EuGH Urteil v. - C-343/96

Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben

Leitsatz

1. Das Gemeinschaftsrecht steht nationalen Vorschriften nicht entgegen, die die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben weniger günstigen Frist- und Verfahrensmodalitäten unterwerfen, als sie für Klagen auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zwischen einzelnen vorgesehen sind, sofern diese Modalitäten in gleicher Weise für die auf Gemeinschaftsrecht wie für die auf nationales Recht gestützten Klagen gelten und die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

2. Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, nach dem Erlaß von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären, sofern sich diese Änderung nicht speziell auf die betreffenden Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

3. Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedstaat, die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle und Abgaben einer Voraussetzung wie der fehlenden Abwälzung dieser Zölle oder Abgaben auf Dritte zu unterwerfen, deren Erfüllung der Antragsteller zu beweisen hat.

4. Das Gemeinschaftsrecht untersagt es nicht, die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben von der - nicht rückwirkenden - Voraussetzung abhängig zu machen, daß dieser Antrag dem Finanzamt mitgeteilt wird, bei dem die Einkommensteuererklärung des Betroffenen für das entsprechende Geschäftsjahr eingegangen ist.

Instanzenzug: Pretura circondariale Bozen (Italien),

Gründe

1. Die Pretura circondariale Bozen, Auswärtige Kammer Vipiteno, hat mit Beschluß vom , ergänzt durch Beschluß vom , beim

Gerichtshof eingegangen am 30. September und , gemäß Artikel 177 EG-Vertrag sechs Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Dilexport Srl (im folgenden: Dilexport) und der Amministrazione delle Finanze dello Stato (italienische staatliche Finanzverwaltung; im folgenden: Verwaltung) wegen der Erstattung der Verbrauchsteuer auf frische oder getrocknete Bananen und Bananenmehl (im folgenden: Bananenverbrauchsteuer).

3. Die Bananenverbrauchsteuer wurde in Italien durch das Gesetz Nr. 986 vom (GURI Nr. 264 vom , S. 4580) eingeführt.

4. Im Urteil vom in der Rechtssache 184/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 2013) hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 95 Absatz 2 des Vertrages verstoßen hat, indem sie eine Verbrauchsteuer eingeführt und beibehalten hat, die für frische Bananen mit Ursprung in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere für solche aus den französischen überseeischen Departements, galt. In einem weiteren Urteil vom gleichen Tag in der Rechtssache 193/85 (Co-Frutta, Slg. 1987, 2085) hat der Gerichtshof außerdem für Recht erkannt, daß Artikel 95 Absatz 2 des Vertrages einer Verbrauchsteuer auf bestimmte eingeführte Obstsorten entgegensteht, wenn sie geeignet ist, die einheimische Obsterzeugung zu schützen.

5. Nach den im Verfahren vor dem Gerichtshof gemachten Angaben unterlag die Erstattung von Steuern wie der Bananenverbrauchsteuer während dieses Zeitraums insbesondere Artikel 91 des Testo unico delle disposizioni legislative doganali (Testo unico über das Zollrecht), genehmigt durch Dekret Nr. 43 des Präsidenten der Republik vom 23. Januar 1973 (GURI Nr. 80 vom ; im folgenden: TUDL), sowie Artikel 19 des Decreto-legge Nr. 688 vom (GURI Nr. 270 vom 30. September 1982, S. 7072), das durch das Gesetz Nr. 873 vom (GURI Nr. 328 vom , S. 8599; im folgenden: Decreto-legge von 1982) in ein Gesetz umgewandelt wurde.

6. Artikel 91 TUDL lautet wie folgt: "Der Steuerpflichtige hat einen Anspruch auf Erstattung von Zuvielzahlungen aufgrund von Berechnungsfehlern bei der Festsetzung oder aufgrund der Erhebung einer anderen Abgabe als derjenigen, die tariflich für die im Prüfergebnis [des Zollamts] beschriebene Ware festgesetzt ist, sofern er innerhalb einer Ausschlußfrist von fünf Jahren ab Zahlung den Antrag auf Erstattung stellt und diesem den Originalschein beifügt, aus dem hervorgeht, daß die Zahlung erfolgt ist."

7. Artikel 19 des Decreto-legge von 1982 bestimmt:

"Wer - auch vor dem Inkrafttreten dieses Dekrets - zu Unrecht Einfuhrzölle, Produktionssteuern, Verbrauchsteuern oder staatliche Gebühren entrichtet hat, hat Anspruch auf Erstattung der gezahlten Beträge, wenn er - außer im Fall eines Schreib- oder Druckfehlers - den urkundlichen Nachweis erbringt, daß die Belastung nicht in irgendeiner Weise auf andere Personen abgewälzt worden ist."

