Rücktritt vom Aufhebungsvertrag wegen Nichtzahlung der vereinbarten Abfindung - Rücktrittserklärung nach Insolvenzantrag des Arbeitgebers
Leitsatz
Der Rücktritt eines Arbeitnehmers von einem mit dem Arbeitgeber geschlossenen Aufhebungsvertrag wegen Nichtzahlung der vereinbarten Abfindung ist ausgeschlossen, wenn das Insolvenzgericht dem Arbeitgeber nach dem Eröffnungsantrag derartige Zahlungen gem. § 21 InsO untersagt hat.
Gesetze: § 323 Abs 1 BGB, § 130 Abs 1 InsO, § 130 Abs 2 InsO, § 143 Abs 1 InsO, § 21 Abs 2 S 1 Nr 3 InsO, § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 InsO
Instanzenzug: ArbG Solingen Az: 4 Ca 911/09 lev Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 12 Sa 962/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob der zwischen dem Kläger und der Schuldnerin am zustande gekommene Aufhebungsvertrag trotz eines vom Kläger erklärten Rücktritts von diesem Vertrag das Arbeitsverhältnis zum beendet hat.
2Der Beklagte zu 1. ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Köln am (- 74 IN 338/08 -) über das Vermögen der während des Insolvenzverfahrens in S GmbH umbenannten T GmbH (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein am beim Amtsgericht Köln eingegangener Eigenantrag der Schuldnerin zugrunde. Das Amtsgericht Köln hatte den Beklagten zu 1. bereits mit Beschluss vom in dem Insolvenzeröffnungsverfahren zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Beklagten zu 1. wirksam sind.
Die Schuldnerin stellte Reibbeläge, Bremsbänder, Kupplungsscheiben und ähnliche Erzeugnisse her und vertrieb sie. Der 1950 geborene Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 5. Februar/ seit dem beschäftigt. Am schlossen die Schuldnerin und der Kläger einen schriftlichen Aufhebungsvertrag. In diesem heißt es:
4Der Aufhebungsvertrag vom wurde im Rahmen eines Personalabbaus der Schuldnerin geschlossen. Ein am vereinbarter Sozialplan sah das freiwillige Ausscheiden von bis zu 50 Arbeitnehmern durch Abschluss von Aufhebungsverträgen zu den Bedingungen einer Betriebsvereinbarung vom vor. Außer dem Kläger schlossen noch neun andere Arbeitnehmer zu diesen Konditionen Aufhebungsverträge ab.
5In seinem Schreiben vom teilte der Kläger der Schuldnerin ua. mit, er müsse angesichts des kürzlich gestellten Insolvenzantrags davon ausgehen, dass die Schuldnerin die Abfindung nicht fristgerecht zahlen werde. Er wies die Schuldnerin auf erhebliche eigene Zahlungsverpflichtungen hin, forderte diese zur fristgerechten Zahlung des Abfindungsbetrags auf und kündigte für den Fall, dass die Abfindungssumme nicht fristgerecht abgerechnet und ausbezahlt werde, seinen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag an. Eine Kopie dieses Schreibens an die Schuldnerin übersandte der Kläger am dem Beklagten zu 1. Mit einem weiteren Schreiben vom verlangte der Kläger von der Schuldnerin nochmals ohne Erfolg die Zahlung der Abfindungssumme spätestens bis zum und wies erneut darauf hin, dass er ansonsten vom Aufhebungsvertrag vom zurücktreten werde. Nachdem der Beklagte zu 1. in einem Telefongespräch mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers seine Zustimmung zur Zahlung der Abfindung verweigert hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben an die Schuldnerin vom seinen Rücktritt von dem am geschlossenen Aufhebungsvertrag, forderte die Schuldnerin auf, ihm zu bestätigen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Aufhebungsvereinbarung vom nicht beendet worden ist, und verlangte von der Schuldnerin, ihn sofort weiterzubeschäftigen. Dem kam die Schuldnerin nicht nach.
6Mit seiner am beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage vom selben Tag hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Aufhebungsvereinbarung vom nicht zum beendet worden ist, sondern über diesen Tag hinaus ungekündigt fortbesteht. Mit einem Schreiben vom meldete der Kläger die im Aufhebungsvertrag vom vereinbarte Abfindung beim Beklagten zu 1. an. Der Abfindungsanspruch des Klägers wurde als Insolvenzforderung festgestellt. Am ging der Betrieb der Schuldnerin durch Rechtsgeschäft auf die Beklagte zu 2. über.
