BSG Beschluss v. - B 14 AS 30/11 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zulässigkeit der Berufung - Wert des Beschwerdegegenstandes - Anforderungen an die Beschwerdebegründung

Gesetze: § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 144 Abs 1 S 2 SGG

Instanzenzug: Az: S 17 AS 132/08 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 6 AS 328/09 Beschluss

Gründe

1Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>). Der Kläger hat zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.

2Der Kläger stützt seine Beschwerde als erstes auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Er rügt, dass das LSG seine Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme von 750 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG als unzulässig verworfen habe, obwohl seine Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG betroffen habe. Wird zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen, so liegt ein Verfahrensmangel vor, weil beides jeweils eine qualitativ andere Entscheidung ist und sowohl ein Entscheidungs- als auch ein Verfahrensmangel vorliegen (seit BSGE 1, 183; BSGE 2, 245, 252 ff; BSGE 15, 169, 172; BSG SozR 1500 § 160a Nr 55).

3Die Voraussetzungen dieses Verfahrensmangels sind jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Denn nach dieser ist zwischen den Beteiligten die Höhe des ernährungsbedingten Mehrbedarfes nach § 21 Abs 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) des Klägers umstritten. Entgegen der Ansicht des Beklagten und des LSG lasse sich dieser Streit nicht auf die Zeit von September 2007 bis Februar 2008 begrenzen, über die der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid entschieden habe. Vielmehr müsse beachtet werden, dass nach einem Attest des den Kläger behandelnden Arztes dieser Mehrbedarf zumindest für die Zeit vom bis zum bestehe.

4Mit diesem Vortrag wird der behauptete Verfahrensmangel nicht dargetan. Denn zur Bestimmung des Beschwerdewertes oder des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 SGG ist nicht nur auf den Vortrag des Berufungsführers im Berufungsverfahren abzustellen, sondern dessen Antrag im Berufungsverfahren mit seinem Antrag vor dem Sozialgericht (SG) zu vergleichen. Denn andernfalls könnte der Berufungsführer durch eine entsprechende Antragstellung im Berufungsverfahren die mit dem § 144 Abs 1 SGG verfolgte Beschränkung des Berufungszugangs beliebig unterlaufen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, VIII, RdNr 14 f; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 144 RdNr 14). Welchen genauen Antrag der Kläger vor dem SG und welchen genauen Antrag er vor dem LSG gestellt hat sowie welcher Beschwerdewert bzw welche wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr als Beschwerdegegenstand sich daraus ergibt, ist jedoch der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Dies aufzuzeigen wäre aber vor allem auch deswegen notwendig gewesen, weil die Höhe eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein eigenständiger Streitgegenstand ist, sondern ein Teil des in der Regel für sechs Monate zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II (vgl §§ 19, 21, 41 SGB II; - SozR 4-4200 § 21 Nr 9, RdNr 11).

5Soweit der Kläger darüber hinaus in materiell-rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins eV zur Gewährung von Krankenkostzulage eine Abweichung des LSG von einer Entscheidung des BSG nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG rügt, mangelt es an der Darstellung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Abweichung und Grundsatzfrage. Ein entsprechender Vortrag wäre vor allem deswegen geboten gewesen, weil das LSG - nach der Beschwerdebegründung - nicht in der Sache entschieden, sondern eine Prozessentscheidung erlassen hat.

6Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2011:040711BB14AS3011B0

Fundstelle(n):
IAAAD-90015