BGH Beschluss v. - XII ZR 153/09

Rechtliches Gehör im Mietrechtsstreit: Gehörsverstoß bei Ablehnung von Beweisanträgen zur Kenntnis der Mietpartei von einem Mangel des Mietobjekts

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 535 BGB, § 536 BGB

Instanzenzug: Az: 28 U 3936/08vorgehend LG München I Az: 6 O 23420/05

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

2Das Berufungsgericht hat, wie die Beklagte zu Recht rügt, deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

31. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, die Beklagte habe vor Abschluss des Mietvertrages mit der Klägerin gewusst, dass die für den vertragsgemäßen Gebrauch des Mietobjekts erforderlichen Stellplätze nicht vorhanden und auch nicht zu erlangen gewesen seien.

4Dabei ist es davon ausgegangen, dass dem damaligen Vorstand der Beklagten H. aus seiner Vorstandstätigkeit für die Vormieterin ein früherer Genehmigungsbescheid der zuständigen Baubehörde und damit die fehlende Genehmigungsfähigkeit von Stellplätzen auf dem Mietgrundstück bekannt gewesen sei. Das Bestreiten der Beklagten sei deshalb "unbehelflich".

5Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass der damalige Vorstand der Beklagten H. der Klägerin versichert habe, zu den vorhandenen 12 Stellplätzen auf dem Mietgrundstück gebe es noch die Möglichkeit der Anmietung weiterer Stellplätze. Diese Annahme hat das Berufungsgericht auf die Aussage des von der Klägerin benannten Zeugen B. gestützt.

62. Diese Beurteilungen verletzen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör, weil das Berufungsgericht entscheidungserheblichen und unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten übergangen hat.

7a) Die Beklagte hat behauptet, ihrem damaligen Vorstand H. sei die Stellplatzproblematik und auch die der Vormieterin erteilte Baugenehmigung nicht bekannt gewesen. Erst durch ein nach Mietvertragsabschluss erhaltenes Schreiben der Lokalbaukommission habe er einen Hinweis auf eine mögliche Genehmigungsproblematik erhalten. Er habe auch vor der endgültigen Unterzeichnung des Mietvertrages gegenüber der Klägerin keine Zusagen über Stellplätze auf dem Mietgrundstück oder in der Umgebung gemacht.

8Zum Beweis für diese Behauptungen hat sich die Beklagte zunächst auf die Vernehmung des H. als Partei berufen und, nachdem H. im Laufe des Berufungsverfahrens sein Amt als Vorstand der Beklagten niedergelegt hatte, ihn ausdrücklich als Zeugen für diese Behauptungen benannt.

9Das Berufungsgericht durfte deshalb ohne Vernehmung des Zeugen H. nicht davon ausgehen, dass er in seiner Eigenschaft als Vorstand der Vormieterin Kenntnis von der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der erforderlichen Stellplätze hatte und dass er der Klägerin gegenüber versichert hat, zu den vorhandenen Stellplätzen auf dem Mietgrundstück gebe es noch die Möglichkeit der Anmietung weiterer Stellplätze.

10b) Das Berufungsgericht durfte auch nicht aus anderen Gründen von der Vernehmung des Zeugen H. absehen. Insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Beweisantrags nach § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO nicht vor. H. war bis zu seinem Ausscheiden als Vorstand der Beklagten - zu einem Zeitpunkt vor der ersten Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht - Partei, erst danach erhielt er die Stellung als Zeuge (vgl. Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 373 Rn. 4). Darauf hat die Beklagte alsbald hingewiesen. Eine Benennung des H. als Zeuge war nicht früher möglich und damit auch nicht nachlässig.

11c) Soweit das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten als unbehelflich angesehen und damit zum Ausdruck gebracht hat, die Kenntnis des H. von der fehlenden Zulässigkeit der Stellplätze sei bereits bewiesen, liegt darin ein Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung und damit ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

12d) Das angefochtene Urteil beruht auch auf den Gehörsverletzungen, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem abweichendem Ergebnis gelangt wäre, wenn es den von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis erhoben hätte.

133. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung weiter darauf gestützt, dass der Beklagten die Stellplatzproblematik auf dem Mietgrundstück vor Mietvertragsabschluss auch deshalb bekannt gewesen sei, weil nicht nur die Vormieterin, sondern auch die Beklagte ihre Verwaltung in dem Mietobjekt gehabt habe und auch ihre Mitarbeiter überwiegend identisch gewesen seien.

14Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dieser Sachverhalt von keiner Partei vorgetragen worden ist. Soweit die Klägerin sich zur Nutzung des Mietobjekts geäußert hat, bezieht sich dies auf spätere Zeiträume. Auch ist nicht vorgetragen, dass die Mitarbeiter der Vormieterin und der Beklagten überwiegend identisch gewesen seien und eine Funktion hatten, die eine Wissenszurechnung an die Beklagte ermöglicht. Allein der Umstand, dass die Vormieterin eine Tochtergesellschaft der Beklagten war, reicht für diese Annahme nicht aus.

15Durch die Zugrundelegung des nicht vorgetragenen Sachverhalts hat das Berufungsgericht die Beklagte in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. - JR 2010, 33 Rn. 4).

164. Das Berufungsgericht hat eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der (mangels Stellplätzen) fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Mietobjekts verneint. Diese Annahme hat es u.a. darauf gestützt, dass die vernommenen Zeugen keinen Nachweis für die Behauptung der Beklagten erbracht hätten, der Architekt der Klägerin sei am bei seinem Besuch bei der Lokalbaukommission im Besitz des der Vormieterin 1999 erteilten Genehmigungsbescheids gewesen.

17Bei dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht den von der Beklagten vorgelegten, unstreitig von der Sachbearbeiterin bei der Lokalbaukommission, der Zeugin M.      , gefertigten Aktenvermerk nicht gewürdigt, aus dem sich ergibt, dass die Architekten der Klägerin am mit einer Baugenehmigung aus dem Jahr 1999 bei ihr erschienen sind.

18Es hat weiter den von der Beklagten vorgelegten Schriftsatz der Klägerin in einem Rechtsstreit zwischen ihr und dem Makler unbeachtet gelassen, in dem die Klägerin vorgetragen hatte, dass ihr Architekt B. am die der Vormieterin erteilte Baugenehmigung aus dem Jahr 1999 von der Zeugin M.      erhalten habe.

19Damit hat das Berufungsgericht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, den Prozessstoff und das Beweisergebnis nicht umfassend gewürdigt (vgl. Musielak/Ball ZPO 7. Aufl. § 546 Rn. 9 mwN) und dadurch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

20Das Berufungsurteil beruht auch auf dem Gehörsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei umfassender Würdigung eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin angenommen und das Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB anders beurteilt hätte.

Hahne                                      Vézina                                   Dose

                  Klinkhammer                                 Günter

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Fundstelle(n):
ZAAAD-91457