Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs: Konkretisierung der schiedsgerichtlichen Zins- und Kostenentscheidung
Leitsatz
Zur Zulässigkeit der Konkretisierung einer schiedsgerichtlichen Zins- und Kostenentscheidung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs.
Gesetze: § 1061 ZPO
Instanzenzug: Az: I-4 Sch 11/10 Beschluss
Gründe
I.
1Der Antragsgegner (Schiedskläger) hat die Antragstellerin (Schiedsbeklagte) vor dem ständigen Schiedsgericht in B. (Tribunal Arbitral de B. , im Folgenden: TAB) auf Zahlung von Provisionen in Anspruch genommen. Das Gericht hat nach Beweisaufnahme mit Schiedsspruch vom die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten auferlegt. Mit weiterem Schiedsspruch vom hat das Gericht entschieden, dass in den Kosten der endgültige Rechnungsbetrag enthalten ist, den das TAB über den von der Antragstellerin gezahlten Betrag erteilt (I.-), und dass die Anwaltshonorare auf 24.145,15 € festgesetzt werden, zuzüglich der entsprechenden Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt, bis zum Zeitpunkt der Zahlung (II.-).
2Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Schreiben vom , zugestellt durch die Obergerichtsvollzieherin P. beim Amtsgericht S. am , zunächst erfolglos zur Zahlung der Anwalts- und Gerichtskosten aufgefordert. Sie begehrt nunmehr, die Schiedssprüche anzuerkennen und daraus 10.214,73 € Gerichtskosten sowie 24.145,15 € Anwaltskosten nebst 4% Zinsen seit dem gegen den Antragsgegner für vollstreckbar zu erklären. Bezüglich der Gerichtskosten beruft sich die Antragstellerin auf das ihr vom Schiedsgericht erteilte "CERTIFICO", in dem die von ihr verauslagten Kosten gemäß dem Gebührenverzeichnis des Schiedsgerichts beziffert worden sind. Bezüglich der Zinsen auf die Anwaltskosten verweist die Antragstellerin darauf, dass es sich bei den "entsprechenden" Zinsen um den im spanischen Recht geregelten gesetzlichen Zinssatz handele. Nach spanischem Recht sei es nicht notwendig und auch nicht üblich, den geschuldeten Zinssatz zu beziffern. Gemäß Art. 1108 des spanischen Zivilgesetzbuchs werde der gesetzliche Zinssatz geschuldet, es sei denn, die Parteien hätten einen anderen Zinssatz vereinbart. Deshalb enthalte eine spanische gerichtliche Entscheidung nur dann eine Bezifferung, wenn ein vom gesetzlichen Zinssatz abweichender Satz geschuldet werde. Die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes für Geldschulden betrage nach dem Gesetz über den spanischen Staatshaushalt 4 %. Der Antragsgegner schulde Zinsen seit . In der Zustellung der Zahlungsaufforderung liege die im Schiedsspruch vorausgesetzte "beglaubigte Einforderung".
3Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Schiedssprüche vom 25. November und anerkannt und in ihrer wörtlichen Fassung für vollstreckbar erklärt, dagegen das weitergehende Begehren der Antragstellerin bezüglich der Bezifferung der Gerichtskosten und der Zinsen zurückgewiesen. Ein staatliches Gericht sei nicht ermächtigt, den Inhalt eines Schiedsspruchs, hier zu den Kosten, zu verändern. Eine fehlende Kostenentscheidung könne unzweifelhaft nicht nachgeholt werden. Nichts anderes gelte aber auch für eine tatsächlich getroffene Kostenentscheidung, die in bestimmter Hinsicht, insbesondere zur Höhe der zu erstattenden Kosten ergänzungs- oder konkretisierungsbedürftig sei.
4Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
5Die Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht die von der Antragstellerin begehrte Konkretisierung beziehungsweise Ergänzung des Schiedsspruchs vom abgelehnt.
