Arbeitnehmerähnliche Person - soziale Schutzbedürftigkeit - Berechnung der Entgeltobergrenze nach § 3 Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 2 Ca 189/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 3 Sa 358/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche des Klägers.
Der 1962 geborene Kläger ist seit 1993 für die Beklagte als Journalist tätig; seit 2004 auf der Grundlage eines Honorar-Rahmenvertrags. Im letzten maßgeblichen Honorar-Rahmenvertrag vom vereinbarten die Parteien - „in der Erwägung, dass ... die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom ... einen verstärkten sozialen Schutz ohne die Bindungen eines Arbeitsverhältnisses erhalten sollen“ - die freie Mitarbeit des Klägers als „redaktionell“ tätiger „Programmmitarbeiter nach § 16 Satz 1 des Tarifvertrags“ (§ 1) in „programmgestaltender Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 des Tarifvertrags“ (§ 3). In § 5 des Honorar-Rahmenvertrags heißt es weiter:
Der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom idF vom (TVaP) enthält ua. folgende Regelungen:
Der Urlaubstarifvertrag vom idF vom (TV Urlaub) bestimmt ua.:
5Auf einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formular beantragte der Kläger am für den Zeitraum vom 18. März bis zum Urlaub und Zahlung des Urlaubsentgelts. Er gab sein erwerbsmäßiges Entgelt als freier Mitarbeiter bei der Beklagten im Kalenderjahr vor Antragstellung mit 48.129,90 Euro bei ca. 100 Arbeitstagen in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung an. Ferner bezifferte er seine anderen Erwerbseinkünfte als „freier Journalist“ mit ca. 20.000,00 Euro. Am Schluss des Formulars erklärte sich der Kläger bereit, seine Angaben auf Verlangen durch Vorlage von Bescheinigungen einschließlich des Einkommensteuerbescheids zu belegen. Die Beklagte lehnte den Urlaubsantrag des Klägers am wegen zu hoher Einkünfte aus Erwerbstätigkeit iSv. § 3 TVaP ab.
6Laut der beim Finanzamt eingereichten Aufstellung erzielte der Kläger im Kalenderjahr 2006 - neben den Honorareinkünften von der Beklagten und steuerfrei ergänzend gewährten Nachtzuschlägen iHv. 7.586,76 Euro - weitere Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit iHv. 29.434,79 Euro bei gleichzeitigen Ausgaben iHv. 22.333,40 Euro, die das Finanzamt mit einem Gewinn von 7.101,00 Euro veranlagte. Diese Einkünfte resultierten im Wesentlichen aus längerfristig angelegten Tätigkeiten für Magazine und Zeitschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika, die mit Aufwendungen für Reisen und Kommunikationsleistungen verbunden waren.
7Mit Schreiben seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom machte der Kläger seinen Anspruch auf Urlaubsentgelt gegenüber der Beklagten erfolglos geltend. Das Vertragsverhältnis der Parteien endete am .
8Der Kläger hat mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift, die der Beklagten spätestens am zugestellt worden ist, von der Beklagten die Zahlung von Urlaubsentgelt für insgesamt 32 Urlaubstage verlangt. Diese resultieren aus einem von 2006 nach 2007 übertragenen Resturlaubstag und 31 Urlaubstagen für 2007.
9Der Kläger hat gemeint, er sei sozial schutzbedürftig iSd. § 3 TVaP. Die soziale Schutzbedürftigkeit sei anhand des aus journalistischer Tätigkeit herrührenden Gewinns zu bestimmen. Denn nur der Gewinn, nicht aber der getätigte Umsatz lasse Schlussfolgerungen auf die Unabhängigkeit des Mitarbeiters zu.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger sei aufgrund seiner Gesamteinnahmen von mehr als 74.000,00 Euro im Jahr 2006 nicht sozial schutzbedürftig. Maßgeblich sei der neben den Honoraren erzielte Umsatz, den der Kläger mit 30.401,63 Euro beziffert habe. Seine angefallenen Betriebskosten könne er nicht in Abzug bringen. Schließlich sprächen Praktikabilitätsgründe dafür, die Schutzbedürftigkeit eines Mitarbeiters anhand der reinen Einnahmewerte zu bestimmen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger nunmehr festzustellen, dass die Beklagte ihm für das Jahr 2007 Urlaub mit einer Dauer von 32 Tagen zu gewähren und entsprechend Urlaubsentgelt für 32 Urlaubstage zu zahlen hat.