7Der Kläger hat gemeint, durch den von ihm im Schreiben an die Schuldnerin vom erklärten Rücktritt vom Aufhebungsvertrag vom seien die Wirkungen dieses gegenseitigen Vertrags beseitigt worden. Die in § 323 Abs. 1 BGB geregelten Rücktrittsvoraussetzungen seien erfüllt. Die Schuldnerin habe ihm den als Gegenleistung für seine Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugesagten Abfindungsbetrag weder fristgerecht mit der Gehaltszahlung für Dezember 2008 noch innerhalb der ihr im Schreiben vom bis zum gesetzten Frist gezahlt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
9Der Beklagte zu 1. hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, das Rücktrittsrecht der §§ 323 ff. BGB sei auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht anwendbar. Das insolvenzrechtliche Leistungsstörungsrecht sei gegenüber dem Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs eigenständig. Bei dem Abfindungsanspruch des Klägers aus dem Aufhebungsvertrag vom handele es sich um eine Insolvenzforderung. Wäre der Anspruch des Klägers auf Abfindung erfüllt worden, hätte die Zahlung der Abfindungssumme eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO dargestellt, so dass der Kläger den Abfindungsbetrag gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen. Ein Rücktrittsrecht des Klägers habe auch deshalb nicht bestanden, weil die Schuldnerin mit der Zahlung der Abfindung nicht in Verzug geraten sei. Aufgrund der Anordnung im dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien, sei die Schuldnerin rechtlich nicht in der Lage gewesen, die Abfindung zu zahlen. Hinzu komme, dass die vom Kläger der Schuldnerin zur Zahlung der Abfindung gesetzte Frist zu kurz gewesen sei. Im Übrigen hätten die Schuldnerin und der Kläger ein Rücktrittsrecht des Klägers konkludent abbedungen. Rechtsfolge eines Rücktritts sei auch nicht die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags vom . Bei einem wirksamen Rücktritt des Klägers vom Aufhebungsvertrag wäre die Beklagte zu 2. vielmehr verpflichtet, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag abzuschließen, der den Kläger so stelle, wie er bei einem Fortbestand des ursprünglichen Arbeitsvertrags gestanden hätte.
10Die Beklagte zu 2. hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin habe mit Ablauf des geendet, so dass sie am nicht in die Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis eingetreten sei. Der Aufhebungsvertrag vom sei kein gegenseitiger Vertrag. Ein Rücktritt des Klägers von diesem Vertrag gemäß § 323 Abs. 1 Satz 1 BGB sei deshalb nicht möglich. Im Übrigen werde diese Vorschrift durch die gebotene entsprechende Anwendung der §§ 103 ff. InsO verdrängt. Die im Insolvenzeröffnungsverfahren angeordneten Maßnahmen hätten sich auf den umfassenden Schutz der Insolvenzmasse vor Manipulationen und Veränderungen bezogen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. zurückgewiesen. Mit der vom Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. zugelassenen Revision verfolgen diese ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. zurückzuweisen.
Gründe
12Die Revision des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben ihr deshalb zu Unrecht stattgegeben.
13I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag zu 1. bedarf allerdings der Auslegung. Dieser Feststellungsantrag ist dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat einen punktuellen Streitgegenstand. Eine solche Antragstellung ist jedoch nur bei einer Kündigungsschutzklage im Anwendungsbereich des § 4 bzw. § 13 Abs. 1 KSchG zulässig. Der Antrag ist aber dahin auszulegen, dass nach § 256 ZPO die zulässige Feststellung begehrt wird, das Arbeitsverhältnis habe über den hinaus fortbestanden (vgl. zu einer solchen Auslegung - Rn. 15, BAGE 125, 70; - 4 AZR 379/99 - zu I der Gründe, BAGE 95, 124).
14II. Die gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Kläger ist durch den schriftlichen Aufhebungsvertrag vom mit Ablauf des beendet worden.
