Betreuungsverfahren: Inhaltliche Anforderungen an das einzuholende Sachverständigengutachten; verfahrensfehlerhafte Anhörung des Betroffenen in Abwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten
Leitsatz
1. Das gemäß § 280 FamFG im Betreuungsverfahren einzuholende Sachverständigengutachten muss so gefasst sein, dass das Gericht es auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin überprüfen kann (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom , XII ZB 256/10, FamRZ 2011, 637 Rn. 12 mwN) .
2. Wurde der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen zum Anhörungstermin weder geladen noch hiervon benachrichtigt, leidet die Anhörung an einem Verfahrensfehler, der eine erneute Anhörung - ggf. durch das Beschwerdegericht - erforderlich macht .
Gesetze: § 26 FamFG, § 30 FamFG, § 33 Abs 2 S 1 FamFG, § 68 Abs 3 S 2 FamFG, § 68 Abs 4 FamFG, § 278 Abs 1 S 1 FamFG, § 280 FamFG, § 361 ZPO, § 375 ZPO
Instanzenzug: LG München II Az: 6 T 862/11 Beschlussvorgehend AG Dachau Az: XVII 182/99
Gründe
A.
1Der Betroffene erstrebt die Aufhebung seiner Betreuung.
2Er steht seit 1999 unter Betreuung. Mit rechtskräftigem Urteil vom wurde er u.a. wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Weil der Betroffene die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hatte, ordnete das Gericht gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wo er sich nach wie vor befindet. Der in dem Strafverfahren beigezogene Sachverständige diagnostizierte bei dem Betroffenen das so genannte Asperger-Syndrom. Die 1994, 2000 und 2006 in den - in Sachen Betreuung bzw. Unterbringung eingeholten - Vorgutachten diagnostizierten Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis ließen sich nach Auffassung des Gutachters nicht bestätigen.
3Nachdem der Betroffene im August 2010 die Aufhebung seiner Betreuung beantragt hatte, hat das Amtsgericht zur Frage einer etwaigen weiteren Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen ein schriftliches Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. eingeholt. Ferner hat das Amtsgericht den Betroffenen im Wege der Rechtshilfe anhören lassen, wobei dessen Verfahrensbevollmächtigter weder zum Termin geladen noch von diesem benachrichtigt worden ist.
4Das Amtsgericht hat schließlich den Betreuer ausgewechselt und als neuen Zeitpunkt für die Überprüfung der Betreuung den bestimmt. Ferner hat es die bisherigen Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit", "Bestimmung des Aufenthalts, einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnlichen Maßnahme", "Vermögenssorge", "Wohnungsangelegenheiten", "Vertretung gegenüber Behörden, Banken, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern" sowie "Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, mit Ausnahme offensichtlich privater Sendung" beibehalten.
5Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht vom Sachverständigen eine ergänzende Stellungnahme eingeholt und den Betroffenen durch ein Mitglied der Kammer als beauftragten Richter angehört. Danach hat es die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Betreuung für die Aufgabenkreise "Aufenthaltsbestimmung, einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnliche Maßnahmen" sowie "Wohnungsangelegenheiten" aufgehoben wird.
6Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen die Beibehaltung seiner Betreuung.
B.
7Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
8Die Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Amtsgericht mit der - vom Landgericht teilweise bestätigten - Verlängerung der Betreuung zugleich den Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung der Sache nach zurückgewiesen hat. Gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde auch in Betreuungssachen zur Aufhebung einer Betreuung ohne Zulassung statthaft.
II.
9Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die von ihr geltend gemachten Verfahrensrügen, wonach das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten sowie die vom Beschwerdegericht durchgeführte Anhörung unzureichend seien, greifen durch.
101. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Betroffene nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L. unter einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung im Sinne eines Asperger-Syndroms leide. Wie für dieses Syndrom typisch, bestünden bei dem Betroffenen schwere qualitative Beeinträchtigungen der sozialen Interaktion und Kommunikation; er weise ein ständig sich wiederholendes stereotypes Verhalten auf und habe keine praktische und emotionale Intelligenz entwickelt. Er sei zu einer eigenständigen Lebensführung nicht in der Lage und könne seine Grundintelligenz nicht in Handlungsabläufe im täglichen Bereich umsetzen. Der Betroffene sei bedingt durch die vorgenannte seelische Behinderung zu einer freien Willensbestimmung und einsichtsgemäßem Handeln nicht in der Lage.
11An der Richtigkeit der sachverständigen Feststellung bestehe für das Beschwerdegericht kein Zweifel. Der Betroffene selbst stelle nicht in Frage, unter dem Asperger-Syndrom zu leiden. Zwar unterscheide der Gutachter in seinem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen nicht im Einzelnen, auf welche konkreten Untersuchungsergebnisse er welche der oben genannten Feststellungen zum psychischen Zustand des Betroffenen stütze, sondern verweise hierfür pauschal auf das aktenkundige Verhalten des Probanden in der Vergangenheit. Dieser Verweis genüge jedenfalls in der Zusammenschau mit dem im Gedächtnisprotokoll vom festgehaltenen Ergebnis der Anhörung des Betroffenen, um das Beschwerdegericht davon zu überzeugen, dass die sachverständigen Schlussfolgerungen zutreffend seien.
