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EuGH Urteil v. - Rs. C-157/10

Leitsatz

Leitsatz:

Art. 67 EWG-Vertrag und Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) stehen der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegen, die bei der Körperschaftsteuer und im Rahmen der Vorschriften zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung den Abzug der Steuer verbietet, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Erträge geschuldet wird, die dort erzielt wurden und dieser Besteuerung unterliegen, wenn diese Steuer - trotz des Entstehens der Steuerschuld - aufgrund einer Befreiung, einer Steuergutschrift oder irgendeiner sonstigen Steuervergünstigung nicht gezahlt wurde, sofern diese Regelung im Verhältnis zu der Behandlung, der die in dem genannten Mitgliedstaat erzielten Zinsen unterliegen, nicht diskriminierend ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Instanzenzug: Tribunal Supremo (Spanien) -

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 AEUV und 65 AEUV.

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, SA (im Folgenden: BBVA) und der Administración General del Estado wegen deren Weigerung, der BBVA zu gestatten, von der für das Steuerjahr 1991 für ihr weltweites Einkommen geschuldeten Körperschaftsteuer den in Belgien auf die dort erzielten Zinsen geschuldeten, jedoch aufgrund einer Befreiung nicht gezahlten Steuerbetrag abzuziehen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Art. 67 EWG-Vertrag (später Art. 67 EG, aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam), der in dem entscheidungserheblichen Zeitraum galt, sah vor:

"(1) Soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist, beseitigen die Mitgliedstaaten untereinander während der Übergangszeit schrittweise alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf Berechtigte, die in den Mitgliedstaaten ansässig sind, und heben alle Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der Parteien oder des Anlageorts auf.

..."

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom zur Durchführung von Artikel 67 [EWG-Vertrag] [Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] (ABl. L 178, S. 5) bestimmt:

"Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert."

Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 88/361 gibt u. a. dem Königreich Spanien die Möglichkeit, die in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten Kapitalverkehrsbeschränkungen unter den in dem genannten Anhang festgelegten Bedingungen und innerhalb der darin vorgesehenen Fristen vorübergehend beizubehalten.

Das innerstaatliche spanische Recht

Art. 57 Abs. 1 der Ley General Tributaria (Allgemeines Abgabengesetz) 230/1963 vom (BOE Nr. 313 vom , S. 18248) bestimmte:

"Sind von der Steuer Beträge abzuziehen, die für eine oder mehrere andere zuvor erhobene Steuern geschuldet oder gezahlt worden sind, werden diese, selbst wenn sie Gegenstand einer Befreiung oder einer Gutschrift waren, vollständig abgezogen."

Art. 24 Abs. 4 der Ley 61/1978 del Impuesto sobre Sociedades (Körperschaftsteuergesetz 61/1978) vom (BOE Nr. 312 vom , S. 29429) bestimmte:

"Gehören im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht auch im Ausland erzielte und besteuerte Einkünfte zu den Einkünften des Steuerpflichtigen, so ist von den beiden nachstehenden Beträgen der kleinere abzuziehen:

a) der Betrag, der im Ausland aufgrund der gleichen oder einer entsprechenden Besteuerung tatsächlich gezahlt wurde;

b) der Steuerbetrag, der in Spanien für diese Erträge zu zahlen gewesen wäre, wenn sie im spanischen Hoheitsgebiet erzielt worden wären."

Das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Das am in Brüssel unterzeichnete und am vom Königreich Spanien ratifizierte Abkommen zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Belgien zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und zur Regelung bestimmter Fragen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BOE Nr. 258 vom , S. 19176) in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen) bestimmte in Art. 11:

"(1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können in diesem anderen Staat besteuert werden.

(2) Diese Zinsen können jedoch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber 15 vom Hundert des Zinsbetrags nicht übersteigen.

..."

Art. 23 dieses Abkommens sah vor:

"(1) Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte, die nicht unter die nachstehenden Abs. 3 und 4 fallen und nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden können, so nimmt der erstgenannte Staat diese Einkünfte ... von der Besteuerung aus.

...

