BVerwG Urteil v. - 2 C 22/10

Ruhegehalt und Polizeizulage

Leitsatz

Die Abschaffung der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage ist mit Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Gesetze: Anl 1 Vorbem 3a BBesO A/B, Anl 1 Vorbem 9 BBesO A/B, § 42 BBesG, § 81 Abs 2 S 1 BBesG, § 4 Abs 3 BeamtVG, Art 5 Nr 22b VReformG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 3 LB 14/09 Beschlussvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 12 A 147/08 Urteil

Tatbestand

1Der 1948 geborene Kläger stand als Beamter der Bundespolizei im Dienst der Beklagten. Die so genannte Polizeizulage nach Nr. 9 der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz erhielt er ununterbrochen seit 1976. Mit dem Erreichen der für ihn maßgeblichen Altersgrenze von 60 Jahren trat er mit Ablauf des in den Ruhestand. Die Bundesfinanzdirektion Nord setzte sein Ruhegehalt fest, ohne dabei die Polizeizulage zu berücksichtigen. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

2Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Abschaffung der an eine zehnjährige Bezugsdauer gebundene Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage durch Gesetz im Jahre 1999 verstoße nicht gegen den verfassungsrechtlich fundierten Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung. Das Vertrauen auf die generelle Beibehaltung der erst 1990 eingeführten Ruhegehaltfähigkeit der Zulage sei nicht schutzwürdig. Im Übrigen habe der Gesetzgeber eine angemessene Übergangsfrist geschaffen, denn die Polizeizulage habe sich bei allen Beamten, die bis Ende 2007 in den Ruhestand getreten seien, noch als ruhegehaltfähig auswirken können.

3Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, die Berufung sodann durch Beschluss und unter Verweis auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

4Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Begehren weiter. Er beantragt,

den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Bundesfinanzdirektion Nord vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verpflichten, das Ruhegehalt des Klägers unter Berücksichtigung der Zulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz neu festzusetzen.

5Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6Der Vertreter des Bundesinteresses hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Gründe

7Die Revision ist unbegründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

81. Nach § 4 Abs. 3 BeamtVG wird das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet. Maßgeblich ist das zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand geltende Recht, soweit nicht Übergangsvorschriften etwas anderes regeln. Bestandteile der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sind neben dem Grundgehalt und dem Familienzuschlag sonstige Dienstbezüge, die im Besoldungsrecht als ruhegehaltfähig bezeichnet sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Zu den sonstigen Dienstbezügen zählen Zulagen, die als Amtszulagen stets, als Stellenzulagen nur dann ruhegehaltfähig sind, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (§ 42 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 BBesG).

9Die vom Kläger bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand bezogene Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) ist eine Stellenzulage im Sinne des § 42 Abs. 3 Satz 1 BBesG. Sie soll die besonderen Belastungen des Polizeivollzugsdienstes abgelten, die von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfasst werden ( BVerwG 2 C 1.08 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 32 Rn. 11). Sie war zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand nicht ruhegehaltfähig. Lediglich im Zeitraum von 1990 bis einschließlich 1998 war die Polizeizulage gemäß Nr. 3 a der Vorbemerkungen ruhegehaltfähig (Art. 1 Nr. 14 c und g des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom , BGBl I S. 967), wenn der betroffene Beamte mindestens zehn Jahre zulageberechtigend verwendet worden war. Durch Art. 5 Nr. 22 Buchst. b des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts vom (BGBl I S. 1666, Versorgungsreformgesetz 1998) wurde die Vorbemerkung Nr. 3 a jedoch aufgehoben, so dass die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage mit Wirkung vom wieder beseitigt wurde. § 81 Abs. 2 Satz 1 BBesG in der am geltenden Fassung ordnete zwar übergangsweise die befristete Weitergeltung der Nr. 3 a der Vorbemerkungen an, allerdings für Beamte der Besoldungsgruppen ab A 10 nur bis Ende 2007. Der Kläger (Besoldungsgruppe A 13) ist jedoch erst mit Ablauf des Monats März 2008 in den Ruhestand getreten.

