BFH Beschluss v. - X B 222/10

Keine Beschwer bei Streit um die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen oder Privatvermögen; fehlende steuerliche Auswirkung

Gesetze: FGO § 40 Abs. 2, AO § 157 Abs. 2, AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a, AO § 180 Abs. 2 Nr. 2, GewStG § 35b

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte statt der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung solche aus Gewerbebetrieb angesetzt. Er vertrat dazu die Auffassung, aufgrund der Verpachtung eines dem Kläger gehörenden Grundstücks an eine GmbH, an der der Kläger zu 90 % beteiligt war, seien die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt.

2 Im Klageverfahren beantragten die Kläger, die in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in solche aus Vermietung und Verpachtung „umzuqualifizieren”. Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage mangels Beschwer für unzulässig, machte aber in seiner Entscheidung „darüber hinaus” umfangreiche Ausführungen dazu, dass die Klage auch unbegründet sei.

3 Mit ihrer Beschwerde rügen die Kläger u.a., das FG habe zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden. Die Klage sei zulässig gewesen, da die Auffassung des FA zur Steuerverhaftung des Grundstücks führe. Ferner wenden sie sich gegen die materiell-rechtliche Würdigung des FG.

4 Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.

5 II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6 1. Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor.

7 a) Zwar stellt es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Verfahrensmangel dar, wenn das FG über eine zulässige Klage nicht in der Sache, sondern durch Prozessurteil entscheidet (Senatsbeschluss vom X B 212/09, BFH/NV 2011, 564, unter 1.b aa, m.w.N.). Vorliegend ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen der Kläger jedoch nicht, dass die von ihnen erhobene Klage zulässig gewesen sein könnte.

8 b) Die Kläger leiten eine Beschwer lediglich daraus ab, dass das vom Kläger verpachtete Grundstück bei Erfüllung der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung „steuerverhaftet” sei, also im Falle einer künftigen Veräußerung oder Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen etwaige stille Reserven zu versteuern wären. Sie machen indes nicht geltend, dass die vom FA vorgenommene Würdigung der Nutzungsüberlassung als Betriebsaufspaltung bereits in den Streitjahren der Höhe nach zu einer abweichenden Festsetzung der Einkommensteuer geführt haben könnte. Auch dem FG-Urteil und den Einspruchsentscheidungen lässt sich hierzu nichts entnehmen.

9 Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sind die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer als Jahressteuer jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes). Die vom FA für die Streitjahre —ohne Auswirkung auf die Höhe der Einkommensteuer— vertretene Auffassung zu der mit der Verpachtungstätigkeit des Klägers verwirklichten Einkunftsart entfaltet daher keine Bindungswirkung für spätere Veranlagungszeiträume, in denen der Kläger das Grundstück möglicherweise veräußern oder entnehmen wird. Es handelt sich lediglich um eine Besteuerungsgrundlage, die mangels gesonderter Feststellung nicht selbständig mit Rechtsbehelfen anfechtbar ist (vgl. § 157 Abs. 2 der AbgabenordnungAO—).

10 c) Nichts anderes folgt daraus, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Feststellung der Einkunftsart bei Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Einkünften (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b AO) auch dann selbständig anfechtbar ist, wenn sich keine gleichzeitige Auswirkung auf die Höhe des festgestellten Einkünftebetrages ergibt (zur gesonderten und einheitlichen Feststellung vgl. , BFHE 78, 374, BStBl III 1964, 144; vom IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676, unter 1.; vom IV R 54/02, BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868, und vom XI R 32/01, BFHE 208, 514, BStBl II 2005, 431, unter II.1.; zur gesonderten Feststellung vgl. Senatsurteil vom X R 84/88, BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713). Denn die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stellt stets einen eigenständigen Verwaltungsakt dar, der eine selbständige Beschwer entfalten kann. Innerhalb eines solchen Feststellungsbescheids bildet die Feststellung der Einkunftsart wiederum einen eigenständig anfechtbaren Teil des Bescheids (, BFHE 222, 284, BStBl II 2008, 858, unter II.1.).

11 Auf die bloße Zusammenstellung unselbständiger Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 157 Abs. 2 AO in einem Einkommensteuerbescheid ist dies nicht übertragbar (ebenso , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1346, unter II.1., und des Schleswig-Holsteinischen , EFG 2007, 524, unter II.).

12 d) Eine Beschwer ergibt sich im Streitfall zudem nicht daraus, dass die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift des § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nach dem Senatsurteil vom X R 59/01 (BFHE 206, 449, BStBl II 2004, 901) auch dann erfüllt sind, wenn ein Einkommensteuerbescheid dahingehend geändert wird, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr als gewerblich qualifiziert, sondern einer anderen Einkunftsart zugeordnet wird. Denn die Wirkungen des § 35b GewStG erschöpfen sich darin, in verfahrensrechtlicher Hinsicht eine Korrekturmöglichkeit für den Gewerbesteuermessbescheid zu eröffnen. Hingegen ist der Einkommensteuerbescheid nicht etwa als Grundlagenbescheid anzusehen (, BFH/NV 1996, 449, unter 2.). Die Besteuerungsgrundlagen sind für die Gewerbesteuer vielmehr grundsätzlich selbständig und ohne Bindung an den Einkommensteuerbescheid zu ermitteln (, BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847, unter II.C.1.c).

13 e) Zu Recht weisen die Kläger zwar darauf hin, dass sich das FG-Urteil danach insoweit als widersprüchlich erweist, als es zunächst —zutreffend— die Klagebefugnis der Kläger verneint hat, sodann aber angenommen hat, das FA habe aufgrund der sich beim Gewerbesteuermessbetrag ergebenden steuerlichen Auswirkungen ein Interesse gehabt, die Einkommensteuerbescheide auch hinsichtlich der Qualifizierung der Einkünfte nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Diese Widersprüchlichkeit führt allerdings nur dazu, dass sich die Ausführungen des FG zu § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als unzutreffend darstellen; sie ändern indes nichts daran, dass die tragenden Erwägungen des FG —die Verneinung der Beschwer und damit der Zulässigkeit der Klage— nicht den von den Klägern gerügten Verfahrensmangel aufweisen.

14 2. Da hiernach davon auszugehen ist, dass das FG die Klage zu Recht als unzulässig angesehen hat, kommt es für die Beurteilung der Beschwerde auf diejenigen Zulassungsgründe, die die Kläger in Bezug auf die hilfsweisen Erwägungen des FG zur Unbegründetheit der Klage vorbringen, nicht mehr an.

15 Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die GmbH, an die der Kläger das Grundstück verpachtet hat, nach dem Vorbringen des FA im Schriftsatz vom in den Streitjahren nicht als gemeinnützig behandelt worden ist, weil sie in mehrfacher Hinsicht verdeckte Gewinnausschüttungen an den Kläger sowie an nahestehende Kapitalgesellschaften geleistet hatte. Die Kläger haben sich hierzu nur insoweit geäußert, als sie behauptet haben, „nach der Betriebsprüfung” —also offensichtlich nicht für die Streitjahre- sei die Gemeinnützigkeit wieder anerkannt worden (Schriftsatz vom ). Die von den Klägern —sinngemäß— als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob durch die Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an eine gemäß § 3 Nr. 6 GewStG wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 51 ff. AO von der Gewerbesteuer befreite Kapitalgesellschaft eine Betriebsaufspaltung begründet werden könne, wäre danach im Streitfall ohnehin nicht klärungsfähig.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1843 Nr. 11
PAAAD-91738