151. Der Kläger musste allerdings das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den hinaus nicht gemäß § 17 Satz 1 TzBfG innerhalb von drei Wochen nach dem am mit der Schuldnerin vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geltend machen. Am haben die Parteien trotz des späten Beendigungszeitpunktes keine nachträgliche Befristungsvereinbarung getroffen, sondern einen wirksamen Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist geschlossen.
16a) Die über einjährige Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist für die rechtliche Einordnung der Vereinbarung vom nicht allein maßgebend. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung des Vereinbarten. Die ausdrücklich als Aufhebungsvertrag bezeichnete Vereinbarung enthält die für einen solchen Vertrag typischen Regelungen. Sie sieht nicht nur die Zahlung einer Abfindung iHv. 110.500,00 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes vor, sondern auch die Möglichkeit der Freistellung des Klägers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Darüber hinaus regelt sie Rückgabepflichten des Klägers sowie seinen Anspruch auf ein wohlwollendes Zeugnis und enthält ferner eine Ausgleichsklausel. Aus diesen Umständen folgt, dass der Vertrag vom nicht die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezweckt hat, sondern auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet war (vgl. - Rn. 34, BAGE 125, 70). Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch, dass der Sozialplan vom das freiwillige Ausscheiden von bis zu 50 Arbeitnehmern durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen zu den Bedingungen der Betriebsvereinbarung vom vorsah.
17b) Der Umstand, dass der Kläger bereits am der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des zugestimmt hat und die Schuldnerin nach § 5 des Aufhebungsvertrags die Abfindung erst mit der Vergütung des Klägers für Dezember 2008 zu zahlen hatte, berührt die Rechtswirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung nicht. Die Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags, wonach der Abfindungsanspruch erst über ein Jahr nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vom entsteht und mit der Vergütung des Klägers für Dezember 2008 fällig ist, führte zwar dazu, dass der Kläger die Annahme des Aufhebungsangebots der Schuldnerin als Vorleistung zu erbringen hatte. Dies verstieß jedoch weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) noch benachteiligte die Vorleistungspflicht den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vereinbarung einer Vorleistung des Arbeitnehmers bei Abschluss eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrags durch die Festlegung von Entstehen und Fälligkeit der Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weicht nicht für den Arbeitnehmer nachteilig vom Leitbild eines Aufhebungsvertrags, durch den der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ab (vgl. Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450). Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand der Kläger wirtschaftlich so, wie er ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags gestanden hätte. Dieser wirtschaftlichen Situation hätte es nicht entsprochen, wenn die Schuldnerin durch die Zahlung der Abfindung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Vorleistung getreten wäre. Nach ganz überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum kann eine vertraglich vereinbarte Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig gestellt werden (vgl. Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. IV Rn. 341 und für den Prozessvergleich - zu B II 2 g der Gründe mwN, BAGE 111, 240). Hinzu kommt, dass nach der Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags kein Anspruch des Klägers auf die Abfindung entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem anderen als dem in § 1 des Aufhebungsvertrags genannten Grund vor dem oder am geendet hätte. Ein Aufhebungsvertrag steht regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird ( - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; - 2 AZR 292/96 - BAGE 85, 114). Löst später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
182. Dem Kläger ist einzuräumen, dass ein Arbeitnehmer entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. grundsätzlich von einer Aufhebungsvereinbarung gemäß § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung zurücktreten kann, wenn sein Arbeitgeber die im Aufhebungsvertrag für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagte Abfindung nicht zahlt (ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 620 BGB Rn. 15; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; HWK/Kliemt 4. Aufl. Anh. § 9 KSchG Rn. 30; MünchKommBGB/Hesse 5. Aufl. Vor § 620 BGB Rn. 33; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 33; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Lingemann/Groneberg NJW 2010, 3496, 3497; Bauer NZA 2002, 169, 170 f.; vgl. zum Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers nach § 326 BGB aF auch - BB 1996, 907 und Bauer/Haußmann BB 1996, 901; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440, der einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung als Vergleich im Sinne von § 779 BGB einordnet). Der außergerichtliche Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen die Zahlung einer Abfindung beendet wird, ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne von § 323 BGB. Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht grundsätzlich im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der zugesagten Abfindung. Diese ist bei einem außergerichtlichen, auf Initiative des Arbeitgebers zustande gekommenen Aufhebungsvertrag die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (st. Rspr. seit - zu II 4 der Gründe, EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23; vgl. auch - 9 AZR 227/96 - zu 3 der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 8 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 29; - 4 AZR 497/00 - zu I 2 b der Gründe, EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 51; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440). Die von der Beklagten zu 2. angeführte Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wie sie im Urteil vom (- 2 AZR 373/68 - AP ZPO § 794 Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Nr. 15) Niederschlag gefunden hatte, wonach die Gegenseitigkeit zweifelhaft sei, ist mit der Entscheidung des - 2 AZR 504/86 - aaO) ausdrücklich aufgegeben worden.