8. Die Kommission hat, ohne daß ihr widersprochen worden wäre, erläutert, daß Artikel 91 TUDL in der Auslegung durch die Corte suprema di cassazione nicht für Erstattungsanträge gelte, die auf die Verletzung einer Rechtsnorm gestützt seien; diese unterlägen der Verjährungsfrist von zehn Jahren, die in Artikel 2946 des Codice civile für Klagen auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge festgelegt sei.

9. Die Bananenverbrauchsteuer wurde aufgehoben durch Artikel 32 des Gesetzes Nr. 428 vom , das überschrieben ist mit "Disposizioni per l'adempimento di obblighi derivanti dall'appartenenza dell'Italia alle Comunità europee (legge comunitaria per il 1990)" (Bestimmungen zur Erfüllung der Verpflichtungen infolge der Zugehörigkeit Italiens zu den Europäischen Gemeinschaften [Gemeinschaftsgesetz für 1990]; GURI, supplemento ordinario Nr. 10 vom , S. 1; im folgenden: Gesetz von 1990); dieses Gesetz ist am in Kraft getreten.

10. Artikel 29 des Gesetzes von 1990 enthält neue Bestimmungen für die "Erstattung von Abgaben, die für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erklärt worden sind".

11. Der Artikel bestimmt:

"1. Die in Artikel 91 des Testo unico über das Zollrecht vorgesehene Ausschlußfrist von fünf Jahren, die durch das Dekret Nr. 43 des Präsidenten der Republik vom genehmigt wurde, gilt für alle Anträge und Klagen auf Erstattung von Beträgen, die im Zusammenhang mit Zollhandlungen gezahlt wurden. Ab dem neunzigsten Tag nach Inkrafttreten dieses Gesetzes verkürzen sich diese Frist und die in Artikel 84 des Testo unico vorgesehene Verjährungsfrist auf drei Jahre.

2. Die Einfuhrzölle, die Produktionssteuer, die Verbrauchsteuer, der Zuschlag auf Zucker und die staatlichen Gebühren, die nach mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren nationalen Rechtsvorschriften erhoben worden sind, werden erstattet, sofern nicht die Belastung auf andere Personen abgewälzt wurde.

3. Artikel 19 des mit Änderungen durch das Gesetz Nr. 873 vom umgewandelten Decreto-legge Nr. 688 vom ist anwendbar, wenn die erhobenen Abgaben nicht zur Gemeinschaftsrechtsordnung gehören.

4. Der Antrag auf Erstattung der in den Absätzen 2 und 3 genannten Abgaben und Steuern ist, wenn die entsprechende Ausgabe zum Unternehmenseinkommen gehörte, auch dem Finanzamt mitzuteilen, bei dem die Einkommensteuererklärung für das betreffende Geschäftsjahr eingegangen ist; andernfalls ist der Antrag unzulässig.

...

7. Absatz 2 gilt auch für die Erstattung von Beträgen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erhoben worden sind.

8. Absatz 4 gilt von dem bei Inkrafttreten dieses Gesetzes laufenden Steuerjahr an."

12. Nach den insoweit nicht bestrittenen Ausführungen der Kommission und der italienischen Regierung ist Artikel 29 Absatz 1 des Gesetzes von 1990 nach Ansicht der Corte suprema di cassazione dahin auszulegen, daß die dort genannte Ausschlußfrist von drei Jahren nicht rückwirkend gelten könne.

13. Nach den Angaben des nationalen Gerichts wird Artikel 29 Absatz 2 dieses Gesetzes von den italienischen Gerichten in der Weise ausgelegt und angewandt, daß sich die Verwaltung, wenn sie die Erstattung zu Unrecht gezahlter Zölle oder Steuern ablehnt, auf die Vermutung stützen kann, daß diese Abgaben normalerweise auf Dritte abgewälzt werden.

14. Aus dem Vorlagebeschluß und seiner Ergänzung geht hervor, daß Dilexport für die Einfuhr einer in einem anderen Mitgliedstaat in den freien Verkehr gebrachten Partie Bananen im Jahr 1988 über das Zollamt Brenner (Italien) 6 945 756 LIT als Bananenverbrauchsteuer an die Staatskasse gezahlt hat.

15. Da Dilexport der Auffassung war, daß dieser Betrag wegen Verstoßes der betreffenden Steuer gegen Artikel 95 Absatz 2 des Vertrages zu Unrecht gezahlt worden sei, verlangte sie bei der Verwaltung seine Erstattung, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin beantragte sie bei der Pretura circondariale Bozen, Auswärtige Kammer Vipiteno, im Mahnverfahren die Anordnung gegenüber der Verwaltung, ihr den betreffenden Betrag zuzüglich Zinsen ab Zahlung zu erstatten.