Gründe
13A. Die zulässige Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger nach Ziff. 2.1 TV Urlaub insgesamt Anspruch auf 32 Tage tariflichen Jahresurlaub.
14I. Die in der Revisionsinstanz erklärte Änderung des Klageantrags, mit dem der Kläger anstelle der ursprünglich verlangten Zahlung des Urlaubsentgelts nunmehr die Feststellung eines Urlaubsanspruchs begehrt, ist zulässig.
15Der Kläger hat erstmals in der Revisionsinstanz beantragt festzustellen, dass ihm noch 32 Urlaubstage zustehen. Zuvor hat er lediglich die Zahlung des Urlaubsentgelts für diese Urlaubstage im Wege der Leistungsklage geltend gemacht. Diese Änderung ist wirksam, auch wenn der Kläger sie erst in der Revisionsinstanz erklärt hat. Zwar bestehen für Klageänderungen und -erweiterungen in der Revisionsinstanz Hinderungsgründe; denn der Schluss der Berufungsverhandlung bildet nach § 559 ZPO bezüglich des tatsächlichen Vorbringens die Urteilsgrundlage für das Revisionsgericht. Soweit von der Rechtsprechung angenommen wird, der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bilde auch bezüglich der Anträge der Parteien eine bindende Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht (vgl. - Rn. 11, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 16 unter Hinweis auf die st. Rspr.; - 1 ABR 25/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 115, 165; - 4 AZR 405/70 - AP BAT §§ 22, 23 Nr. 46), steht dies hier der Antragsänderung nicht entgegen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass Antragsänderungen jedenfalls aus prozessökonomischen Gründen dann zugelassen werden können, wenn es sich dabei um Beschränkungen oder Erweiterungen iSv. § 264 Nr. 2 ZPO handelt und der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt oder auf den unstreitigen Parteivortrag stützt ( - Rn. 35, ZTR 2010, 367). So ist es hier. Es handelt sich um eine Beschränkung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Sie stützt sich auf denselben Klagegrund. Das Landesarbeitsgericht hat die Anspruchsvoraussetzungen des Urlaubsanspruchs inzident geprüft. Es hat „unproblematisch die erstgenannte Tarifvoraussetzung der 42-tägigen Tätigkeit“ und die weitere Anspruchsvoraussetzung, nämlich die Höhe des Einkommens anhand tatsächlich erhaltener Zahlungen, festgestellt. Dass es aufgrund einer rechtlich fehlerhaften Auslegung des tariflichen Begriffs „Einkommen“ das Überschreiten der anspruchsvernichtenden Einkommensgrenze angenommen hat, ist in diesem Zusammenhang unschädlich.
17II. Die Klage ist begründet. Der von dem Kläger erhobene Anspruch folgt aus Ziff. 2.1 TV Urlaub. Danach beträgt der Jahresurlaub 31 Arbeitstage. Hinzu kommt ein weiterer aus dem Jahr 2006 übertragener Urlaubstag.
181. Der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2007 ist nicht verfallen. Zwar muss der Urlaub nach Ziff. 2.3 TV Urlaub innerhalb des Kalenderjahres, spätestens aber bis zum 30. April des folgenden Jahres gegeben und genommen werden. Gemäß Ziff. 2.4 TV Urlaub verfällt allerdings - abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG - nur ein vom Mitarbeiter nicht im Kalenderjahr beantragter Urlaub. Der Kläger hat seinen Urlaubsanspruch spätestens mit Schreiben vom und damit innerhalb des Kalenderjahres gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
192. Entgegen der Auffassung der Beklagten fand der TV Urlaub auf das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung. Gemäß Ziff. 1.1 TV Urlaub haben die unter § 1 TVaP fallenden Mitarbeiter Anspruch auf bezahlten Urlaub. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Abhängigkeit gemäß § 2 TVaP und der sozialen Schutzbedürftigkeit nach § 3 TVaP (§ 1 Abs. 1 Satz 2 TVaP).