(3) Wenn ... eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte bezieht, die im anderen Vertragsstaat gemäß Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2 und 7 oder Art. 12 Abs. 2 und 6 dieses Abkommens besteuert werden können, gewährt der erstgenannte Staat auf die Steuer, die auf diese Einkünfte dieses Gebietsansässigen zu erheben ist, einen Abzug, der nach der Höhe dieser in die Besteuerungsgrundlage dieses Gebietsansässigen eingegangenen Einkünfte berechnet wird und dessen Satz ... nicht niedriger sein darf als der Steuersatz, der in dem anderen Vertragsstaat auf die genannten Einkünfte erhoben wird. ..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

BBVA ist das führende Unternehmen des Konzerns 2/82. In der spanischen Rechtsordnung ist ein Konzern eine aus steuerlichen Gründen gebildete Einheit von mehreren Gesellschaften, von denen eine die übrigen beherrscht.

Mit Entscheidung vom erhöhte die Oficina Nacional de Inspección (nationale Steuerbehörde) nach einer Reihe von Überprüfungen und Inspektionen, die sie hinsichtlich der Körperschaftsteuer für das Steuerjahr 1991 durchgeführt hatte, in der Annahme, dass gemäß Art. 24 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes Nr. 61/1978 lediglich "tatsächlich" gezahlte Steuern abgezogen werden könnten, die von BBVA angegebene Besteuerungsgrundlage um 6 750 405 ESP (40 570,75 Euro). Diesen Betrag hatte BBVA als in Belgien für dort erzielte Zinseinkünfte geschuldete Steuer von der Körperschaftsteuer abgezogen, obwohl sie die erstgenannte Steuer aufgrund einer Befreiung nicht gezahlt hatte.

Die Entscheidung der Oficina Nacional de Inspección wurde am vom Tribunal Económico-Administrativo Central (Verwaltungskontrollorgan) bestätigt. Da die Sala de lo Contencioso-Administrativo de la Audiencia Nacional das von BBVA gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsmittel mit Urteil vom zurückgewiesen hat, hat BBVA beim Tribunal Supremo Kassationsbeschwerde eingelegt.

BBVA macht damit geltend, dass sie berechtigt sei, von der in Spanien für ihr weltweites Einkommen erhobenen Körperschaftsteuer den in Belgien auf die dort erzielten Zinsen geschuldeten, jedoch aufgrund einer Befreiung nicht gezahlten Steuerbetrag abzuziehen.

Das Tribunal Supremo weist darauf hin, dass das innerstaatliche spanische Recht, wie es von ihm in seiner jüngsten Rechtsprechung ausgelegt worden sei, BBVA verbiete, von der in Spanien geschuldeten Körperschaftsteuer den in Belgien geschuldeten Steuerbetrag abzuziehen, wenn dieser aufgrund einer Befreiung nicht gezahlt worden sei. Dasselbe Ergebnis ergebe sich auch aus Art. 23 Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens.

Das vorlegende Gericht wirft die Frage nach der Vereinbarkeit einer derartigen Regelung mit dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs auf, weil Gesellschaften mit Sitz in Spanien, die in Belgien Investitionen tätigten und dadurch Gewinne erzielten, den von den belgischen Steuerbehörden gewährten Steuervorteil verlören, denn sie zahlten letztlich im Mitgliedstaat ihres Sitzes Steuern auf die Gewinne, die im Land der Investition auch der Steuer unterlägen, von der sie dort aber befreit seien.

Das Tribunal Supremo hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Art. 63 [AEUV] und 65 [AEUV] dahin auszulegen, dass sie einer (einseitig oder gemäß einem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen erlassenen) nationalen Regelung entgegenstehen, die bei der Körperschaftsteuer und im Rahmen der Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung den Abzug der Steuer verbietet, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Erträge geschuldet wird, die dort erzielt wurden und dieser Besteuerung unterliegen, wenn diese Steuer - trotz des Entstehens der Steuerschuld - aufgrund einer Befreiung, einer Steuergutschrift oder irgendeiner sonstigen Steuervergünstigung nicht gezahlt wurde?