102. Der Wegfall der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage durch Art. 5 Nr. 22 b des Versorgungsreformgesetzes 1998 und die Übergangsregelung des § 81 Abs. 2 Satz 1 BBesG sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

112.1 Es besteht kein aus der Verfassung - insbesondere aus Art. 33 Abs. 5 GG - abzuleitender Anspruch darauf, die Zulage für vollzugspolizeiliche Aufgaben als ruhegehaltfähig auszugestalten. Die Polizeizulage weist zwar die Besonderheit auf, dass sie häufig während sehr langer Zeiträume bezogen wird, weil die betroffenen Beamten - wie der Kläger - während ihres gesamten Berufslebens mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut sind. Auch wenn diese Beamten deshalb ihren Lebenszuschnitt während ihrer aktiven Dienstzeit auf den dauerhaften Bezug der Zulage eingestellt haben mögen, ändert dies nichts daran, dass die Polizeizulage an die Wahrnehmung bestimmter dienstlicher Aufgaben geknüpft ist. Sie wird für die besonderen physischen und psychischen Anforderungen des vollzugspolizeilichen Dienstes wie die Notwendigkeit, sich Gefahren für Leib und Leben auszusetzen oder in extremen Belastungssituationen in kürzester Zeit einschneidende Maßnahmen treffen zu müssen, gewährt. Diese Besonderheiten werden durch das amtsgemäße Grundgehalt nicht erfasst (vgl. Urteil vom , a.a.O., BVerwG 2 B 72.10 - IÖD 2011, 100). Die Polizeizulage zählt daher nicht zum Kernbereich der beamtenrechtlichen Alimentation. Die Voraussetzungen, unter denen eine Stellenzulage ruhegehaltfähig ist, sind ausschließlich einfachgesetzlich und nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG vorgezeichnet ( BVerwG 2 C 23.04 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 29 <S. 23>; vgl. - ZBR 2009, 126). Der Polizeizulage kommt insbesondere nicht die Funktion zu, die amtsangemessene Alimentation von Vollzugsbeamten sicherzustellen. Diesem Grundsatz hat bereits die Alimentation aus dem innegehabten Amt ohne Stellenzulage zu genügen (ebenso zur Versorgung: BVerwG 2 C 34.96 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 14 <S. 7>).

122.2 Auch die Abschaffung der erst 1990 eingeführten Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage durch das Versorgungsreformgesetz 1998 mit Wirkung vom ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt ohne weiteres für diejenigen Beamten, die die Voraussetzungen der Vorbemerkung Nr. 3 a zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B - zehnjährige Bezugsdauer der Zulage - bei Inkrafttreten des Versorgungsreformgesetzes 1998 nicht erfüllten. Art. 5 Nr. 22 b dieses Gesetzes sowie die Übergangsregelung des § 81 BBesG genügen aber auch den strengeren, sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Anforderungen im Hinblick auf solche Beamte, die zum Zeitpunkt der Rechtsänderung die Voraussetzungen für die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage bereits erdient hatten und damit über eine verfestigte versorgungsrechtliche Vertrauensposition verfügten. Zu dieser Gruppe von Betroffenen gehört auch der Kläger.

13Zwar entfaltet der Wegfall der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage keine echte Rückwirkung zu Lasten derjenigen Beamten, die erst nach dem in den Ruhestand getreten sind. Denn der Anspruch auf amtsgemäße Versorgung entsteht erst mit dem Eintritt in den Ruhestand (vgl. BVerwG 2 C 34.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 116, Rn. 25). Allerdings kommt Beamten, die - wie der Kläger - die Voraussetzungen für die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage erfüllen und deren Ruhegehalt daher ohne die Rechtsänderung durch das Versorgungsreformgesetz 1998 unter Einbeziehung der Polizeizulage zu berechnen gewesen wäre, eine Rechtsposition zu, die einer versorgungsrechtlichen Anwartschaft ähnelt. In eine solche Rechtsposition kann der Gesetzgeber zwar grundsätzlich eingreifen, da der Alimentationsgrundsatz nicht garantiert, dass die bei Eintritt in das Beamtenverhältnis geltenden versorgungsrechtlichen Bestimmungen bis zum Eintritt des Beamten in den Ruhestand unverändert bleiben ( - BVerfGE 114, 258, 288 f.; Kammerbeschluss vom - 2 BvR 1673/03 u.a. - DVBl 2007, 1435).

14Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes, der durch Art. 33 Abs. 5 GG eine besondere Ausprägung erhalten hat, verpflichtet den Gesetzgeber jedoch, nachteilige Eingriffe in verfestigte versorgungsrechtliche Rechtspositionen durch angemessene Übergangsregelungen auszugleichen oder abzumildern. Der Gesetzgeber hat die Schwere des Eingriffs einerseits und das Gewicht der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe andererseits zu berücksichtigen und eine unzumutbare Belastung der betroffenen Beamten zu vermeiden. Das Vertrauen der nachteilig betroffenen Beamten auf den Fortbestand der Rechtslage ist mit dem besonderen Gewicht, das diesem Vertrauen im Beamtenversorgungsrecht zukommt, dem Interesse der Allgemeinheit daran gegenüberzustellen, die Rechtsordnung auch im Bereich langfristig angelegter Alterssicherungssysteme ändern zu können, um Anpassungen an veränderte Zielsetzungen und Gegebenheiten vorzunehmen ( BVerwG 2 C 39.03 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13 <S. 5 f.>; a.a.O., 300). Allerdings können finanzielle Erwägungen und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung - als die sich der Wegfall der Ruhegehaltfähigkeit darstellt - angesehen werden. Vielmehr müssen weitere Gründe hinzukommen, die im Bereich des Systems der Altersversorgung liegen und die die Kürzung als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen ( a.a.O., 291 f.; Kammerbeschluss vom , a.a.O.).

15Diesen Maßstäben wird Art. 5 Nr. 22 b des Versorgungsreformgesetzes 1998 noch gerecht. Die Anpassung der Versorgungsleistungen an veränderte demografische und wirtschaftliche Gegebenheiten sowie die Vereinfachung und Zurückführung des Zulagewesens auf die Grundregeln des § 42 BBesG (vgl. BTDrucks 13/9527 S. 28, 34) stellen sachliche, über lediglich fiskalische Erwägungen hinausgehende Gründe für den Wegfall der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage dar, auch wenn das zuletzt genannte Regelungsziel nicht ohne Ausnahme erreicht worden ist (vgl. Nr. 6 der Vorbemerkungen). Überdies war die Polizeizulage nur während eines Zeitraums von neun Jahren (1990 bis 1998) ruhegehaltfähig.

16In Anbetracht dessen trägt die Übergangsregelung des § 81 BBesG Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes angemessen Rechnung. Die Bemessung eines Übergangszeitraums von derselben Länge, innerhalb dessen die Ruhegehaltfähigkeit der Zulage auch noch neu erworben werden konnte, sowie die Wahl eines um drei Jahre längeren Übergangszeitraums für Beamte in niedrigeren Besoldungsgruppen ermöglichten es den Betroffenen, sich auf die für sie nachteiligen Folgen des Versorgungsreformgesetzes 1998 einzustellen. Schließlich war der Verlust der Ruhegehaltfähigkeit den betroffenen Beamten auch wirtschaftlich zumutbar; die Zulage betrug am ca. 127 €, auf die der jeweils maßgebliche Ruhegehaltssatz anzuwenden war.

17Entgegen der Auffassung des Klägers begründet die Abschaffung der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage auch keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Allerdings führt die Übergangsregelung des § 81 BBesG dazu, dass das Ruhegehalt von Beamten, die bereits Ende 1998 die Voraussetzungen für eine Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage erfüllt hatten und erst 2008 in den Ruhestand getreten sind, ohne Berücksichtigung der Polizeizulage zu berechnen ist, während bei Beamten, die diese Voraussetzungen erst in den Jahren nach 1998 erfüllt haben und bis Ende 2007 in den Ruhestand getreten sind, die Zulage ruhegehaltfähig ist. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch auf das Lebensalter und damit auf ein sachliches Unterscheidungskriterium zurückzuführen. Diejenigen Beamten, die bis 2007 in den Ruhestand getreten sind, waren bei der Abschaffung der Ruhegehaltfähigkeit durch das Versorgungsreformgesetz bereits älter als Beamte, die - wie der Kläger - von jenem Zeitpunkt an bis zum Eintritt in den Ruhestand (ab 2008) noch eine längere Zeitspanne zurückzulegen hatten. Dass den lebensälteren Beamten die - noch zu erwerbende - Ruhegehaltfähigkeit der Zulage zugute gekommen ist, ist wesentlich auf die Überlegung zurückzuführen, dass ihnen die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Zeitspanne, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen, nicht mehr in derselben Länge zur Verfügung stand wie ihren jüngeren Kollegen.

18Der Umstand, dass der Kläger die nachteiligen Auswirkungen des Versorgungsreformgesetzes 1998 in Kauf zu nehmen hatte, obwohl er nur drei Monate nach dem Auslaufen der Übergangszeit in den Ruhestand getreten ist, stellt sich, auch wenn dies vom ihm als subjektive Härte empfunden werden mag, als eine der mit Stichtagsregelungen typischerweise verbundenen Folgen dar, die durch die für die Stichtagsregelung sprechenden Gründe gerechtfertigt werden können.

Fundstelle(n):
HAAAD-95536