16. In seinem Vorlagebeschluß hat das nationale Gericht ausgeführt, daß bereits der Wortlaut des Artikels 29 des Gesetzes von 1990 geeignet sei, Zweifel an seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof insbesondere in den Urteilen vom in der Rechtssache 199/82 (San Giorgio, Slg. 1983, 3595) und vom in der Rechtssache 240/87 (Deville, Slg. 1988, 3513) hervorzurufen, und daß diese Zweifel sowohl durch die Ausführungen der Kommission in der dem Urteil vom zugrunde

liegenden Rechtssache C-125/94 (Aprile, Slg. 1995, I-2919) als auch durch die praktische Anwendung dieser Vorschriften verstärkt würden.

17. Aus diesen Gründen hat der Pretore von Vipiteno das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende sechs Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist das Gemeinschaftsrecht so auszulegen, daß es der Einführung von Vorschriften wie des Artikels 29 des italienischen Gesetzes Nr. 428 vom durch einen Mitgliedstaat entgegensteht, wonach für die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben andere, strengere Ausschluß- oder Verjährungsfristen und Beweisregeln gelten als nach der allgemeinen zivilrechtlichen Regelung? Was ist insbesondere bei dem Grundsatz, daß die in den nationalen Vorschriften festgelegten Bedingungen für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs "nicht ungünstiger ausgestaltet werden dürfen als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen", unter der Wendung "gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen" zu verstehen?

2. Ist es einem Mitgliedstaat nach den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung verwehrt, - nur in bezug auf einen bestimmten Bereich, der aus einer einheitlichen Gruppe fiskalischer Abschöpfungen besteht und in dem die für die Gemeinschaftsrechtsordnung relevanten Abschöpfungen erheblich überwiegen - abweichende Sonderbestimmungen einzuführen, die den Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge einschränken und begrenzen sollen, wobei von den allgemeinen Voraussetzungen für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge in Artikel 2033 des Codice civile abgewichen wird? Kann insbesondere der Grundsatz der Nichtdiskriminierung einschränkend ausgelegt und somit als von den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie Artikel 29 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 428 vom gewahrt angesehen werden, nur weil sich die darin aufgestellten Voraussetzungen für die Erstattung der gemeinschaftlich relevanten fiskalischen Abschöpfungen, obwohl sie gegenüber der allgemeinen Regelung des allgemeinen Rechts einschränkend sind, im Vergleich zu den besonderen Erstattungsvoraussetzungen des Absatzes 2 dieses Artikels immer noch als weniger streng erweisen?

3. Ist es einem Mitgliedstaat nach den erwähnten tragenden Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung verwehrt, nach dem wiederholten Erlaß vonUrteilen des Gerichtshofes, in denen verschiedene Abgaben auf dem Gebiet der Einfuhrzölle, Produktionssteuern, Verbrauchsteuern, Zuschläge auf Zucker und staatlichen Gebühren für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erklärt worden sind, Verfahrensvorschriften wie die durch Artikel 29 des Gesetzes Nr. 428 vom eingeführten zu erlassen, die speziell die Möglichkeit beschränken, für die Rückforderung

der vorgenannten, unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht zu Unrecht erhobenen Abgaben den Rechtsweg zu beschreiten?

4. Ist ein - angeblich zur Anpassung der nationalen Rechtsvorschriften an die Rechtsprechung des Gerichtshofes eingeführtes - Gesetz wie das vorgenannte, das mit über dreieinhalbjähriger Verspätung gegenüber den betreffenden Urteilen des Gerichtshofes, bei weiterer ungerechtfertigter Bereicherung des säumigen Staates, verabschiedet wurde, mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit den Ausführungen zu nicht zugelassenen Beweisen im Urteil vom in der Rechtssache 199/82 (San Giorgio, Slg. 1983, 3595) vereinbar? Ist damit insbesondere eine Auslegung und Anwendung des Artikels 29 vereinbar, die auf der Annahme beruht, daß - da die Einbeziehung der Verbrauchsteuern eine offenkundige Tatsache sei - der Beweis durch eine Vermutung ausreicht, um von einer Abwälzung auszugehen und folglich den Erstattungsantrag abzulehnen?

5. Ist es also gemeinschaftsrechtlich zulässig, daß das nationale Gericht oder sein Sachverständiger die Steuerabwälzung aufgrund derartiger bloßer Vermutungen feststellt, die angeblich typische Freibeweise sind, und damit die Erstattungsanträge, wie die Praxis zeigt, systematisch ablehnt, so daß die schuldnerische Verwaltung nie einräumt, zur Erstattung verpflichtet zu sein?

6. Kann eine Regelung wie die der Absätze 4 und 8 des Artikels 29, die Verfahrensformalitäten (z. B. Pflicht zur Anzeige bei bestimmten Dienststellen derselben schuldnerischen Behörde) aufstellt, die in den bisher in der allgemeinen Regelung auf diesem Gebiet geregelten Erstattungsfällen noch nie vorgesehen waren, vorgeschrieben werden, und kann sie jedenfalls rückwirkend ausgelegt werden?