20a) Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers iSd. § 2 TVaP war gegeben. Er bezog von der Beklagten im Jahr 2006 mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 TVaP). Das gilt selbst dann, wenn man der Auffassung der Beklagten folgt und nicht nur die erzielten Gewinne, sondern auch seine Bruttoeinnahmen aus anderer selbstständiger Tätigkeit zugrunde legt. Bei der Beklagten bezog er ein Honorar iHv. 48.129,90 Euro zuzüglich Nachtzuschläge iHv. 7.586,76 Euro. Die Bruttoeinnahmen aus anderer selbstständiger Tätigkeit betrugen lediglich 29.434,79 Euro.
21b) Der Kläger war auch sozial schutzbedürftig iSd. § 3 TVaP.
22aa) Er war innerhalb der letzten sechs Monate vor Geltendmachung des Anspruchs an mindestens 42 Tagen für die Beklagte tätig (§ 3 TVaP).
23bb) Der Kläger erzielte vor Geltendmachung des Anspruchs keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 74.000,00 Euro brutto im Kalenderjahr.
24Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es für die Maßgeblichkeit der Einkünfte im Falle selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht auf die erzielten Bruttoeinnahmen, sondern auf die nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinne an. Dies folgt aus der Auslegung des Tarifvertrags. Ob § 3 TVaP dabei letztlich nur auf Erwerbstätigkeiten für die Beklagte sowie ggf. weitere ARD-Anstalten abstellen will oder sämtliche journalistischen oder überhaupt alle denkbaren Erwerbstätigkeiten betrifft, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Danach erzielte der Kläger im Jahr 2006 einen Gewinn iHv. 7.101,00 Euro. Seine Gesamteinkünfte iHv. 62.817,66 Euro überschritten deshalb nicht die Grenze von 74.000,00 Euro.
25(1) Diese Auslegung des Begriffs „Einkünfte“ folgt schon aus dem Wortlaut von § 3 TVaP.
26(a) Die Tarifvertragsparteien greifen in § 3 TVaP - und ergänzend in § 4 Abs. 1 Satz 2 TVaP - die für das Beitrags- und Steuerrecht maßgeblichen Begriffe „Einkünfte“ und „Einkommen“ auf. Es handelt sich dabei terminologisch um feststehende, durch § 15 Abs. 1 SGB IV für das Beitragsrecht und § 2 Abs. 1 und Abs. 5 EStG für das Steuerrecht vorgegebene Begriffe, die wechselseitig im Beitrags- und Steuerrecht miteinander korrespondieren (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB IV Stand März 2011 § 15 Rn. 1; Kirchhof in Kirchhof EStG 9. Aufl. § 2 Rn. 3). Im Regelfall ist anzunehmen, dass - wenn die Tarifvertragsparteien Rechtsbegriffe verwenden, die sie selbst nicht weiter definieren - der gebräuchliche juristische Bedeutungsgehalt gelten soll ( - Rn. 18, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 11 zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen; vgl. auch - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 112, 203).
27(b) Die Begriffe „Einkommen“ und „Einkünfte“ werden in vielfachen sozialversicherungs- und versorgungsrechtlichen Regelungen aufgegriffen (vgl. etwa § 11 SGB II, § 14 WoGG, § 2 BEEG, § 11 BAföG, § 53 BeamtVG, § 82 SGB XII - hierzu etwa § 4 Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom [BGBl. I S. 692] idF vom [BGBl. I S. 818]).
28Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist das Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind Einkünfte bei selbstständiger Arbeit der Gewinn, dh. das Bruttoeinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nach Abzug von Werbungskosten und Betriebsausgaben, aber ohne Abzug von steuerlich begünstigten Sonderausgaben und Freibeträgen (vgl. - juris Rn. 14, BSGE 45, 244).
29(c) Mit diesem Begriffsverständnis in Einklang steht auch die Wendung „brutto“ im Anschluss an die betragsmäßige Bezifferung in § 3 TVaP. Schon der Gesetzgeber geht im Hinblick auf § 15 SGB IV davon aus, dass die hiernach iVm. § 2 EStG ermittelten Arbeitseinkommen „Bruttoeinkommen“ darstellen (BT-Drucks. 7/4122 S. 32). Diese Bruttobasis erklärt sich aus dem Umstand der Einbeziehung vor Abzug von direkten Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung bzw. Ersatzinstituten (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz § 15 Rn. 2). Vom Bruttoprinzip in dem Sinne wird auch bei der Festsetzung von Versorgungsbezügen unter hinzutretenden anderweitigen Einkünfte gesprochen (vgl. 2 C 20.03 - juris Rn. 35, 37, BVerwGE 120, 154).
