BGH Urteil v. - VIII ZR 8/11

Wohnraummiete: Beginn der Verjährung von Ersatzansprüchen des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache

Leitsatz

Zum Beginn der Verjährung nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB .

Gesetze: § 548 Abs 1 S 2 BGB

Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 9 S 351/09 Urteilvorgehend AG Wuppertal Az: 90 C 162/08

Tatbestand

1Der Beklagte war 30 Jahre lang - bis zum - Mieter einer Wohnung der Klägerin in einem von ihr auch selbst bewohnten Zweifamilienhaus. Nachdem es im Jahr 2007 zwischen den Parteien zu Differenzen gekommen war, räumte der Beklagte die Wohnung Ende Juni 2007. Mit Anwaltsschreiben vom kündigte er das Mietverhältnis wegen "Vertrauensverlustes" fristlos, hilfsweise ordentlich zum . Die "offizielle" Abnahme der Wohnung erfolgte aufgrund einer Absprache der Parteien am .

2Mit der vorliegenden, durch Einreichung eines Mahnbescheidsantrags am eingeleiteten Klage hat die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 8.695,53 € nebst Zinsen begehrt. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich darauf berufen, dass er der Klägerin bereits am persönlich die Rückgabe der Schlüssel unter Hinweis auf die bereits geräumte Wohnung angeboten und die Schlüssel anschließend in den Briefkasten neben der Haustür der Klägerin geworfen habe, bei dem es sich, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht unstreitig gestellt haben, um den Briefkasten des Beklagten handelte.

3Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Gründe

4Die Revision hat zum Teil Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Die Verjährungsfrist habe Anfang Juli 2007 zu laufen begonnen, während die Klägerin erst am einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gestellt habe.

7Gemäß § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB beginne die Verjährung der Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Verschlechterung der Mietsache mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhalte, also freien Zugang zu ihr habe und somit in die Lage versetzt werde, sie auf Schäden zu untersuchen. Aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte die Wohnung spätestens Anfang Juli 2007 geräumt, die Klägerin aber die Annahme der Schlüssel verweigert und dem Beklagten sozusagen die Tür vor der Nase zugeworfen habe.

8Mit der Ablehnung der Rücknahme der Schlüssel sei die Klägerin in Annahmeverzug geraten und habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Denn die Klägerin habe unbeschadet des Umstandes, dass das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekündigt gewesen sei, kein Recht gehabt, die Rücknahme der Schlüssel abzulehnen; vielmehr sei der Mieter nach herrschender Meinung berechtigt, die gemietete Sache auch schon vor Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

9Unabhängig von der Frage der Verjährung sei der Klägerin bezüglich einiger Positionen ohnehin kein Schadensersatzanspruch - jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe - entstanden. Ein Anspruch auf Entfernung der im Garten lagernden Pflaster- und Kantensteine stehe der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sich die Steine schon bei Beginn des Mietverhältnisses dort befunden hätten. Die Erneuerung der WC-Sitze und die Neulackierung der Innentüren wären nach 30 Jahren Mietzeit auch bei pfleglicher Behandlung durch den Beklagten erforderlich gewesen. Die fachgerechte Erneuerung der vom Beklagten - nach der Behauptung der Klägerin unsachgemäß - installierten Elektroanlage könne die Klägerin nicht verlangen, weil vermieterseits eine Elektroinstallation in der Garage nicht vorhanden gewesen sei.

II.

10Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache sind nicht verjährt.

111. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist allerdings bereits unzulässig, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der von der Klägerin erhobenen Ansprüche wegen der Entfernung von Steinen im Garten, wegen der Erneuerung von WC-Sitzen und wegen Neulackierung von Innentüren zum Nachteil der Klägerin entschieden hat. Insoweit hat das Berufungsgericht die Zurückweisung der Berufung der Klägerin (auch) damit begründet, dass der Klägerin mangels eines Schadens beziehungsweise mangels einer Pflichtverletzung des Beklagten ein Schadensersatzanspruch nicht zustehe. Es kann dahinstehen, ob die Revision insoweit bereits deshalb unzulässig ist, weil das Berufungsgericht die Revision nur beschränkt auf die Ansprüche zugelassen hat, für die es nach seiner Auffassung auf die Frage der Verjährung ankam. Denn die Revision hat gegen die von der Verjährungsfrage unabhängige, das Berufungsurteil insoweit selbständig tragende Begründung keine Rüge erhoben, so dass es insoweit an der erforderlichen Revisionsbegründung fehlt (vgl. , NJW 2000, 947 unter A) und die Revision jedenfalls aus diesem Grund unzulässig ist.