18. Aus dem durch die Gründe des Vorlagebeschlusses und seiner Ergänzung näher erläuterten Wortlaut dieser Fragen ergibt sich, daß das nationale Gericht wissen möchte, ob ein Mitgliedstaat ohne Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht

- Klagen auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Steuern wie der Bananenverbrauchsteuer ungünstigeren Bedingungen unterwerfen kann, als sie für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zwischen einzelnen vorgesehen sind (erste und zweite Frage);

- die Erstattungsregelung für diese Steuern nach dem Erlaß der Urteile des Gerichtshofes, in denen ihre Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht festgestellt worden ist, in einschränkendem Sinne ändern darf (dritte Frage);

- insbesondere die Erstattung dieser Steuern von einer Voraussetzung wie der fehlenden Abwälzung der betreffenden Steuern auf Dritte abhängig machen

kann, wobei vermutet wird, daß der Antragsteller diese Voraussetzung nicht erfüllt (vierte und fünfte Frage);

- eine besondere Voraussetzung aufstellen kann, wonach die Zulässigkeit des Antrags auf Erstattung dieser Steuern davon abhängt, daß er den Finanzbehörden mitgeteilt wird (sechste Frage).

Zur Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts

19. Was die Vorbemerkung der italienischen Regierung betrifft, das vorlegende Gericht sei für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens offensichtlich nicht zuständig, so ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom in der Rechtssache 65/81 (Reina, Slg. 1982, 33, Randnr. 7) den Grundsatz aufgestellt hat, daß er nicht nachzuprüfen hat, ob die Entscheidung, mit der er angerufen wird, den nationalrechtlichen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren entspricht. Der Gerichtshof ist daher an die Vorlageentscheidung des Gerichts eines Mitgliedstaats gebunden, solange sie nicht aufgrund eines im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfs aufgehoben worden ist (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105, Randnrn. 16 und 17).

Zur ersten und zur zweiten Frage

20. Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht im wesentlichen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht nationalen Vorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben weniger günstigen Modalitäten unterwerfen, als sie für Klagen auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zwischen einzelnen gelten.

21. Dilexport und die Kommission schlagen vor, diese Frage zu bejahen. Sie weisen darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteile vom in der Rechtssache 33/76, Rewe, Slg. 1976, 1989, und in der Rechtssache 45/76, Comet, Slg. 2043) zwar die Erstattung von gemeinschaftsrechtswidrigen Zöllen oder Abgaben nur im Rahmen der durch die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgelegten formellen und materiellen Bedingungen beantragt werden könne, diese Bedingungen aber nicht ungünstiger ausgestaltet werden dürften als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht beträfen. Im italienischen Recht folge die Erstattung rechtswidrig erhobener Abgaben den Regeln über die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zwischen einzelnen, weshalb Artikel 29 des Gesetzes von 1990 gegen den vom Gerichtshof aufgestellten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, da er die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Abgaben ungünstigeren Regeln unterwerfe.

22. Die italienische und die französische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs stimmen zwar mit Dilexport und der Kommission

hinsichtlich der Grundsätze, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergeben, überein, schlagen jedoch vor, die Frage zu verneinen. Sie sind der Ansicht, die in Artikel 29 des Gesetzes von 1990 genannten Rechtsbehelfe unterlägen insbesondere bezüglich der Verjährungsfristen keinen ungünstigeren Regeln als die mit ihnen vergleichbaren Klagen auf Erstattung indirekter Abgaben.

23. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben hat, eine Ergänzung der Rechte dar, die den einzelnen durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle oder je nachdem die diskriminierende Erhebung inländischer Abgaben untersagen, in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof eingeräumt worden sind (Urteil San Giorgio, Randnr. 12; Urteile vom in der Rechtssache 309/85, Barra, Slg. 1988, 355, Randnr. 17, und vom in der Rechtssache C-62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883, Randr. 40). Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (Urteil vom in den Rechtssachen C-192/95 bis C-218/95, Comateb u. a., Slg. 1997, I-165, Randnr. 20).

24. Der Gerichtshof hat jedoch auch wiederholt festgestellt, daß die Anfechtung rechtswidriger Abgabenerhebungen oder die Erstattung zu Unrecht gezahlter Abgaben in den einzelnen Mitgliedstaaten und sogar innerhalb desselben Mitgliedstaats je nach der Art der Abgaben unterschiedlich geregelt ist. In einigen Fällen gibt es für derartige Anfechtungen oder Forderungen gesetzliche Form- und Fristvorschriften sowohl für bei der Finanzverwaltung einzulegende Rechtsbehelfe als auch für Klagen. In anderen Fällen sind Klagen auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Abgaben bei den ordentlichen Gerichten - insbesondere als Klagen auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung - zu erheben, wobei die Fristen für die Erhebung dieser Klagen unterschiedlich lang sind und in manchen Fällen der allgemeinen Verjährungsfrist entsprechen (vgl. zuletzt Urteil vom in der Rechtssache C-228/96, Aprile, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 17).