61. Nach deutschem Vollstreckungsrecht muss ein Vollstreckungstitel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt sowie Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Zwar hat notfalls das Vollstreckungsorgan den Titel auszulegen. Dazu muss dieser jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl. IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440). Diese Anforderungen beziehen sich allerdings nur auf die deutsche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit, nicht auf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung (vgl. BGH, aaO; Beschluss vom - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 18). Denn Vollstreckungstitel ist allein die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung, nicht der Schiedsspruch (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO; siehe auch BT-Drucks. 13/5274, S. 61). Daher ist es nicht geboten, ausländische Entscheidungen, die den innerstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen für Vollstreckungstitel nicht genügen, allein deshalb nicht für vollstreckbar zu erklären. Vielmehr ist in solchen Fällen - gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum ausländischen Recht - der ausländische Titel so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann (vgl. BGH, aaO S. 1441 und S. 18 ff; Beschluss vom - IX ZB 28/10, juris Rn. 5). Nur wenn dies im Einzelfall nicht zuverlässig möglich ist, muss der Antrag zurückgewiesen werden, weil es dem deutschen ordre public widersprechen würde, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von den Vollstreckungsorganen nicht ausgeführt werden kann ( aaO S. 19). Allerdings darf das deutsche Gericht nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der des Schiedsgerichts setzen oder diese inhaltlich verändern, sondern nur den in der ausländischen Entscheidung bereits - wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt - zum Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit verhelfen.
72. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass im Falle des Fehlens einer Kosten- oder Zinsentscheidung diese im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht nachgeholt werden kann. Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht.
8a) Das Schiedsgericht hat am entschieden, dass in den nach der Kostengrundentscheidung vom vom Antragsgegner (Schiedskläger) zu tragenden Kosten die Gerichtskosten gemäß der Abrechnung des Schiedsgerichts enthalten sind. Die Höhe der auf sie entfallenden und von ihr bezahlten Kosten hat die Antragstellerin durch Vorlage einer Bestätigung des Schiedsgerichts nachgewiesen. Soweit der Antragsgegner im Verfahren vor dem Oberlandesgericht mit Schriftsatz vom eingewandt hat, das Schiedsgericht habe keine Mehrwertsteuer berechnet, so dass sich der von ihm zu erstattende Betrag nur auf 8.805,80 € netto belaufe, steht dem schon der Inhalt der Bestätigung entgegen. Im Übrigen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom im Einzelnen und unter Beifügung weiterer Belege dargelegt, dass das Schiedsgericht Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt hat. Dem ist der Antragsgegner in der Folgezeit substantiell auch nicht mehr entgegengetreten. Wollte man im Übrigen entgegen dem Inhalt des Schiedsspruchs aus den Gerichtskosten die Mehrwertsteuer herausrechnen, liefe dies auf eine im Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unzulässige révision au fond hinaus. Dementsprechend ist der Schiedsspruch vom dahingehend auszulegen, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin 10.214,73 € Gerichtskosten zu bezahlen hat. Diese Feststellung kann der Senat selbst vornehmen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen Schiedsspruch auszulegen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - III ZB 95/06, SchiedsVZ 2008, 40 Rn. 14 und - III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 Rn. 17 mwN).
9b) Nach dem Inhalt des Schiedsspruchs vom stehen der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf die festgesetzten Anwaltshonorare "entsprechende" Zinsen ab dem Datum, zu dem die beglaubigte Einforderung der Zahlung derselben erfolgt ist, bis zum Zeitpunkt der Zahlung zu. Den Beginn der Zinspflicht hat die Antragstellerin durch Nachweis der Zustellung der Zahlungsaufforderung belegt. Was die Höhe der Zinsen anbetrifft, hätte das Oberlandesgericht im Rahmen des § 293 ZPO dem Vortrag der Antragstellerin nachgehen müssen, ob nach spanischem Recht beziehungsweise spanischer Rechtspraxis unter "entsprechende" Zinsen die gesetzlichen Zinsen zu verstehen sind (siehe auch , ZIP 2001, 675, zur Auslegung der Formulierung "zuzüglich der anfallenden Zinsen" in einem spanischen Amtsgerichtsurteil). Trifft dies zu und beträgt die Höhe dieser Zinsen 4 %, steht einer entsprechenden Konkretisierung des Schiedsspruchs nichts entgegen. Denn es ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der ausländische Titel auf die gesetzlichen Zinsen verweist, ohne diese näher zu beziffern, eine entsprechende Ergänzung im Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich ist (vgl. aaO S. 1441; Beschlüsse vom - IX ZB 68/89, NJW 1990, 3084, 3085, vom , aaO S. 20 und vom - IX ZB 78/92, juris Rn. 12). Insoweit handelt es sich nicht um eine unzulässige Auffüllung des Schiedsspruchs, sondern um die Anerkennung der Wirkung, die dem Schiedsspruch nach dem ausländischen Recht zukommt (vgl. aaO S. 1441). Um diese Prüfung nachzuholen, war der angefochtene Beschluss bezüglich der Zinsen aufzuheben und das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Tombrink
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2012 S. 179 Nr. 4
FAAAD-99170