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit

Die portugiesische Regierung ist der Auffassung, dass das Vorabentscheidungsersuchen als unzulässig zurückzuweisen sei, da die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung der Art. 63 AEUV und 65 AEUV nach dem Rechtsgrundsatz der zeitlichen Anwendbarkeit für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits, der sich auf das Steuerjahr 1991 beziehe, unerheblich sei. Die Art. 73b und 73d EG-Vertrag (später Art. 56 EG und 58 EG), denen die Art. 63 AEUV und 65 AEUV entsprächen, seien nämlich erst durch den am in Maastricht unterzeichneten Vertrag über die Europäische Union in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingefügt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Verfahrens der Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegte Frage gegebenenfalls umzuformulieren (vgl. u. a. Urteile vom , Haug, C-286/05, Slg. 2006, I-4121, Randnr. 17, und vom , Jager, C-420/06, Slg. 2008, I-1315, Randnr. 46).

Ebenso kann der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung, um dem Gericht, das um Vorabentscheidung ersucht, sachdienlich zu antworten, auf unionsrechtliche Vorschriften eingehen, die in den Vorlagefragen nicht angeführt sind (vgl. u. a. Urteile vom , Wolff & Müller, C-60/03, Slg. 2004, I-9553, Randnr. 24, vom , Weide, C-153/03, Slg. 2005, I-6017, Randnr. 25, und vom , van Hilten-van der Heijden, C-513/03, Slg. 2006, I-1957, Randnr. 26).

Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (vgl. Urteile vom , Strawson und Gagg & Sons, C-304/00, Slg. 2002, I-10737, Randnr. 58, sowie Jager, Randnr. 47).

Da der Gerichtshof befugt ist, auf die Vorlagefrage unter Berücksichtigung der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Rechtsvorschriften zu antworten, ist die von der portugiesischen Regierung erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

Vorbemerkungen

Der Ausgangsrechtsstreit bezieht sich auf das Steuerjahr 1991, d. h. auf eine tatsächliche und rechtliche Situation vor Inkrafttreten des AEU-Vertrags. Die zur Zeit des Ausgangssachverhalts geltenden Rechtsvorschriften über den freien Kapitalverkehr waren Art. 67 EWG-Vertrag und die zur Durchführung dieser Vorschrift erlassene Richtlinie 88/361.

Daher ist die Vorlagefrage des Tribunal Supremo im Licht dieser Vorschriften zu beantworten.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Kapitalverkehr durch die Richtlinie 88/361 vollständig liberalisiert wurde und dass ihr Art. 1 Abs. 1, dessen unmittelbare Wirkung der Gerichtshof anerkannt hat, zu diesem Zweck die Mitgliedstaaten verpflichtete, alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zu beseitigen (vgl. Urteil vom , Barbier, C-364/01, Slg. 2003, I-15013, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Das Königreich Spanien war jedoch nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 88/361 berechtigt, bestimmte Kapitalverkehrsbeschränkungen, die in den Listen III und IV des Anhangs IV der Richtlinie aufgeführt sind, bis zum beizubehalten.

Deshalb ist als Erstes zu prüfen, ob eine Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361 darstellt.

Nur wenn die fragliche Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bewirkt, muss das vorlegende Gericht in einem zweiten Schritt prüfen, ob der Kapitalverkehr, der im Ausgangsverfahren zur Zahlung der in Rede stehenden Zinsen geführt hat, unter die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 88/361 vorgesehene Ausnahmeregelung fällt, wobei allein das vorlegende Gericht dafür zuständig ist, den Sachverhalt festzustellen und Art und Quelle der von BBVA in Belgien erzielten Zinsen zu ermitteln.

Zum Bestehen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

Die direkten Steuern fallen zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (vgl. Urteile vom , Schumacker, C-279/93, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21, vom , Wielockx, C-80/94, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16, vom , Verkooijen, C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 32, und Barbier, Randnr. 56).

Es ist Sache jedes Mitgliedstaats, unter Beachtung des Unionsrechts sein System der Besteuerung von Kapitalerträgen auszugestalten und in diesem Rahmen die Besteuerungsgrundlage und den Steuersatz zu bestimmen, die für den Empfänger dieser Einkünfte gelten (vgl. entsprechend Urteile vom , Damseaux, C-128/08, Slg. 2009, I-6823, Randnr. 25, und vom , Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, C-436/08 und C-437/08, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Daraus folgt, dass Zinsen, die ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Schuldner einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfänger zahlt, Gegenstand einer rechtlichen Doppelbesteuerung sein können, wenn sich beide Mitgliedstaaten dafür entscheiden, ihre Besteuerungsbefugnis auszuüben und die genannten Zinsen zu besteuern, indem der erste Mitgliedstaat auf sie eine Quellensteuer erhebt und der zweite sie in die steuerpflichtigen Einkünfte des Empfängers einbezieht.

In Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen bleiben die Mitgliedstaaten befugt, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen (Urteile vom , Gilly, C-336/96, Slg. 1998, I-2793, Randnrn. 24 und 30, vom , Saint-Gobain ZN, C-307/97, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 57, vom , Amurta, C-379/05, Slg. 2007, I-9569, Randnr. 17, und vom , Orange European Smallcap Fund, C-194/06, Slg. 2008, I-3747, Randnr. 32). Es ist ihre Sache, die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um Doppelbesteuerungssituationen zu vermeiden, indem sie u. a. die in der internationalen Besteuerungspraxis befolgten Kriterien anwenden (vgl. Urteil vom , Kerckhaert und Morres, C-513/04, Slg. 2006, I-10967, Randnr. 23).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass derartige Maßnahmen zur Verhinderung der Doppelbesteuerung von Zinsen zum einen durch das Doppelbesteuerungsabkommen und zum anderen durch spanische Rechtsvorschriften in die spanische Rechtsordnung eingeführt worden sind.

So sah Art. 23 Abs. 3 des genannten Abkommens vor, dass das Königreich Spanien auf die Steuer, die von einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Person auf die aus Belgien stammenden Zinsen zu erheben ist, einen Abzug gewährt, der nach der Höhe dieser in die Besteuerungsgrundlage dieses Gebietsansässigen eingegangenen Zinsen berechnet wird und dessen Satz nicht niedriger sein darf als der Steuersatz, der in Belgien auf diese Einkünfte erhoben wird.

Art. 24 Abs. 4 des spanischen Körperschaftsteuergesetzes Nr. 61/1978 sah für die im Ausland erzielten und besteuerten Einkünfte vor, dass der kleinere von den beiden nachstehenden Beträgen abzuziehen ist, d. h. entweder der Betrag, der im Ausland aufgrund der gleichen oder einer entsprechenden Besteuerung tatsächlich gezahlt wurde, oder der Steuerbetrag, der in Spanien für diese Erträge zu zahlen gewesen wäre, wenn sie im spanischen Hoheitsgebiet erzielt worden wären.

Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits verlangt BBVA jedoch, dass die in Belgien für die dort erzielten Zinsen geschuldeten, aber aufgrund einer Befreiung nicht gezahlten Steuern von der in Spanien geschuldeten Körperschaftsteuer abgezogen werden.

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass eine Auslegung des Doppelbesteuerungsabkommens und der innerstaatlichen spanischen Rechtsvorschriften, wonach lediglich eine in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich gezahlte Steuer von der in Spanien geschuldeten Steuer abgezogen werden könne, in Spanien ansässige Gesellschaften davon abhalten könnte, ihr Kapital in einem anderen Mitgliedstaat zu investieren.

Der Nachteil, den die BBVA im vorliegenden Fall erlitten zu haben meint, besteht infolgedessen nicht in einer Doppelbesteuerung der von ihr erzielten Zinsen, denn diese wurden lediglich in Spanien besteuert, sondern in der Nichtzulassung der Möglichkeit, bei der Berechnung der in Spanien geschuldeten Steuer den von der belgischen Regelung in Form einer Befreiung gewährten Steuervorteil nicht in Anspruch zu nehmen.

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Nachteile, die sich aus der parallelen Ausübung der Besteuerungsbefugnisse der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben können, keine Beschränkungen der Verkehrsfreiheiten darstellen, sofern eine solche Ausübung nicht diskriminierend ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Kerckhaert und Morres, Randnrn. 19, 20 und 24, Orange European Smallcap Fund, Randnrn. 41, 42 und 47, und Damseaux, Randnr. 27).