30(d) Hierfür spricht zudem, dass der TVaP die Begriffe „Einkommen“ und „Einkünfte“ von dem des „Entgelts“ abgrenzt und mit letzterem durchgängig die Gegenleistungen der Auftraggeberin zur vertragsgemäßen Leistung der Mitarbeiter bezeichnet (vgl. § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 9, § 7 Abs. 3, Abs. 4, § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 2 TVaP). Mit diesem Begriffsverständnis des Entgelts knüpfen die Tarifvertragsparteien terminologisch wiederum an die generell gebräuchlichen Begriffsinhalte an, die im Fall des Entgelts die Gegenleistungen des Vertragspartners für die vertraglich geschuldete oder erbrachte Leistung umschreiben (vgl. - Rn. 36, ZUM 2009, 883).
31(2) Auch der Gesamtzusammenhang des TVaP bestätigt dieses Ergebnis. Wenn nach § 6 Abs. 5 TVaP alle Beschäftigungsjahre als bestandsschutzrelevant gelten, in denen ein Mitarbeiter erwerbsmäßige Gesamteinkünfte im Sinne des EStG iHv. maximal 92.000,00 Euro erzielt hat, lässt sich das mit § 3 TVaP nur in Einklang bringen, wenn auch dort auf die nach den Prinzipien des Einkommensteuer- und Beitragsrechts bemessenen Einkünfte abgestellt wird. Andernfalls ergäbe sich die widersinnige Folge, dass - weil nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 TVaP das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis bereits automatisch bei Entfallen der Voraussetzungen nach § 3 TVaP endet - der Bestandsschutz für selbstständig anderweit tätige Mitarbeiter weitgehend vereitelt wäre, ohne dass hierfür sachliche Gründe erkennbar wären. Davon, dass die Tarifvertragsparteien dies anstrebten, ist ohne nähere Anhaltspunkte im TVaP nicht auszugehen.
32(3) Auch Sinn und Zweck des § 3 TVaP stehen mit dieser Auslegung im Einklang.
33Aus der Überschrift des § 3 TVaP „Soziale Schutzbedürftigkeit“ folgt, dass die Tarifvertragsparteien eine tarifliche Konkretisierung des in § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG genannten Begriffs der sozialen Schutzbedürftigkeit anstrebten, der nach der Rechtsprechung des Senats Leitbildcharakter hat (vgl. - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 113, 343).
34Für die Beurteilung der sozialen Schutzbedürftigkeit kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ua. auf die weiteren Einkünfte abgestellt werden, und zwar unter dem Gesichtspunkt, ob die für einen Arbeitnehmer typische Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz einzusetzen, für eine arbeitnehmerähnliche Person unter Berücksichtigung seiner gesamten Einkünfte noch in vergleichbarer Weise besteht (vgl. - juris Rn. 17, 20, BAGE 66, 95; kritisch hierzu Däubler/Reinecke TVG 2. Aufl. § 12a Rn. 53 ff.; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 12a Rn. 39a, 60). Das Bundesarbeitsgericht hat selbst nicht weiter konkretisiert, in welchem Sinne es den Begriff der Einkünfte versteht. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ausdrücklich klargestellt, dass die Beurteilung der sozialen Schutzbedürftigkeit einer arbeitnehmerähnlichen Person nicht etwa aufgrund der Umsätze aus selbstständiger Tätigkeit folgen kann, sondern allein aufgrund der - nach Abzug aller Kosten - verbleibenden Gewinne vor Steuern und privater Versicherungen ( - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 140, 11).
35Dass die Tarifvertragsparteien an eben dieses Verständnis der Schutzbedürftigkeit anknüpfen wollten, liegt nahe. Es fehlt an Anhaltspunkten, dass in § 3 TVaP das Leitbild der sozialen Schutzbedürftigkeit überzeichnet werden sollte. Die Tarifvertragsparteien wollten ihre Regelung im Zweifel rechtskonform ausgestalten.