25. Diese Unterschiedlichkeit der nationalen Regelungen beruht vor allem darauf, daß es keine Gemeinschaftsregelung über die Erstattung zu Unrecht erhobener inländischer Abgaben gibt. In einer solchen Situation ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. zuletzt Urteile vom in der Rechtssache C-231/96, Edis, Slg. 1998, I-0000, Randnrn. 19 und 34, und in der Rechtssache C-260/96, Spac, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 18, sowie vom , Aprile, Randnr. 18).

26. In bezug auf den Effektivitätsgrundsatz hat der Gerichtshof anerkannt, daß die Festsetzung angemessener Ausschlußfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die sowohl den Abgabenpflichtigen als auch die Behörde schützt, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (Urteile Rewe, Randnr. 5, und Comet, Randnrn. 17 und 18, vom in der Rechtssache 61/79, Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 23; vgl. auch Urteile vom in der Rechtssache C-261/95, Palmisani, Slg. 1997, I-4025, Randnr. 28, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-90/94, Haahr Petroleum, Slg. 1997, I-4085, Randnr. 48). Solche Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine nationale Verjährungsfrist von drei Jahren, die mit dem Zeitpunkt der fraglichen Zahlung beginnt, angemessen (vgl. Urteile Edis, Randnr. 35, Spac, Randnr. 19, und vom , Aprile, Randnr. 19).

27. Die Wahrung des Äquivalenzgrundsatzes setzt voraus, daß die streitige Modalität ohne Unterschied für die auf die Verletzung des Gemeinschaftsrechts wie für die auf die Verletzung des nationalen Rechts gestützten Klagen gilt, sofern es sich um dieselbe Art von Abgaben oder Gebühren handelt. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht so verstanden werden, daß er den Mitgliedstaat verpflichtet, auf alle Klagen auf Erstattung von Abgaben und Gebühren, die unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben worden sind, seine günstigste Erstattungsregelung zu erstrecken (Urteile Edis, Randnr. 36, Spac, Randnr. 20, und vom , Aprile, Randnr. 20).

28. Somit steht das Gemeinschaftsrecht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die neben einer allgemeinen Verjährungsfrist, die für Klagen auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zwischen einzelnen gilt, besondere, weniger günstige Einspruchs- und Klagemodalitäten für die Anfechtung von Steuern und sonstigen Abgaben vorsehen. Anders wäre es nur dann, wenn diese Modalitäten nur für solche Klagen auf Erstattung dieser Abgaben gelten würden, die auf Gemeinschaftsrecht gestützt sind (Urteile Edis, Randnr. 37, Spac, Randnr. 21, und vom , Aprile, Randnr. 21).

29. Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, daß eine Ausschlußfrist wie die des Artikels 29 Absatz 1 des Gesetzes von 1990 nicht nur für Klagen gilt, die auf Gemeinschaftsrecht gestützt sind (vgl. Urteil vom , Aprile, Randnr. 22).

30. Zum anderen ist eine Vorschrift wie Artikel 29 Absatz 2 des Gesetzes von 1990, die die Erstattung von Abgaben erlaubt, wenn die entsprechende Belastung nicht auf andere Personen abgewälzt worden ist, unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzgrundsatzes nicht weniger günstig als die Vorschriften für Klagen, die auf nationales Recht gestützt sind, auch wenn sie nur für Klagen gilt, die auf Gemeinschaftsrecht gestützt sind. Denn insoweit behält Artikel 29 Absatz 3 für die

auf nationales Recht gestützten Erstattungsanträge die zuvor geltende Regelung des Artikels 19 des Decreto-legge von 1982 bei.

31. Außerdem geht aus den Angaben der italienischen Regierung vor dem Gerichtshof hervor, daß die Ausschlußfrist von drei Jahren, die für alle Klagen auf Erstattung von im Zusammenhang mit Zollhandlungen gezahlten Beträgen gilt, mit der Frist übereinstimmt, die nach italienischem Recht für Klagen auf Erstattung zahlreicher indirekter Abgaben gilt (Urteil vom , Aprile, Randnr. 29), deren Gegenstand, wenn nicht als identisch, so doch als mit dem der Klagen des Ausgangsverfahrens weitgehend vergleichbar angesehen werden kann.