193. Allerdings ist § 323 BGB dispositiv, so dass die Regelungen dieser Vorschrift grundsätzlich durch Individualvereinbarungen in jeder Hinsicht abgeändert oder abbedungen werden können (MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 266; Bamberger/Roth/Grohe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 3). Soweit der Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. der Ansicht sind, die Schuldnerin und der Kläger hätten beim Abschluss des Aufhebungsvertrags am das Rücktrittsrecht des Klägers für den Fall der Nichtzahlung der von der Schuldnerin zugesagten Abfindung konkludent ausgeschlossen, ist ihnen zuzugeben, dass im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass die Vertragsparteien bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsvereinbarung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers in aller Regel konkludent abbedingen (Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34; für den Fall einer Beendigungs- und Abfindungsvereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich - BB 1996, 907; aA auch für den Fall eines Aufhebungsvertrags in der Form eines Prozessvergleichs Bauer/Haußmann BB 1996, 901 und Bauer NZA 2002, 169, 171). Ob dies ohne weiteres angenommen werden kann oder ob dafür besondere Anhaltspunkte im Aufhebungsvertrag vorliegen müssen (so Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37), bedarf hier keiner Entscheidung. Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass sein gesetzliches Rücktrittsrecht beim Abschluss des Aufhebungsvertrags mit der Schuldnerin am nicht konkludent abbedungen wurde.
204. Zugunsten des Klägers kann auch angenommen werden, dass seinem Rücktrittsrecht nicht entgegensteht, dass er mit einem Schreiben vom die im Aufhebungsvertrag vom vereinbarte Abfindung beim Beklagten zu 1. angemeldet hat und sein Abfindungsanspruch als Insolvenzforderung festgestellt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( - V ZR 124/05 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 2006, 1198) kann die Vorschrift des § 281 Abs. 4 BGB nicht „reziprok“ angewendet werden, wenn der Gläubiger weiter Erfüllung begehrt. Vielmehr ist aus § 281 Abs. 4 BGB der Umkehrschluss zu ziehen, dass nur der Anspruch auf Erfüllung durch die Entscheidung des Gläubigers für einen der sekundären Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB oder auf Rückabwicklung des Vertrags ausgeschlossen wird. Die Frage, ob ein einmal begründetes Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB auch dann nicht untergeht, wenn der Gläubiger nicht nur weiterhin Erfüllung verlangt, sondern sein Anspruch nach der Rücktrittserklärung als Insolvenzforderung festgestellt wird, was jedenfalls den ersten Akt der insolvenzspezifischen Erfüllung von Forderungen darstellt, muss hier nicht beantwortet werden. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die Anmeldung und Anerkennung seiner Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle einem Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehen.
215. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts aus § 323 Abs. 1 BGB lagen am nicht vor. Deshalb bedarf auch die Frage keiner Entscheidung, ob gemäß der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und eines Teils des Schrifttums (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Bauer NZA 2002, 169, 171; ders. Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. I Rn. 164; KR/Spilger 9. Aufl. AufhebungsV Rn. 26) bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB Rechtsfolge des Rücktritts von einem Aufhebungsvertrag der rückwirkende Wegfall dieses Vertrags ist oder ob ein bei Ausübung des Rücktrittsrechts bereits beendetes Arbeitsverhältnis im Wege der Rückabwicklung des Aufhebungsvertrags neu begründet werden muss (vgl. - Rn. 60, LAGE BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 9; ArbG Siegburg - 5 Ca 2017/09 - ZIP 2010, 1101, 1102; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562 f.; Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450). Auch wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen würde, dass der Rücktritt von einem Aufhebungsvertrag bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis über den im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt hinaus ohne weiteres fortbesteht, würde dies dem Kläger nicht weiterhelfen.