12Für den Schadensersatzanspruch wegen Erneuerung der Elektroinstallation in der Garage, die die Klägerin unter Hinweis auf die von ihr behauptete unsachgemäße und deshalb lebensgefährliche Verlegung durch den Beklagten begehrt hatte, gilt dies allerdings nicht, weil das Berufungsgericht insoweit lediglich darauf abstellt, dass dort eine Elektroinstallation vor der Verlegung durch den Beklagten nicht vorhanden war; diese Begründung trägt aber nur die Abweisung der Klage bezüglich etwaiger - vom Berufungsgericht nicht konkret festgestellter - Mehrkosten einer fachgerechten Neuverlegung, nicht aber die mit dem Begehren der Klägerin gleichfalls geltend gemachten Kosten der Beseitigung des nach ihrem Vorbringen gefährlichen Zustands.

132. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht durch.

14a) Nach § 548 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB beginnt die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in dem Zeitpunkt, in dem er die Sache zurückerhält. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Rückgabe im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil er erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen (Senatsurteil vom - VIII ZR 99/85, BGHZ 98, 59, 62 ff.; , NJW 1991, 2416 unter II 5 b bb; st. Rspr.). Die Beendigung des Mietverhältnisses ist hingegen nicht Voraussetzung für den Beginn der kurzen Verjährung (, aaO; Senatsurteil vom - VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588 Rn. 9). Von diesen Grundsätzen geht auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend aus.

15b) Die Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ergibt indes, dass die Verjährung der von der Klägerin erhobenen Ansprüche erst mit dem Ablauf des begonnen hat und der Verjährungsablauf deshalb durch die vor Ablauf von sechs Monaten erfolgte gerichtliche Geltendmachung gehemmt worden ist. Denn die Klägerin hat die Wohnung erst am zurück erhalten und muss sich auch nicht wegen Annahmeverzugs oder mit Rücksicht auf Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei dies bereits Anfang Juli 2007 geschehen.

16aa) Die Klägerin hat die Wohnung nicht schon dadurch im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB zurück erhalten, dass der Beklagte Ende Juni/Anfang Juli 2007 versucht hat, ihr die Wohnungsschlüssel zu übergeben. Die Klägerin ist zu diesem Zeitpunkt nicht in den Besitz der Wohnungsschlüssel gelangt und hat deshalb auch nicht die unmittelbare Sachherrschaft über die an den Beklagten vermietete Wohnung zurück erlangt. Auch dadurch, dass der Beklagte die Schlüssel für die bereits geräumte Wohnung nach der gescheiterten Übergabe in den Briefkasten seiner bisherigen Wohnung geworfen hat, hat die Klägerin nicht die Sachherrschaft über die Wohnung erhalten.

17bb) Es bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Berufungsgericht meint - der Annahmeverzug des Vermieters mit der Rücknahme grundsätzlich den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB auslöst. Denn ein solcher Annahmeverzug ist hier nicht eingetreten.

18Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin durch die Verweigerung der Schlüsselrücknahme Anfang Juli 2007 in Annahmeverzug geraten sei, weil der Mieter das Recht habe, die gemietete Sache auch schon vor der Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

19Der Senat hat die Frage, ob und gegebenenfalls welchen Umständen der Mieter zu einer Rückgabe der Mietsache vor Beendigung des Mietverhältnisses berechtigt ist, bisher offen gelassen (Senatsurteil vom - VIII ZR 123/05, aaO Rn. 14). Diese Frage bedarf auch hier keiner grundsätzlichen Entscheidung. Denn jedenfalls ist der Vermieter nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit - sozusagen "auf Zuruf" - zurückzunehmen. Die Klägerin ist deshalb durch ihre Weigerung, die Schlüssel sofort "an der Haustür" entgegenzunehmen, als sie ihr von dem offenbar kurzfristig ausgezogenen Beklagten angeboten wurden, nicht in Annahmeverzug geraten.

20cc) Der Klägerin ist es auch nicht mit Rücksicht auf Treu und Glauben verwehrt, sich auf die am erfolgte Rückgabe der Mietsache und deshalb noch nicht eingetretene Verjährung seiner Ersatzansprüche zu berufen. Denn die Parteien haben im Anschluss an die vom Beklagten kurz nach der gescheiterten Schlüsselübergabe ausgesprochene Kündigung einvernehmlich einen "offiziellen" Übergabetermin vereinbart und in der Folgezeit auch eingehalten, so dass auch mit Rücksicht auf Treu und Glauben kein Anlass besteht, die Klägerin hinsichtlich der Verjährung ihrer Ersatzansprüche so zu behandeln, als habe sie die für den Verjährungsbeginn grundsätzlich maßgebliche unmittelbare Sachherrschaft über die streitige Wohnung bereits drei Monate vor der am erfolgten Übergabe erhalten.

III.

21Nach alledem ist die Revision bezüglich der Ansprüche wegen Entfernung von Steinen, Erneuerung von WC-Sitzen und Neulackierung von Türen als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zur materiellen Berechtigung der von der Klägerin erhobenen Ansprüche getroffen werden können.

Dr. Frellesen                                         Dr. Milger                                            Dr. Schneider

                             Dr. Fetzer                                             Dr. Bünger

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 144 Nr. 3
BAAAD-97213