32. Letztlich ist es jedoch Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, daß keine günstigeren Modalitäten anwendbar gewesen wären, wenn sich herausgestellt hätte, daß die streitige Abgabenerhebung nicht wie im vorliegenden Fall mit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, sondern mit einer Vorschrift des nationalen Rechts unvereinbar war, und daß die anwendbaren Modalitäten die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

33. Daher ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht nationalen Vorschriften nicht entgegensteht, die die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben weniger günstigen Frist- und Verfahrensmodalitäten unterwerfen, als sie für Klagen auf Erstattung zu Unrechtgezahlter Beträge zwischen einzelnen vorgesehen sind, sofern diese Modalitäten in gleicher Weise für die auf Gemeinschaftsrecht wie für die auf nationales Recht gestützten Klagen gelten und die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Zur dritten Frage

34. Mit seiner dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat verwehrt, nach dem Erlaß von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären.

35. Die Kommission weist darauf hin, daß der Gerichtshof im Urteil Deville entschieden habe, daß es dem nationalen Gesetzgeber nach dem Gemeinschaftsrecht verwehrt sei, nach Verkündung eines Urteils des Gerichtshofes, in dem eine Abgabe für unvereinbar mit dem Vertrag erklärt werde, Vorschriften zu erlassen, die speziell die Möglichkeiten einer Erstattung dieser Abgaben einschränkten. Es sei nicht ausgeschlossen, daß dies vorliegend geschehen sei, doch sei es Sache des nationalen Gerichts, dies zu prüfen.

36. Die französische Regierung macht geltend, daß die Mitgliedstaaten die Modalitäten einer Klage auf Erstattung von Abgaben - auch rückwirkend und auch nach dem Erlaß von Urteilen des Gerichtshofes - festlegen und ändern könnten, soweit diese Modalitäten nicht diskriminierend oder geeignet seien, den Abgabenpflichtigen die Ausübung der ihnen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Insbesondere sei sicherzustellen, daß die Verkürzung der Verjährungsfrist nicht dazu führe, daß Erstattungsanträge, die nach dem alten Recht rechtswirksam hätten gestellt werden können, plötzlich unzulässig würden, und daß die Abgabenpflichtigen jedenfalls über eine angemessene Frist für die Wahrung ihrer Ansprüche verfügten.

37. Im Urteil Barra (Randnr. 19) hat der Gerichtshof entschieden, daß das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der nur diejenigen Antragsteller die Erstattung einer durch ein Urteil des Gerichtshofes für mit dem Vertrag unvereinbar erklärten Abgabe verlangen können, die vor Erlaß des betreffenden Urteils eine Erstattungsklage eingereicht haben. Eine solche Vorschrift nimmt nämlich den natürlichen oder juristischen Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, ohne weiteres das Recht auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge und macht es den Bürgern damit unmöglich, die ihnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte auszuüben.

38. Weiterhin hat der Gerichtshof im Urteil Deville für Recht erkannt, daß der nationale Gesetzgeber nicht nach Verkündung eines Urteils des Gerichtshofes, dem zufolge bestimmte Rechtsvorschriften mit dem Vertrag unvereinbar sind, eine Verfahrensregel erlassen kann, die speziell die Möglichkeiten einschränkt, auf Erstattung der Abgaben zu klagen, die aufgrund dieser Rechtsvorschriften zu Unrecht erhoben worden sind.

39. Aus diesen Urteilen ergibt sich, daß ein Mitgliedstaat keine Vorschriften erlassen darf, die die Erstattung einer Abgabe, die durch ein Urteil des Gerichtshofes für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt worden ist oder deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht sich aus einem solchen Urteil ergibt, Voraussetzungen unterwirft, die speziell diese Abgabe betreffen und die weniger günstig sind, als sie ohne diese Vorschriften auf die Erstattung der fraglichen Steuer anwendbar gewesen wären (Urteil Edis, Randnr. 24).

40. Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, daß der Gerichtshof bereits in den Randnummern 29 bis 31 des Urteils vom , Aprile, entschieden hat, daß die streitige Vorschrift, wenn sie die Frist verkürzt, innerhalb deren die Erstattung zu Unrecht als Bananenverbrauchsteuer gezahlter Beträge verlangt werden kann, für alle im Zusammenhang mit Zollhandlungen gezahlten Beträge gilt und sie der gleichen Verjährungs- und Ausschlußregelung unterwirft, die für eine ganze Reihe innerstaatlicher Abgaben gilt. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, daß eine Vorschrift wie Artikel 29 des Gesetzes von 1990 mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

41. Daher kann die fragliche Regelung nicht als Maßnahme angesehen werden, die speziell die Auswirkungen der Feststellungen begrenzen soll, die der Gerichtshof in seinen Urteilen zur Bananenverbrauchsteuer getroffen hat.

42. Darüber hinaus ist in der streitigen Vorschrift, wie der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 17. November 1998, Aprile (Randnr. 28), festgestellt hat, eine ausreichende Frist festgesetzt, um die Effektivität des Erstattungsanspruchs zu gewährleisten. Insoweit ergibt sich aus den vor dem Gerichtshof abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen, daß die italienischen Gerichte einschließlich der Corte suprema di cassazione diese Vorschrift dahin ausgelegt haben, daß die Erstattung innerhalb von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten verlangt werden kann. Daher ist davon auszugehen, daß diese Vorschrift nicht tatsächlich Rückwirkung entfaltet.