12Aufgrund des Umstandes, dass sich der Betroffene derzeit im Rahmen des Maßregelvollzuges in einem psychiatrischen Krankenhaus befinde, bestehe jedoch bis auf Weiteres kein konkreter Betreuungsbedarf für die Aufgabenkreise "Bestimmung des Aufenthalts, einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnlichen Maßnahmen" sowie "Wohnungsangelegenheiten".
132. Die vorstehenden Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
14a) Bereits das im Betreuungsverfahren zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten leidet - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt - an erheblichen Mängeln.
15aa) Zwar ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens weder im Aufhebungsverfahren nach § 294 FamFG (Senatsbeschluss vom - XII ZB 467/10 - FamRZ 2011, 556 Rn. 9) noch im Verfahren zur Verlängerung der Betreuung gemäß § 295 Abs. 1 Satz 2 FamFG obligatorisch.
16Wenn aber ein Sachverständigengutachten eingeholt wird und das Gericht seine Entscheidung darauf stützt, so muss dieses den formalen Anforderungen des § 280 FamFG genügen. Das Gutachten muss daher Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchung und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Diese Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens sollen gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen kann. Nur dann ist das Gericht in der Lage, sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerung zu bilden (Senatsbeschluss vom XII ZB 256/10 - FamRZ 2011, 637 Rn. 12 mwN).
17bb) Diesen Anforderungen wird das von den Instanzgerichten eingeholte Gutachten nicht gerecht, was das Beschwerdegericht im Übrigen - jedenfalls im Ansatz - ebenso gesehen hat.
18Anlass zu Bedenken ergeben sich bereits daraus, dass der Sachverständige die im Strafverfahren getroffene Diagnose übernommen hat, ohne sich damit auseinanderzusetzen, dass die bis dahin im Betreuungs- bzw. Unterbringungsverfahren eingeholten Gutachten hiervon deutlich abwichen. So ist der Sachverständige in seinem Gutachten vom selbst noch davon ausgegangen, dass der Betroffene an einer chronischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie mit zunehmendem Residuum leide. Eine Begründung, warum die früheren Diagnosen unzutreffend gewesen seien, lässt das Gutachten vermissen. Dementsprechend fehlt es auch an einer wissenschaftlichen Begründung der nun getroffenen Diagnose.
19Hinzu kommt, dass der Sachverständige auch in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht im Einzelnen unterschieden hat, auf welche konkreten Untersuchungsergebnisse er welche seiner Feststellungen zum psychischen Zustand des Betroffenen stützt. Zutreffend legt das Beschwerdegericht in dem angefochtenen Beschluss dar, dass er hierfür lediglich pauschal auf das aktenkundige Verhalten des Betroffenen in der Vergangenheit verwiesen habe. Damit war dem Beschwerdegericht indes die Möglichkeit genommen, das Gutachten auf seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen.
20Schon deshalb kann der angefochtene Beschluss nicht bestehen bleiben.
21b) Soweit das Beschwerdegericht ausgeführt hat, der Verweis des Gutachters genüge jedenfalls in der Zusammenschau mit dem im Gedächtnisprotokoll festgehaltenen Ergebnis der Anhörung des Betroffenen, um es davon zu überzeugen, dass die sachverständigen Schlussfolgerungen zutreffend seien, begegnet auch dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass es dem Gericht insoweit an der hierfür erforderlichen eigenen medizinisch-fachlichen Kompetenz fehle.
22c) Unbeschadet dessen bestehen Bedenken dagegen, dass lediglich die beauftragte Richterin den Betroffenen angehört hat. Wenn das Beschwerdegericht der Anhörung des Betroffenen im Hinblick auf die noch durchzuführenden Ermittlungen ein besonderes Gewicht beimisst, wie das hier offensichtlich der Fall gewesen ist, dann muss es diese auch, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, in der vollen Kammerbesetzung vornehmen.
23aa) Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht zwar von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 171/10 - FamRZ 2010, 1650 Rn. 7 und vom XII ZB 346/10 - FamRZ 2011, 805 Rn. 12 f.).
24Im Beschwerdeverfahren kann allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das erstinstanzliche Gericht bei der Anhörung des Betroffenen zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (Senatsbeschluss vom - XII ZB 346/10 - FamRZ 2011, 805 Rn. 14).
25Vorliegend hat das Amtsgericht den Betroffenen im Wege der Rechtshilfe anhören lassen. Dabei ist dessen Verfahrensbevollmächtigter weder zu dem Anhörungstermin geladen, noch hiervon benachrichtigt worden. In entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist der Bevollmächtigte des Betroffenen jedoch zumindest von dem Termin zu benachrichtigen, weil dem Betroffenen dessen Hinzuziehung wegen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht verwehrt werden darf (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 34 Rn. 33). Von daher war die erstinstanzliche Anhörung - unbeschadet der Frage, ob die Voraussetzung für eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe gemäß § 278 Abs. 3 FamFG vorgelegen haben - verfahrensfehlerhaft erfolgt, so dass das Beschwerdegericht eine Anhörung durchzuführen hatte.
