Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Gesetze: § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO
Instanzenzug: Az: 1 K 1636/10 Urteil
Gründe
1Die Beschwerde ist unbegründet. Der Streitsache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegt die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.
21. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr, vgl. z.B. BVerwG 6 B 9.09 - NVwZ 2009, 1569). Daran fehlt es hier.
3Die von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen, ob
- die Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG für die Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gilt und
- ob für den Fall, dass die Anwendbarkeit des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG auf Ansprüche gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bejaht wird, diese Anwendung mit Art. 3 und 14 GG vereinbar ist,
sind aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
4Der Senat hat bereits entschieden, dass auch vermögensrechtliche Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG der Anmeldefrist nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG unterliegen. Zwar hat der Gesetzgeber Ansprüche wegen der Entziehung einer Beteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG erst 1997 geregelt (vgl. BVerwG 8 C 9.06 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 67 Rn. 28). Zur Wahrung der Anmeldefrist mussten aber - bereits damals bestehende - vermögensrechtliche Ansprüche wegen der Entziehung einer Anteilsbeteiligung angemeldet sein ( BVerwG 8 C 5.08 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 50 und BVerwG 8 C 22.09 - juris Rn. 4 ff.). Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass ein Antragsteller Ansprüche auf Bruchteilsrestitution wegen der Entziehung einer Unternehmensbeteiligung, die der Gesetzgeber erst 1997 begründet hat, nicht bis zum (vgl. § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG) hätte anmelden können. Er hat in diesen Entscheidungen nicht darauf abgestellt, dass die Antragsteller bis zum Ablauf der Anmeldefrist keine Ansprüche auf Bruchteilsrestitution angemeldet hatten, sondern allein darauf, dass sie vermögensrechtliche Ansprüche wegen der Entziehung einer Unternehmensbeteiligung hätten anmelden müssen (Beschluss vom a.a.O. Rn. 3). Die Beteiligung an einem Unternehmen war bereits im Vermögensgesetz in der Fassung des Einigungsvertrages ein eigenständiger, der Wiedergutmachung zugänglicher Vermögenswert (§ 2 Abs. 2 VermG), der im Fall vermögensrechtlicher Ansprüche wegen der Entziehung der Anmeldung nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG bedurfte. Ansprüche auf Bruchteilsrestitution wegen der Entziehung einer Beteiligung an einem Unternehmen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 ff. VermG sind im Jahre 1997 durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom (BGBl I S. 1823) neu geregelt worden ( BVerwG 8 C 26.05 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 66 und vom - BVerwG 7 C 36.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 19 S. 23; vgl. auch - juris).
5Für die Wahrung der Anmeldefrist ist zwischen der Wiedergutmachung für die Entziehung einer Unternehmensbeteiligung, die das Vermögensgesetz bereits in der Fassung des Einigungsvertrages vorsah, also dem Grundanspruch, und der im Jahr 1997 vorgenommenen Ergänzung dieses Grundanspruchs um eine Bruchteilsrestitution an Vermögenswerten des Unternehmens zu unterscheiden. Durch die Neuregelung im Jahr 1997 sollte die Wiedergutmachung für den Entzug einer Unternehmensbeteiligung durch die Singularrestitution von Bruchteilseigentum ergänzt werden, um den Betroffenen die "wirtschaftliche Eigentümerstellung", wie sie zum Zeitpunkt der Entziehung der Unternehmensbeteiligung bestand, möglichst wieder einzuräumen ( BVerwG 8 C 7.07 - BVerwGE 131, 79 <82> = Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 69 Rn. 26; Beschluss vom a.a.O. juris Rn. 4). Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, eine neue Anmeldefrist für die Ansprüche auf Bruchteilsrestitution zu eröffnen. Der Charakter des § 3 Abs. 1 Satz 4 ff. VermG als ergänzende Singularrestitution - hier: zur Wiedergutmachung für den Entzug einer Unternehmensbeteiligung - rechtfertigt es, auch für die Ansprüche auf Restitution von Bruchteilseigentum darauf abzustellen, dass innerhalb der Frist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG Ansprüche auf Wiedergutmachung des Entzugs der Unternehmensbeteiligung - also nicht auf Bruchteilsrestitution - angemeldet worden sind (Beschluss vom a.a.O. Rn. 4).
6Soweit sich die Kläger in diesem Zusammenhang zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung auf eine Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums im Gesetzgebungsverfahren vom beziehen, ergibt sich daraus ebenfalls, dass § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG schon in seiner vor der Änderung im Jahre 1997 geltenden Fassung "dem Berechtigten einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum in Höhe der ihm entzogenen Beteiligung (gewährte). Unter Beteiligungen sind dabei sowohl unmittelbare als auch mittelbare Beteiligungen zu verstehen. (…) Um diesen Zweck des Gesetzes klarzustellen, soll der Satz eingefügt werden." Die von den Klägern zitierten Auszüge aus dem Sitzungsprotokoll des Rechtsausschusses des Bundesrates vom geben zu einer anderen Schlussfolgerung keine Veranlassung. Auch wenn darin hinsichtlich der 1997 erfolgten Änderung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG von einer "Vervielfachung" und "Auffächerung" von Restitutionsansprüchen die Rede ist, bleibt es dabei, dass für die Wahrung der Anmeldefrist des Grundanspruches, also der Wiedergutmachung für die Entziehung einer Unternehmensbeteiligung, das Vermögensgesetz bereits die Anmeldefrist vorsah, woran sich durch die im Jahr 1997 vorgenommene Ergänzung dieses Grundanspruchs um eine Bruchteilsrestitution an Vermögenswerten des Unternehmens insoweit nichts geändert hat.
