Kapitalanlageberatung: Erfolglose Gehörsrüge gegen Revisionszurückweisungsbeschluss; aufklärungspflichtige Rückvergütungen
Leitsatz
Zur erfolglosen Gehörsrüge gegen den Senatsbeschluss vom .
Gesetze: § 321a ZPO, § 280 BGB
Instanzenzug: Az: XI ZR 191/10 Beschlussvorgehend Az: XI ZR 191/10 Beschlussvorgehend OLG Celle Az: 3 U 202/09vorgehend Az: 8 O 183/07
Gründe
I.
1Der Senat hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 ZPO). Er hat das Vorbringen der Beklagten umfassend geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
2Insbesondere hat sich der Senat sowohl im Beschluss vom (WM 2011, 925 Rn. 32 ff.) als auch im Beschluss vom (WM 2011, 1506 Rn. 7 ff.) eingehend mit der Frage der Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für den Erwerb der Kapitalanlagen auseinandergesetzt. Die Beklagte verkennt in diesem Zusammenhang, dass gemäß den Ausführungen im Senatsbeschluss vom (aaO Rn. 35) die anlageberatende Bank die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Entscheidungskonflikts hat, der zum Nichteingreifen der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens führen würde. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens tritt bereits dann ein, wenn eine fehlerhafte Beratung feststeht. Nur dann, wenn bei einer zutreffenden Beratung ein Entscheidungskonflikt beim Anleger vorliegt, greift die Vermutung nicht ein. Diese der Bank günstige Ausnahme von der Regel muss die Bank, die sich darauf beruft, auch darlegen und gegebenenfalls beweisen. Dem entspricht entgegen der Ansicht der Revision auch die bisherige Handhabung durch den Senat.
II.
3Entgegen der Annahme der Beklagten, die sich auf eine Anmerkung von Nobbe (BKR 2011, 302 ff.) zu dem Senatsbeschluss vom (WM 2011, 925 ff.) bezieht, enthält der angegriffene Beschluss keine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innen- oder Vertriebsprovisionen, sondern wendet die bereits bisher geltenden Grundsätze an.
41. Wie bereits in dem Senatsbeschluss vom dargestellt, sind Innenprovisionen nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden. Über sie muss bei einem Fonds unter bestimmten Umständen aufgeklärt werden, weil sie Einfluss auf die Werthaltigkeit der vom Anleger erworbenen Anlage haben und deswegen bei diesem insoweit eine Fehlvorstellung herbeiführen können (Senatsbeschluss vom - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 22). Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Positionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, sodass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen kann, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, sodass dieser das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann (Senatsbeschluss vom - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 25).
5Danach handelt es sich in dem zugrunde liegenden Fall um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, weil in den Anlageprospekten zwar verschiedene Provisionen offen ausgewiesen sind, jedoch nicht angegeben wird, dass und in welcher Höhe die Beklagte als beratende Bank diese Provisionen teilweise - bezieht.
62. Die Auffassung, hierin liege eine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innenprovisionen bzw. Vertriebsprovisionen, lässt sich nicht auf das Senatsurteil vom (XI ZR 338/08, ZIP 2009, 2380 ff.) stützen. Aus diesem Urteil folgt keineswegs, dass "im Anlageprospekt offen ausgewiesene Innenprovisionen, d.h. im Anlagebetrag enthaltene Vertriebsprovisionen … expressis verbis keine aufklärungspflichtigen Rückvergütungen" sind. Diese - auch terminologisch verfehlte (der Begriff "offen ausgewiesene Innenprovision" ist ein Widerspruch in sich) - Annahme beruht - ebenso wie die Darstellung von Nobbe (aaO S. 302) - auf einer falschen Wiedergabe des Sachverhalts dieses Senatsurteils. Damals hatte die beratende Bank gerade keine versteckte "Innenprovision kassiert". Das lässt sich sowohl dem Senatsurteil als auch dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt sowie dessen Urteil im Parallelverfahren entnehmen. Der Senat hat an diesem Tag zwei Urteile zu im Wesentlichen gleich gelagerten Parallelfällen erlassen (Senatsurteil vom - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 ff. vollständig abgedruckt; Senatsurteil vom XI ZR 338/08, aaO vollständig abgedruckt, in WM 2009, 2306 f. in Auszügen abgedruckt). In diesen Fällen waren die Provisionen der Höhe nach korrekt im rechtzeitig übergebenen Prospekt angegeben. Die beratende Bank war ausdrücklich als Empfängerin dieser Provisionen genannt. Damit lagen diesen Fällen weder verheimlichte Rückvergütungen noch versteckte Innenprovisionen zugrunde.
