichwohl Bestand. Diese erachtet der Senat im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten weiteren erheblichen Strafschärfungsgesichtspunkte als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Die Anforderungen an die Anwendung der Vorschrift (vgl. , 2 BvR 136/05, BVerfGE 118, 212) sind daher gegeben. Die Straftaten der Angeklagten besaßen angesichts ihrer zeitlichen und sachlichen Verschränkung insbesondere Seriencharakter. Deswegen ist vorliegend bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden entscheidend, sondern auch die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick zu nehmen (vgl. , BGHR StGB § 46 Begründung 1 mwN).

Nack                                Wahl                                 Hebenstreit

                  Jäger                                Sander

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 541 Nr. 3
StBp. 2013 S. 178 Nr. 6
wistra 2012 S. 151 Nr. 4
TAAAD-99871