22a) § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB verlangt zwar anders als § 326 Abs. 1 BGB aF weder den Verzug des Schuldners mit der Leistung noch ein Vertretenmüssen. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es vielmehr aus, wenn eine fällige Leistung trotz Fristsetzung, soweit eine solche nach § 323 Abs. 2 BGB nicht entbehrlich ist, nicht erbracht worden ist. Jedoch ist nach allgemeiner Meinung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (zu diesem Begriff: Herresthal JURA 2008, 561) die Durchsetzbarkeit der Forderung Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB (Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber - warum auch immer - nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Die von § 323 BGB nach wie vor vorausgesetzte Verletzung der Leistungspflicht ist begriffsnotwendig ausgeschlossen, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder unter Umständen auch gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist (vgl. Herresthal JURA 2008, 561). In der Literatur wird eine fehlende Durchsetzbarkeit bei Vorliegen von Einreden und Einwendungen, insbesondere der Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB), der Verjährung oder des Vorliegens eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) angenommen (ausführlich mwN: Herresthal JURA 2008, 561, 564 ff.).
23b) Der Anspruch des Klägers auf die ihm von der Schuldnerin im Aufhebungsvertrag vom versprochene Abfindung war zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers am nicht durchsetzbar.
24aa) Die Schuldnerin war bereits aufgrund des gehindert, dem Kläger mit der Vergütung für Dezember 2008 die vereinbarte Abfindung zu zahlen. In diesem Beschluss hatte das Amtsgericht Köln ua. gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Ferner hat es gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin untersagt. Darüber, dass der Beklagte zu 1. als vorläufiger Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur Zahlung der Abfindung verweigert hat, besteht kein Streit. Der Kläger hat dies in der Revisionsverhandlung selbst noch einmal behauptet. Mangels einer Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters durfte die Schuldnerin dem Kläger die Abfindung deshalb nicht gemäß § 5 des Aufhebungsvertrags vom mit der Vergütung für Dezember 2008 zahlen.
25bb) Darüber hinaus stand der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs des Klägers die „dolo-petit-Einrede“ entgegen. Die Rechtsausübung des Klägers verstieß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und war missbräuchlich, weil ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde lag. Ein solches schutzwürdiges Interesse fehlte, weil der Kläger mit der Zahlung der Abfindung eine Leistung forderte, die er alsbald hätte zurückgewähren müssen (vgl. zur „dolo-petit-Einrede“ - Rn. 31, AP AEntG § 1 Nr. 25 = EzA AEntG § 1 Nr. 10). Ein Fall des „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est” lag vor. Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Letzteres war beim Kläger der Fall. Der Kläger hatte bereits in seinem an die Schuldnerin gerichteten Schreiben vom die Auffassung vertreten, er müsse angesichts des kürzlich gestellten Insolvenzantrags davon ausgehen, dass die Schuldnerin die Abfindung nicht fristgerecht zahlen werde, und damit seine Kenntnis vom Eröffnungsantrag dargetan. Hätte die Schuldnerin dem Kläger unter Verstoß gegen die Anordnung des die im Aufhebungsvertrag vom vereinbarte Abfindung gezahlt, wäre diese dem Kläger gewährte Befriedigung deshalb nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anfechtbar mit der Folge, dass der Kläger den Abfindungsbetrag nach § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen. Allerdings trifft es zu, dass nicht jeder Eröffnungsantrag tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt. Hätte die Schuldnerin dem Kläger entgegen der Anordnung des Insolvenzgerichts und trotz der vom vorläufigen Insolvenzverwalter verweigerten Zustimmung die Abfindung gezahlt und wäre das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden, hätte der Kläger die Abfindung nicht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewähren müssen. Jedoch fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände ausnahmsweise trotz des ihm bekannten Eröffnungsantrags nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechnen musste. Der Kläger hat das Vorliegen solcher besonderer Umstände auch nicht behauptet.
26III. Die Beklagte zu 2. ist aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des nicht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum aufgrund Betriebsübergangs in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin eingetreten. Die Klage ist deshalb auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2. richtet.
IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2011 S. 2931 Nr. 47
BB 2012 S. 1033 Nr. 16
BB 2012 S. 115 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2011 S. 4000
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2012 S. 208
ZIP 2011 S. 6 Nr. 46
ZIP 2012 S. 91 Nr. 2
TAAAD-99135