7Dies hat der Senat mit der Formulierung "dem Inhalt und der Höhe nach korrekt ausgewiesen" zum Ausdruck gebracht (vgl. Senatsurteil in der Sache XI ZR 338/08 aaO Rn. 31). Das ergab sich auch schon aus den beiden vorangegangenen Berufungsurteilen. In dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, das dem Senatsurteil in der Sache XI ZR 338/08 voranging, heißt es ausdrücklich (OLG Frankfurt, Urteil vom - 23 U 17/06, juris Rn. 52): "Der Beklagten zu 1. kann auch nicht vorgeworfen werden, dass ihre Rechtsvorgängerin Rückvergütungen verschwiegen habe (vgl. BGHZ 170, 226ff. = BB 2007, 627ff.), da sie sich aus S. 36f. des Prospekts in Verbindung mit § 7 des Gesellschaftsvertrages, der als Anlage zum Prospekt genommen wurde, exakt ergeben." In dem Urteil, das dem Senatsurteil in der Sache XI ZR 337/08 voranging, heißt es wörtlich (OLG Frankfurt, Urteil vom - 23 U 348/05, juris Rn. 7): "Die C. werden bereits auf dem Titelblatt als die Bank genannt, die die Eigen- und Fremdkapitalvermittlung durchführt; Interessenten werden in dem Prospekt aufgefordert, sich an sie zu wenden."
8Deswegen waren die Anleger in diesen Fällen nicht nur über sämtliche Provisionen, sondern auch über die beratende Bank als Empfängerin aufgeklärt. Es lagen damit weder versteckte Innenprovisionen noch versteckte oder verheimlichte Rückvergütungen vor, sodass eine Aufklärungspflicht der beratenden Bank nicht bestand. Das ist auch in der sorgfältig und unvoreingenommen analysierenden Literatur so verstanden worden (vgl. u.a. Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 310 f.; Koch, BKR 2010, 177, 184; siehe auch Ellenberger in Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft, AGB in der Kreditwirtschaft, Bankrechtstag 2010, S. 37, 46 und 47 f. und in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 3. Aufl., Rn. 944 und aus der Rechtsprechung Umdruck S. 8 f. und , Umdruck S. 9).
93. Ebenso geht der Hinweis auf das im Senatsurteil vom in der Sache XI ZR 338/08 (aaO) zitierte Senatsurteil vom (XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rn. 15, 16) fehl. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Fall hatte die Anlegerin gerade nicht das Verschweigen von an den Anlageberater fließende Rückvergütungen gerügt, sondern nur, dass der Anteil der "weichen Kosten" am Gesamtaufwand unverhältnismäßig hoch sei (Senatsurteil aaO Rn. 3). Damit ging es in jenem Fall nicht um die Frage der verheimlichten Interessenkollision. Das Urteil befasst sich zudem in den Entscheidungsgründen lediglich allgemein mit den Grundsätzen zur Aufklärung über nicht im Prospekt ausgewiesene (versteckte) Innenprovisionen, nicht jedoch mit Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen an den Anlageberater (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, ZIP 2010, 824, 827; , juris, Rn. 64;Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 312 f.).
104. Entbehrt mithin die Annahme, aus den Senatsurteilen vom und ergebe sich, dass aufklärungspflichtige Rückvergütungen bereits dann nicht vorlägen, wenn die betreffenden Provisionen als solche im Anlageprospekt ausgewiesen seien, jeder Grundlage, kann auch keine Rede davon sein, der Senatsbeschluss vom enthalte eine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innenprovisionen bzw. Vertriebsprovisionen. Vielmehr entspricht er insoweit, als der Anleger danach darüber aufzuklären ist, dass und in welcher Höhe die beratende Bank die offen ausgewiesenen Provisionen bezieht, dem Senatsurteil vom (aaO Rn. 31). Zugleich verbleibt es dabei, dass die Nennung von Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen als Quelle der Rückvergütungen nicht abschließend, sondern nur beispielhaft zu verstehen ist.
III.
11Zu Unrecht ist die Beklagte unter Berufung auf Nobbe (aaO) weiter der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Revision gemäß § 552a ZPO lägen nicht vor, weil in der obergerichtlichen Rechtsprechung streitig sei, ob eine Pflicht der beratenden Bank bestehe, Kunden über Innenprovisionen aufzuklären; angesichts der divergierenden obergerichtlichen Urteile lägen vielmehr die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) auf der Hand. Dies verkennt bereits im Ansatz, dass sich die Frage, ob die beratende Bank über von ihr bezogene Innenprovisionen, also im Anlagebetrag versteckte Provisionen, aufklären muss, im zu entscheidenden Fall nicht stellt. Hier geht es allein darum, ob die Beklagte als beratende Bank darüber aufklären muss, dass und in welcher Höhe sie Empfängerin der im Anlageprospekt offen ausgewiesenen Leistungen ist, damit der Anleger ihr besonderes Interesse an der Empfehlung gerade dieser Anlage erkennen kann.
12Unverständlich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beklagten auf den (WM 2011, 1117), durch den der eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisende Beschluss des Senats vom (XI ZR 155/06, juris) betreffend einen Ausgleichsanspruch des Ausfall- gegen den Regelbürgen aufgehoben worden ist. Dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Revision auch wegen einer Frage zuzulassen ist, die sich in dem betreffenden Rechtsstreit nicht stellt.
Wiechers Ellenberger Maihold
Matthias Pamp
Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 3231 Nr. 44
EAAAD-91464