43. Auf die dritte Frage ist deshalb zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, nach dem Erlaß von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären, sofern sich diese Änderung nicht speziell auf die betreffenden Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Zur vierten und zur fünften Frage

44. Mit seiner vierten und seiner fünften Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat verwehrt, die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle und Abgaben einer Voraussetzung wie der fehlenden Abwälzung dieser Zölle oder Abgaben auf Dritte zu unterwerfen, deren Erfüllung der Antragsteller zu beweisen hat.

45. Nach Auffassung von Dilexport und der Kommission sind diese Fragen zu bejahen. Sie erinnern daran, daß der Gerichtshof insbesondere im Urteil San Giorgio entschieden habe, daß das Gemeinschaftsrecht Vermutungen oder Beweisregeln, die dem Abgabenpflichtigen die Beweislast dafür auferlegten, daß die zu Unrecht gezahlten Abgaben nicht auf andere abgewälzt worden seien, oder besonderen Beschränkungen hinsichtlich der Form der zu erbringenden Beweise, wie dem Ausschluß aller Beweismittel außer dem Urkundenbeweis, entgegenstehe. Die französische Regierung, die darauf hinweist, daß der Wortlaut des Artikels 29 Absatz 2 des Gesetzes von 1990 keine einzige Beweislastregel enthalte, teilt diesen Standpunkt für den Fall, daß das nationale Recht in dem vom vorlegenden Gericht angegebenen Sinne auszulegen sei.

46. Die italienische Regierung macht geltend, daß Artikel 29 Absatz 2 des Gesetzes von 1990 entgegen den Angaben des vorlegenden Gerichts von der Corte suprema

di cassazione in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt werde, daß die Verwaltung auf der Grundlage der nach nationalem Recht zulässigen Beweismittel, wie es ernsthafte, genaue und schlüssige Vermutungen oder Buchprüfungen seien, beweisen müsse, daß die streitige Abgabe auf Dritte abgewälzt worden sei.

47. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verbietet es das Gemeinschaftsrecht nicht, daß ein nationales Rechtssystem die Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben ablehnt, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würde. Nichts schließt also aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts aus, daß die Gerichte gemäß ihrem nationalen Recht der Tatsache Rechnung tragen, daß zu Unrecht erhobene Abgaben möglicherweise in den Warenpreis einbezogen und so auf die Abnehmer abgewälzt worden sind. Nationale Rechtsvorschriften, die die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Steuern, Gebühren oder sonstigen Abgaben ausschließen, wenn nachgewiesen wird, daß der zur Zahlung dieser Abgaben Herangezogene sie tatsächlich auf andere Personen abgewälzt hat, sind daher nicht grundsätzlich als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen (Urteile San Giorgio, Randnr. 13, Comateb u. a., Randnr. 21, und vom in der Rechtssache 68/79, Just, Slg. 1980, 501, Randnr. 26).

48. Dagegen sind solche Beweisvorschriften unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht, die dazu führen, daß eine Erstattung der unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgabe praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig wird. Dies gilt insbesondere für Vermutungen oder Beweisregeln, die dem Abgabenpflichtigen die Beweislast dafür auferlegen, daß die zu Unrecht gezahlten Abgaben nicht auf andere Personen abgewälzt worden sind, oder für besondere Beschränkungen hinsichtlich der Form der zu erbringenden Beweise, wie es beim Ausschluß aller Beweismittel außer dem Urkundenbeweis der Fall ist (Urteile San Giorgio, Randnr. 14, und vom 25. Februar 1988 in den Rechtssachen 331/85, 376/85 und 378/85, Bianca und Girard, Slg. 1988, 1099, Randnr. 12).

49. Im vorliegenden Fall werden nach Artikel 29 Absatz 2 des Gesetzes von 1990 die darin genannten Abgaben erstattet, wenn sie mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind, sofern nicht die entsprechende Belastung auf andere Personen übertragen worden ist.

50. Die italienische Regierung und das nationale Gericht sind unterschiedlicher Ansicht darüber, wie die italienischen Gerichte diese Vorschrift auslegen.

51. Der Gerichtshof ist jedoch nicht zur Auslegung des nationalen Rechts befugt (vgl. u. a. Urteil Deville, Randnr. 17); es ist allein Sache der nationalen Gerichte, die genaue Bedeutung der nationalen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu bestimmen (in diesem Sinne Urteile vom in der Rechtssache C-347/89, Eurim-Pharm, Slg. 1991, I-1747, Randnr. 15, und vom in den Rechtssachen C-132/91, C-138/91 und C-139/91, Katsikas u. a., Slg. 1992, I-6577, Randnr. 39).