Wenn also die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um namentlich Doppelbesteuerungen zu beseitigen (vgl. Urteil vom , Block, C-67/08, Slg. 2009, I-883, Randnr. 31), sind sie erst recht nicht verpflichtet, ihre Steuerregelung anzupassen, um es einem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, einen von einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen der Ausübung seiner Besteuerungsbefugnisse gewährten Steuervorteil in Anspruch zu nehmen, sofern ihre Regelung nicht diskriminierend ist.

Es ist daher zu prüfen, ob nach einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen in einem anderen Mitgliedstaat erzielte Zinsen im Vergleich zu in Spanien erzielten Zinsen diskriminierend behandelt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Diskriminierung nicht nur darin bestehen, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden, sondern auch darin, dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. Urteile Schumacker, Randnr. 30, vom , Royal Bank of Scotland, C-311/97, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 26, sowie Kerckhaert und Morres, Randnr. 19).

Hinsichtlich des Steuerrechts des Sitzstaats wird die Stellung eines Steuerpflichtigen, der Zinsen erzielt, jedoch nicht notwendigerweise allein dadurch eine unterschiedliche, dass er diese Zinsen von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Schuldner erhält und dieser Mitgliedstaat diese Zinsen in Ausübung seiner Besteuerungsbefugnis im Rahmen der Einkommensteuer mit einer Quellensteuer belegen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Kerckhaert und Morres, Randnr. 19, und vom , Columbus Container Services, C-298/05, Slg. 2007, I-10451, Randnr. 42).

Eine diskriminierende Behandlung von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Zinsen im Vergleich zu in Spanien erzielten Zinsen ist im vorliegenden Fall zwar nicht geltend gemacht worden.

Aus dem rechtlichen Rahmen, wie ihn das vorlegende Gericht dargelegt hat, ergibt sich jedoch, dass nach Art. 57 Abs. 1 der Ley General Tributaria 230/1963, wenn von der Steuer Beträge abzuziehen sind, die für eine oder mehrere andere zuvor erhobene Steuern geschuldet oder gezahlt worden sind, diese, selbst wenn sie Gegenstand einer Befreiung oder einer Gutschrift waren, vollständig abgezogen werden.

Es ist demzufolge Sache des vorlegenden Gerichts, das für die Auslegung des nationalen Rechts allein zuständig ist, zu prüfen, ob die genannte Vorschrift der Ley General Tributaria 230/1963 angesichts der Modalitäten der Besteuerung der in Spanien erzielten Zinsen auf diese Zinsen Anwendung finden kann und ob in einem solchen Fall die Behandlung der in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Zinsen im Verhältnis zu der Behandlung, der die in Spanien erzielten Zinsen unterliegen, im Hinblick auf die Möglichkeit, eine geschuldete, jedoch nicht gezahlte Steuer abzuziehen, diskriminierend ist.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 67 EWG-Vertrag und Art. 1 der Richtlinie 88/361 der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegenstehen, die bei der Körperschaftsteuer und im Rahmen der Vorschriften zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung den Abzug der Steuer verbietet, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Erträge geschuldet wird, die dort erzielt wurden und dieser Besteuerung unterliegen, wenn diese Steuer - trotz des Entstehens der Steuerschuld - aufgrund einer Befreiung, einer Steuergutschrift oder irgendeiner sonstigen Steuervergünstigung nicht gezahlt wurde, sofern diese Regelung im Verhältnis zu der Behandlung, der die in dem genannten Mitgliedstaat erzielten Zinsen unterliegen, nicht diskriminierend ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 67 EWG-Vertrag und Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) stehen der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegen, die bei der Körperschaftsteuer und im Rahmen der Vorschriften zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung den Abzug der Steuer verbietet, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Erträge geschuldet wird, die dort erzielt wurden und dieser Besteuerung unterliegen, wenn diese Steuer - trotz des Entstehens der Steuerschuld - aufgrund einer Befreiung, einer Steuergutschrift oder irgendeiner sonstigen Steuervergünstigung nicht gezahlt wurde, sofern diese Regelung im Verhältnis zu der Behandlung, der die in dem genannten Mitgliedstaat erzielten Zinsen unterliegen, nicht diskriminierend ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 365 Nr. 2
DStRE 2012 S. 1398 Nr. 22
HFR 2012 S. 229 Nr. 2
IStR 2012 S. 152 Nr. 4
DAAAD-98326