7Dass die Kläger darin einen Widerspruch zum Urteil des Senats vom a.a.O. = ZOV 2007, 183 <186> = juris Rn. 36) sehen, ist nicht nachvollziehbar. Jenes Urteil befasst sich nicht mit der Frage, ob (auch) vermögensrechtliche Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG der Anmeldefrist nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG unterliegen.
8Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass auch vermögensrechtliche Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG aus den dargelegten Gründen der Anmeldefrist nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG unterliegen, bestehen nicht. Die gegen die Entscheidung des Senats vom - BVerwG 8 C 22.09 - erhobene Verfassungsbeschwerde hat das - nicht zur Entscheidung angenommen.
92. Auch die mit der Beschwerde erhobene Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Eine Divergenz ist nicht ersichtlich.
10Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung der Beschwerdeführer divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom - BVerwG 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 = juris Rn. 15). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht ( BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342). So liegt der Fall hier.
11Die Kläger haben dem BVerwG 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 = ZOV 2005, 317 <318>) den Rechtssatz entnommen,
eine Verwirkung trete auch im Vermögensrecht dann ein, wenn der Rückerstattungsverpflichtete aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
Sie haben dem den von ihnen aus dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts abgeleiteten Rechtssatz entgegengestellt, dass allein das Zuwarten der Kläger ihre vermögensrechtlichen Ansprüche verwirken könne. Während nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein "Verhalten", also ein Tun des Betroffenen erforderlich sei, versuche das Verwaltungsgericht Potsdam durch Verwendung des Wortes "Zuwarten" ein aktives Tun der Kläger zu konstruieren, wo nur ein Schweigen gegeben sei, was nicht Grundlage für eine Vertrauensbildung sein könne.
12Damit wird keine Divergenz zu der von den Klägern angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt. Denn das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil gerade nicht den Rechtssatz aufgestellt, es genüge ein bloßes Schweigen oder Zuwarten, um den für eine Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand zu begründen. Vielmehr ist es davon ausgegangen, die Kläger hätten "durch ihr Zuwarten über einen so langen Zeitraum bei den anderen Beteiligten den Eindruck hervorgerufen, dass sie selbst keine vermögensrechtlichen Ansprüche geltend machen." Zwar erkläre sich das Zuwarten der Kläger dadurch, "dass sie ihre Interessen und Rechte bei einem Prozesserfolg der JCC durch das zu ihren Gunsten durchzuführende 'Goodwill-Verfahren' als ausreichend gewahrt" angesehen hätten. Damit hätten sie aber "deutlich gemacht, dass sie von der Geltendmachung eigener Ansprüche Abstand nehmen wollten". Das entspricht der Rechtsprechung des Senats, der im Verfahren BVerwG 8 C 22.09 (8 C 5.08), das ebenfalls Restitutionsansprüche wegen der bis 1945 erfolgten Schädigung der Firma O. & K. betraf, nahezu gleichlautend ausgeführt hatte:
"Sie haben durch ihr Zuwarten über einen so langen Zeitraum bei den anderen Beteiligten, insbesondere den Beigeladenen des Verfahrens BVerwG 8 C 5.08, den Eindruck hervorgerufen, dass sie selbst keine vermögensrechtlichen Ansprüche geltend machen. Das Zuwarten der Antragsteller erklärt sich nach den Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom (S. 11) dadurch, dass sie ihre Interessen und Rechte bei einem Prozesserfolg der JCC durch das zu ihren Gunsten durchzuführende 'Goodwill-Verfahren' als ausreichend gewahrt ansahen. Damit haben sie deutlich gemacht, dass sie von der Geltendmachung eigener Ansprüche Abstand nehmen wollten. Wenn sie dann zeitgleich mit ihrem - erst nach der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz gestellten - Beiladungsantrag vermögensrechtliche Ansprüche angemeldet haben, kann hierin mit Blick auf den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ein widersprüchliches Verhalten gesehen werden. Auch das öffentliche Interesse an baldiger Rechtsklarheit und Rechtssicherheit auf dem Gebiet der offenen Vermögensfragen kann die Anmeldung der Ansprüche nach einem so langen Zuwarten der Antragsteller als unzulässig erscheinen lassen. Denn sie setzten sich damit in Widerspruch zu dem Ziel des Vermögensgesetzes, im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern und damit auch im gesamtstaatlichen Interesse so bald wie möglich Rechtsklarheit und Rechtssicherheit darüber herbeizuführen, ob und in welchem Umfang Vermögenswerte aufgrund von Rückübertragungsansprüchen in ihrer Verkehrsfähigkeit beeinträchtigt sind ( BVerwG 7 C 62.02 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 30 S. 41 f. m.w.N. = BVerwGE 119, 145)."
13Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
143. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Fundstelle(n):
JAAAD-92203