52. Wenn, wie das nationale Gericht meint, eine Vermutung für die Abwälzung rechtswidrig verlangter oder zu Unrecht erhobener Abgaben auf Dritte besteht und die Erstattung der Abgabe davon abhängt, daß der Antragsteller diese Vermutung widerlegt, sind die betreffenden Vorschriften als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen.

53. Wenn dagegen, wie die italienische Regierung geltend macht, die Verwaltung mit allen nach nationalem Recht allgemein zulässigen Beweismitteln nachzuweisen hat, daß die Abgabe auf andere Personen abgewälzt worden ist, sind die betreffenden Vorschriften nicht als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen.

54. Auf die vierte und die fünfte Frage ist daher zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat verwehrt, die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle und Abgaben einer Voraussetzung wie der fehlenden Abwälzung dieser Zölle oder Abgaben auf Dritte zu unterwerfen, deren Erfüllung der Antragsteller zu beweisen hat.

Zur sechsten Frage

55. Mit seiner sechsten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht es untersagt, die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben davon abhängig zu machen, daß dieser Antrag dem Finanzamt mitgeteilt wird, bei dem die Einkommensteuererklärung des Betroffenen für das entsprechende Geschäftsjahr eingegangen ist.

56. Die italienische Regierung hat die Zulässigkeit der Frage bestritten, da das vorlegende Gericht nicht erläutert habe, inwiefern diese Frage für das Ausgangsverfahren von Bedeutung sei. Insoweit braucht nur an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes erinnert zu werden, wonach das nationale Gericht am besten beurteilen kann, ob eine Vorabentscheidung vor Verkündung seines Urteils erforderlich ist (in diesem Sinne Urteil vom , Aprile, Randnr. 11).

57. Dilexport macht geltend, das Verfahrenserfordernis des Artikels 29 Absätze 4 und 8 des Gesetzes von 1990 sei sowohl diskriminierend als auch rückwirkend. In der mündlichen Verhandlung hat sie jedoch eingeräumt, daß die Verpflichtung nach der in Nummer 59 der Schlußanträge des Generalanwalts erwähnten aktuellen Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione nicht die Steuerjahre vor dem Inkrafttreten des Gesetzes von 1990 betreffe.

58. Nach Auffassung der Kommission und der Regierungen, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, verstößt das Erfordernis, den Antrag dem Finanzamt mitzuteilen, an das die Einkommensteuererklärung des Betroffenen gerichtet wurde, nicht gegen den gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz.

59. Artikel 29 Absatz 4 des Gesetzes von 1990 gilt für alle in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels erwähnten Abgaben, unabhängig davon, ob der Erstattungsantrag auf nationales oder auf Gemeinschaftsrecht gestützt ist.

60. Die beanstandete Maßnahme, die nach übereinstimmender Meinung der Verfahrensbeteiligten nicht mehr rückwirkend angewandt werden kann, führt daher nicht dazu, daß den Betroffenen die Vergünstigung einer tatsächlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts vorenthalten wird oder daß sie in eine weniger günstige Lage versetzt werden, als wenn sie die Erstattung von Abgaben verlangten, die gegen das nationale Recht verstoßen.

61. Auf die sechste Frage ist demnach zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht es nicht untersagt, die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben von der - nicht rückwirkenden - Voraussetzung abhängig zu machen, daß dieser Antrag dem Finanzamt mitgeteilt wird, bei dem die Einkommensteuererklärung des Betroffenen für das entsprechende Geschäftsjahr eingegangen ist.

Kosten

62. Die Auslagen der italienischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm von der Pretura circondariale Bozen, Auswärtige Kammer Vipiteno, mit Beschluß vom , ergänzt durch Beschluß vom , vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Das Gemeinschaftsrecht steht nationalen Vorschriften nicht entgegen, die die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben weniger günstigen Frist- und Verfahrensmodalitäten unterwerfen, als sie für Klagen auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zwischen einzelnen vorgesehen sind, sofern diese Modalitäten in gleicher Weise für die auf Gemeinschaftsrecht wie für die auf nationales Recht gestützten Klagen gelten und die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

2. Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, nach dem Erlaß von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären, sofern sich diese Änderung nicht speziell auf die betreffenden Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

3. Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedstaat, die Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle und Abgaben einer Voraussetzung wie der fehlenden Abwälzung dieser Zölle oder Abgaben auf Dritte zu unterwerfen, deren Erfüllung der Antragsteller zu beweisen hat.

4. Das Gemeinschaftsrecht untersagt es nicht, die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidriger Zölle oder Abgaben von der - nicht rückwirkenden - Voraussetzung abhängig zu machen, daß dieser Antrag dem Finanzamt mitgeteilt wird, bei dem die Einkommensteuererklärung des Betroffenen für das entsprechende Geschäftsjahr eingegangen ist.

Fundstelle(n):
GAAAD-91540