BGH Beschluss v. - 3 StR 280/11

Strafverfahrenshindernis: Fehlender Eröffnungsbeschluss bei unterbliebener Unterzeichnung durch Beisitzer

Gesetze: § 203 StPO, § 206a Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Duisburg Az: 31 KLs 2/11 - 165 Js 50/11 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes und versuchten Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

21. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, da insofern kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegt und somit ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis besteht.

3a) Das Formular des Eröffnungsbeschlusses vom , mit dem die den Tatvorwurf des (besonders) schweren Raubes betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wurde, ist allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Es kann dahinstehen, ob es wegen der fehlenden Unterschriften der beiden Beisitzer bereits an einer notwendigen Förmlichkeit für einen wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt (so ; Beschluss vom - 4 StR 263/81, NStZ 1981, 448; OLG Frankfurt, Beschluss vom - 1 Ss 43/91, NJW 1991, 2849, 2850; SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl., § 203 Rn. 8; HK-StPO-Julius, 4. Aufl., § 207 Rn. 18; offen gelassen von StbSt [R] 5/86, BGHSt 34, 248, 249) oder ob, wie die wohl herrschende Ansicht annimmt, eine fehlende oder nicht von allen mitwirkenden Richtern vorgenommene Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses jedenfalls dann an dessen Wirksamkeit nichts ändert, wenn anderweitig nachgewiesen ist, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist (s. etwa RG, Urteil vom - III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 703/53, NJW 1954, 360; vom - 5 StR 249/96, NJW 1997, 1380, 1381; vom - 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Vor § 33 Rn. 6; KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 207 Rn. 29); denn eine ordnungsgemäße Beschlussfassung vermag der Senat hier nach den konkreten Umständen nicht festzustellen.

4Die eingeholten dienstlichen Äußerungen sind unergiebig. Die Beisitzer haben mitgeteilt, sich "an die Fassung des Eröffnungsbeschlusses konkret nicht erinnern" zu können. Eine tatsächliche Beschlussfassung ergibt sich nicht daraus, dass sie - wie sie ausführen - über den Fall und die für eine Eröffnung ausreichende Beweislage gesprochen haben. Denn allein die Erörterung der Beweislage beinhaltet noch nicht die Willensäußerung, die Eröffnung zu beschließen (vgl. auch , StV 1983, 318). Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass die Beisitzer die Gespräche zeitlich nicht näher eingrenzen konnten und damit offen bleibt, ob die Gespräche überhaupt vor oder an dem Datum der vermeintlichen Beschlussfassung stattgefunden hatten.

5Auch die vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung getroffene Feststellung, die Anklage sei mit Beschluss vom in unveränderter Form zur Hauptverhandlung zugelassen worden, belegt eine ordnungsgemäße Beschlussfassung nicht. Im Hinblick auf den üblichen Geschäftsanfall und -gang bei den Landgerichten sowie die zwischen der etwaigen Beschlussfassung und der Hauptverhandlung liegende Zeit von nahezu drei Monaten ist nicht auszuschließen, dass der Vorsitzende die Feststellung nicht aufgrund einer eigenen konkreten Erinnerung an eine mündliche Beschlussfassung, sondern aufgrund des in den Akten befindlichen und auf dem Aktendeckel vermerkten Vordrucks traf.

6Weil bei vielen Gerichten der Eröffnungsbeschluss häufig im Umlaufverfahren beschlossen wird, ist es schließlich nicht fernliegend, dass es sich bei dem lediglich vom Vorsitzenden unterschriebenen Formular bloß um einen noch nicht durch alle Richter bestätigten Beschlussentwurf handelte (vgl. , NJW 1954, 360, 361).

7b) Die Unwirksamkeit des vermeintlichen Beschlusses vom ist nicht durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung geheilt worden. Eine solche ist insbesondere nicht in dem von der gesamten Kammer unterschriebenen Beschluss vom zu sehen, mit dem sie die den versuchten Computerbetrug betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, beide Verfahren verbunden und die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung bestimmt hat. Denn hieraus ergibt sich mangels entsprechender inhaltlicher Anknüpfungspunkte nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf die erste Anklage tatsächlich beschlossen haben (s. , NStZ-RR 2011, 150, 151; ähnlich auch BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 223/88; vom - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; III-3 RVs 117/10, NStZ-RR 2011, 105; - 199, NStZ-RR 2004, 48, 49). Im Übrigen belegen auch die dienstlichen Äußerungen nicht, dass die Beisitzer im Rahmen der Verbindung eine Eröffnungsentscheidung über die erste Anklage treffen wollten. Vielmehr bestand für eine solche Entscheidung aus ihrer Sicht schon deshalb kein Anlass, weil sie davon ausgingen, dass auch der Vorwurf des besonders schweren Raubes habe verhandelt werden sollen.

8Eine Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung scheitert jedenfalls daran, dass die Kammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelte, die Eröffnungsentscheidung aber durch die Kammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung - also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen - zu treffen ist ().

9c) Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Raubtat auf Kosten der Staatskasse (§ 467 Abs. 1 StPO) zur Folge hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150, 151; vom - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; Meyer-Goßner, aaO § 207 Rn. 12; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 84).

102. Von der Aufhebung und Einstellung ist die Verurteilung wegen versuchten Computerbetrugs nicht betroffen. Insoweit liegt der wirksame Eröffnungsbeschluss vom vor. Die Nachprüfung des Urteils hat diesbezüglich weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Schuldspruch und die Einzelstrafe waren daher insoweit aufrechtzuerhalten.

113. Die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens zieht nicht die Aufhebung des allein auf den Raubvorwurf gründenden Haftbefehls durch den Senat gemäß § 126 Abs. 3, § 120 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Var. 3 StPO nach sich, weil die Verfahrenseinstellung ihrer sachlichen Bedeutung nach nur vorläufigen Charakter hat (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 153/99, NStZ 1999, 520, 521; vom - 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).

12Da keine das gesamte Verfahren endgültig abschließende Entscheidung im Sinne des § 2 Abs. 1 StrEG vorliegt, bedarf es derzeit auch keiner Entscheidung über eine etwaige Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen (s. , NJW 1994, 2966; OLG Frankfurt, Beschluss vom - 3 Ws 61/06, NStZ-RR 2006, 159 f.; Kunz, StrEG, 4. Aufl., § 2 Rn. 22; Meyer, StrEG, 7. Aufl., § 2 Rn. 21; Meyer-Goßner, aaO § 8 StrEG Rn. 2).

Becker                                      Pfister                                von Lienen

                     Schäfer                                    Menges

Fundstelle(n):
AAAAD-94737