26bb) Konkrete Vorgaben, in welcher Form das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen hat, enthält das FamFG nicht.
27(1) Während § 69 g Abs. 5 Satz 2 iVm § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG regelte, unter welchen Voraussetzungen eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch einen beauftragten Richter vorgenommen werden durfte, ist diese Frage im FamFG nicht geregelt (Fröschle/Guckes Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren 2. Aufl. § 68 Rn. 16). Zwar verweist § 30 FamFG für den Fall einer förmlichen Beweisaufnahme auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung. Danach kann gemäß § 361 ZPO die Beweisaufnahme auch durch ein Mitglied des Prozessgerichts erfolgen. Dies gilt etwa für die Zeugen- wie auch die Parteivernehmung gemäß §§ 375 und 451 ZPO, wobei - wie schon im Falle des § 69 g Abs. 5 Satz 2 FGG - Voraussetzung ist, dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag (vgl. § 375 Abs. 1 a ZPO). Zu Recht weist allerdings die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Anhörung des Betroffenen, die sowohl der Einräumung rechtlichen Gehörs als auch der Sachverhaltsermittlung dient (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 278 Rn. 1 f.), keine Form der Beweisaufnahme im Sinne der zivilprozessualen Vorschriften darstellt (s. aber Fröschle/Guckes aaO § 68 Rn. 16).
28(2) Gleichwohl kann die Beschwerdekammer im Betreuungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen eines ihrer Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits - gleichsam als Minus - aus § 68 Abs. 4 FamFG folgt, wonach das Beschwerdegericht die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen kann (so etwa Prütting/Helms/Fröschle FamFG 2. Aufl. § 278 Rn. 29).
29Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Formulierung Anhörung durch "das Gericht" lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass es sich um den voll besetzten, erkennenden Spruchkörper handeln muss (so zu §§ 50 a, 50 b FGG Senatsbeschluss vom - IV b ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169, 172). Wie die Anhörung durch das Gericht innerhalb eines aus mehreren Richtern zusammengesetzten Spruchkörpers wahrzunehmen ist, bestimmt sich vielmehr nach den Vorschriften über die Sachaufklärung gemäß § 26 FamFG ( - NVwZ 2010, 1318 Rn. 13). Von daher kommt auch eine Anhörung durch den beauftragten Richter in Betracht ( - NVwZ 2010, 1318 Rn. 13; jeweils zu §§ 50 a, 50 b FGG Senatsbeschlüsse vom - IV b ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169, 172 und vom - XII ZB 81/09 - FamRZ 2010, 1060 Rn. 40).
30(3) Die Beauftragung eines Kammermitglieds mit der Anhörung des Betroffenen scheidet allerdings dann aus, wenn es wegen der Besonderheiten des Falles für die Entscheidung darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft (vgl. auch zur Anhörung in einem Sorgerechtsverfahren Senatsbeschlüsse vom IV b ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169, 172 und vom XII ZB 81/09 - FamRZ 2010, 1060 Rn. 40; ähnlich für den Fall einer Anhörung nach § 420 FamFG unter Hinweis auf § 375 Abs. 1 a ZPO - NVwZ 2010, 1318 Rn. 13 ff.).
31Zwar kommt es bei der Anhörung im Betreuungsverfahren regelmäßig auf den unmittelbaren persönlichen Eindruck von dem Betroffenen an. Das bedeutet indes nicht, dass sich zwangsläufig alle Mitglieder der Beschwerdekammer diesen verschaffen müssen. Dies folgt bereits aus § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wonach das Beschwerdegericht von einer Anhörung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Letztlich obliegt es der Beschwerdekammer, im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung nach § 26 FamFG zu entscheiden, ob es für ihre Entscheidung wegen der Besonderheiten des Falles darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft (vgl. auch - NVwZ 2010, 1318 Rn. 13). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem objektiven Ertrag und als dessen persönlicher Eindruck verwertet werden darf (Senatsbeschlüsse vom - IV b ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169, 172 und vom - XII ZB 81/09 - FamRZ 2010, 1060 Rn. 40).
32cc) Gemessen an diesen Anforderungen ist die durch die beauftragte Richterin erfolgte Anhörung im vorliegenden Beschwerdeverfahren rechtlich bedenklich, weil das Beschwerdegericht der Anhörung des Betroffenen ein besonderes Gewicht beigemessen hat. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, weil bereits die unzureichenden Feststellungen des Sachverständigen mangels eigener Sachkunde nicht geheilt werden konnten.
33d) Dass sich der Betroffene in seinem Beschwerdevorbingen nicht gegen die Diagnose "Asperger-Syndrom" selbst gewandt hat, ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts unerheblich. Denn anders als im Zivilprozess, in dem der Verhandlungsgrundsatz vorherrscht, gilt im Betreuungsverfahren der Grundsatz der Amtsermittlung.
III.
34Aus dem vorstehend Gesagten ergibt sich, dass die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist. Von daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG.
Hahne Weber-Monecke Dose
Schilling Günter
Fundstelle(n):
CAAAD-97927