36(4) Mit der Revision ist schließlich auch anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien keine ungerechtfertigte Benachteiligung selbstständig und mit erheblichen Aufwendungen tätiger Personen anstrebten. Diese ergäbe sich indes zwangsläufig bei der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Zugrundelegung der reinen Bruttoeinnahmen. Auch der von der Revision aufgezeigte Vergleich mit der Berücksichtigung anderweitiger Erträge der Arbeitskraft im Falle des § 74c HGB spricht für ein derartiges Schutzverständnis (vgl. etwa - zu III 1 a der Gründe, BAGE 55, 309; - 3 AZR 148/74 - zu II 2 der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 6 = EzA HGB § 74c Nr. 15).
37(5) Diese Auslegung führt auch nicht zu einer Benachteiligung der nicht selbstständig Beschäftigten. Die tariflichen Regelungen schließen nicht aus, dass auch bei nicht selbstständig anderweit tätigen Personen die Werbungskosten in Abzug zu bringen sind (vgl. zur derartigen Handhabe im Rahmen des § 53 BeamtVG: 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154). Im Übrigen ergäbe sich auch dann, wenn bei nicht selbstständig Tätigen die Werbungskosten unbeachtet blieben, kein sachwidriger Gleichheitsverstoß. Der sozialrechtliche Gesetzgeber geht in § 14 und § 15 SGB IV von eben derselben Unterscheidung aus, die er als sachgerecht ansieht, weil bei Selbstständigen typischerweise Erwerbsaufwendungen anfallen, die nach Umfang und Ausmaß nicht mehr mit den Aufwendungen Unselbstständiger vergleichbar sind (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz § 15 Rn. 2). Es begegnet keinen Bedenken, wenn sich die Tarifvertragsparteien diese Wertung zu eigen machen.
38(6) Schließlich spricht auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität dafür, dass die Tarifvertragsparteien nicht bloß auf Einnahmen, sondern auf die beitragsrechtlich wie steuerlich relevanten Einkünfte abstellen wollten.
39Dies liegt schon deshalb nahe, weil die Bemessung der Einkünfte nach § 3 TVaP auf das vorangegangene Kalenderjahr bezogen ist und damit auf eben den Veranlagungszeitraum zurückgreift, der für die steuerliche Bemessung relevant ist (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Für den Tarifunterworfenen ergibt sich bei Übernahme des beitrags- und steuerrechtlichen Ansatzes zudem der Vorzug, auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Bewertungen des Einkommensteuerbescheids zurückgreifen zu können, den bereits der sozialversicherungsrechtliche Gesetzgeber im Rahmen des § 15 SGB IV als wesentlich angesehen hat (vgl. BT-Drucks. 12/5700 S. 92; Klattenhoff in Hauck/Noftz § 15 Rn. 8).
40(7) Dass offensichtlich auch die tarifliche Handhabung der Beklagten diesen Gesichtspunkt anerkennt, lässt sich zudem aus der Einwilligungsklausel in dem Formular entnehmen, das die Beklagte ihren Mitarbeitern zwecks Beantragung von Urlaub zur Verfügung stellte. Danach erklärte sich der Mitarbeiter mit der Unterschrift unter den Urlaubsantrag damit einverstanden, seine Angaben durch Vorlage seines Einkommenssteuerbescheids zu belegen.
413. Der Kläger hat gegen die Ablehnung der beantragten Urlaubsgewährung und Urlaubsentgeltzahlung durch die Beklagte innerhalb von vier Monaten schriftlich Einspruch erhoben. Die Beklagte wies das Urlaubsgesuch am zurück. Der Zurückweisung widersprach der Kläger persönlich am sowie im Wege des per Fax übermittelten Anwaltsschreibens vom . Die Telefaxübermittlung des Schreibens wahrt die tarifvertraglich vorgesehene Schriftform (vgl. - Rn. 32, EzA BUrlG § 13 Nr. 61; - 5 AZR 888/08 - Rn. 36, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44).
B. Die Beklagte hat als die in der Berufung wie auch in der Revision unterlegene Partei die Kosten der von ihr jeweils erfolglos eingelegten Rechtsmittel zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2011 S. 2666 Nr. 47
CAAAD-95448