BFH Beschluss v. - IV B 119/10

Aufforderung zur Vorlage einer Steuererklärung nebst Gewinnermittlung nicht von § 79b Abs. 2 FGO gedeckt; Setzung einer wirksamen Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 FGO

Gesetze: AO § 90, FGO § 79b, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) einen Verfahrensfehler den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt hat. Der von dem Kläger gerügte Verfahrensfehler liegt jedenfalls nicht vor.

2 Setzt das Finanzgericht (FG) zu Unrecht eine Ausschlussfrist, kann das Urteil auf einem Verfahrensfehler, insbesondere der Verletzung rechtlichen Gehörs, beruhen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VI B 114/01, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306, unter II.1., m.w.N.; vom III B 111/02, BFH/NV 2003, 1434, und vom I B 25/03, juris), wenn das FG den Kläger unter Hinweis auf die Ausschlussfrist mit späterem Vorbringen ausgeschlossen hat. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor.

3 Im Streitfall hat das FG die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen, den Leitzordner mit den handschriftlichen Zusammenstellungen der Einnahmen und Ausgaben und den Belegen und Rechnungen, nach § 79b Abs. 3 FGO aus formellen Gründen zurückgewiesen, weil der Kläger die ihm mit Verfügung der Vorsitzenden vom gemäß § 79b Abs. 2 FGO gesetzte Ausschlussfrist, bis zum neben den Einkommensteuererklärungen die Gewinnermittlungen nebst Belegen (geordnet nach den einzelnen Jahren), die Darlehensverträge mit der Volksbank und die Mietverträge für das vermietete Mehrfamilienhaus vorzulegen, ungenutzt hat verstreichen lassen.

4 Ein Verfahrensfehler wäre nur dann zu bejahen, wenn die Fristsetzung selbst oder die Zurückweisung des Vortrags fehlerhaft gewesen wäre, das FG also gegen § 79b FGO verstoßen hätte. Dies ist im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.

5 a) Nach § 79b Abs. 2 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter einem Beteiligten unter Fristsetzung —nur— aufgeben, zu bestimmten Vorgängen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen sowie Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen oder elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist. Eine Aufforderung zur Vorlage von Steuererklärungen ist durch § 79b Abs. 2 FGO nicht gedeckt. Denn eine Steuererklärung ist mehr als bloßer Tatsachenvortrag zu „bestimmten Vorgängen”. Sie ist eine Verfahrenshandlung, die eine Wissenserklärung über die in der Steuererklärung aufgeführten Tatsachen und zugleich rechtliche Schlussfolgerungen des Steuerpflichtigen enthält (, BFH/NV 2000, 1481). Eine wirksame Fristsetzung i.S. des § 79b Abs. 2 FGO liegt in diesen Fällen nicht vor und ist deshalb auch nicht geeignet, die Präklusionsfolgen des § 79b Abs. 3 FGO zu begründen (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1481, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1434, und vom I B 25/03, juris).

6 Die Aufforderung der Vorsitzenden, die Steuererklärungen nebst den Gewinnermittlungen für die Streitjahre vorzulegen, war daher von § 79b Abs. 2 FGO nicht gedeckt. Das FG hätte deshalb, was im Streitfall mangels Vorlage der Steuererklärungen ohnehin nicht in Betracht kam, die verspätete Vorlage der Steuererklärungen nicht gemäß § 79b Abs. 3 FGO zurückweisen dürfen.

7 b) Ungeachtet der dargelegten Fehlerhaftigkeit ist die Aufforderung jedoch insoweit nicht zu beanstanden, als die Vorsitzende den Kläger unter ausreichender Fristsetzung gemäß § 79b Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgefordert hat, die Belege (geordnet nach den einzelnen Jahren), die Darlehensverträge mit der Volksbank und die Mietverträge für das vermietete Mehrfamilienhaus vorzulegen sowie Angaben dazu zu machen, ob der Kläger in den Streitjahren Fördergelder aus dem EU-Agrarfonds erhalten hat. Die Aufforderung bezeichnet in ausreichendem Umfang die Tatsachen und Beweismittel, zu deren Vorlage der Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gemäß §§ 90 ff. der Abgabenordnung verpflichtet war. Auf die Folgen einer Fristversäumnis war der Kläger in der Verfügung hingewiesen worden. Auch die Annahme des Gerichts, dass die Berücksichtigung der erst in der mündlichen Verhandlung verspätet eingereichten Zusammenstellungen und Beweismittel die Erledigung des Rechtsstreits unangemessen verzögern würde, ist nicht zu beanstanden. Eine Berücksichtigung der verspätet eingereichten Unterlagen hätte mit Sicherheit dazu geführt, dass der Rechtsstreit länger gedauert hätte als bei Zurückweisung der Unterlagen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt —absoluter Verzögerungsbegriff— das , BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664). Denn der Rechtsstreit hätte schon deshalb nicht in der mündlichen Verhandlung erledigt werden können, weil es dem Beklagten und Beschwerdegegner nicht zuzumuten war, im Termin zu den vorgelegten umfangreichen Unterlagen Stellung zu nehmen. Dass der Kläger in dem Finanzgerichtsverfahren nicht anwaltlich vertreten war, ist ohne Bedeutung. Die Setzung einer wirksamen Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 FGO ist nicht auf anwaltlich vertretene Kläger beschränkt. Ferner ist das FG zu Recht auch davon ausgegangen, dass der Kläger die Verspätung nicht genügend entschuldigt hat. Die Erklärung des Klägers, er habe nicht über die finanziellen Mittel für einen Steuerberater verfügt, vermag nicht zu überzeugen. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger für die Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie der entsprechenden Belege zwingend auf die Hilfe eines Steuerberaters angewiesen gewesen wäre. Schließlich hat der Kläger die zurückgewiesenen Unterlagen auch selber zusammengestellt und dem FG im Termin zur mündlichen Verhandlung überreicht.

8 Da schließlich der Sachverhalt mit geringem Aufwand auch nicht vom FG selbst bis zur Entscheidungsreife ermittelt werden konnte, waren alle Voraussetzungen des § 79b Abs. 3 FGO für eine Zurückweisung des verspäteten Vorbringens erfüllt. Etwaige Ermessensfehler des FG sind nicht ersichtlich.

Fundstelle(n):
AO-StB 2012 S. 82 Nr. 3
BFH/NV 2012 S. 260 Nr. 2
MAAAD-98375