Kein Anspruch auf Kindergeld für ausländerrechtlich bzw. aufenthaltsrechtlich lediglich geduldete Ausländer
Gesetze: EStG § 62 Abs. 2, GG Art. 3 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
1 Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsvertreters wird abgelehnt.
2 1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
3 2. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem Vorbringen der —anwaltlich vertretenen— Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) lassen sich keine Gründe entnehmen, die zur Zulassung der Revision führen könnten.
4 a) Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es z.B., wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof (BFH) geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2009, 976, m.w.N.). Eine Frage ist auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748, und vom III B 89/03, BFH/NV 2004, 1221). Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, rechtfertigt noch nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (z.B. , BFH/NV 2008, 1438).
5 aa) Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, einem Ausländer, dessen Aufenthalt ausländerrechtlich oder aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet ist, keinen Anspruch auf Kindergeld einzuräumen (z.B. , BFHE 217, 443, BStBl II 2009, 905; vom III R 54/02, BFHE 220, 45, BStBl II 2009, 913; vom III R 4/09, BFH/NV 2011, 248). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält es in seinem Beschluss vom 2 BvR 1957/08 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 292) für naheliegend, dass eine Ungleichbehandlung von Ausländern, die sich lediglich geduldet in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gegenüber denjenigen Ausländern, denen ein Anspruch auf Kindergeld aus § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zukommt, schon deswegen gerechtfertigt sein könnte, weil der Aufenthalt lediglich geduldeter Ausländer nicht rechtmäßig ist und dass es gerechtfertigt sein kann, Personengruppen, die nicht abgeschoben werden können und die ihrer Ausreisepflicht auch nicht freiwillig nachkommen, von Sozialleistungen auszuschließen, wenn ihr Existenzminimum —wie hier im Streitfall durch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)— anderweitig gesichert wird.
6 Im Urteil in BFHE 220, 45, BStBl II 2009, 913 hat der Senat zudem dargelegt, weshalb er die im (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1247) vorgebrachten Bedenken gegen die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern in § 62 Abs. 2 EStG (s. Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom , BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) nicht teilt. Das BVerfG hat inzwischen die Vorlage des FG Köln als unzulässig beurteilt (Beschluss vom 2 BvL 4/07, BFH/NV 2010, 153, red. Leitsatz).
7 Dem Vorbringen der Klägerin lassen sich keine neuen Gesichtspunkte entnehmen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der durch den BFH bereits geklärten Rechtsfragen geboten erscheinen lassen.
8 bb) Sinngemäß hält die Klägerin ferner die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob es gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, dass bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II ein Kindergeldanspruch für Kinder deutscher Staatsangehörigkeit zwar dann bestehe, wenn ihre Eltern ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit haben, nicht aber auch dann, wenn die Eltern, wie hier die Klägerin, Ausländer seien. Insoweit würden deutsche Kinder ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
9 Auch insoweit kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Denn die erhobene Rüge genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus, vielmehr ist dazu —hier unterblieben— eine an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ori-entierte Auseinandersetzung erforderlich (z.B. , BFH/NV 2008, 1459).
10 Abgesehen davon liegt der behauptete Verfassungsverstoß auch nicht vor. Das Kindergeldrecht knüpft in § 62 EStG nicht an die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Titel der Kinder, sondern ihrer Eltern an, denn es geht um die Kindergeldberechtigung der Eltern und nicht um die der Kinder. Die in § 62 EStG insoweit u.a. getroffene Unterscheidung zwischen Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit und Eltern, die, wie die Klägerin, nicht freizügigkeitsberechtigt und aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet sind, ist jedoch sachlich gerechtfertigt (vgl. die Nachweise oben unter 2.a lit. aa).
11 cc) Sinngemäß hält die Klägerin ferner für klärungsbedürftig, ob die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG mit Art. 14 i.V.m. Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar sei. Auch insoweit kommt eine Zulassung der Revision jedoch nicht in Betracht.
12 Macht ein Beschwerdeführer geltend, eine Norm verstoße gegen Europarecht, so genügt es nicht, den Verstoß nur mit allgemeinen Wendungen zu behaupten. Erforderlich ist vielmehr eine substantiierte, an den Vorgaben des Europarechts und der einschlägigen Rechtsprechung (hier insbesondere des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte —EGMR— zur EMRK) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (z.B. , nicht amtlich veröffentlicht). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Ihr Vortrag erschöpft sich insoweit in dem Hinweis auf die Entscheidung des EGMR vom Az. 59140/00, Okpisz (BFH/NV 2006, Beilage 3, 357) sowie darauf, dass auch nach der gesetzlichen Neufassung „Beschränkungen im Kindergeldbezug aufgrund des Umstands, dass bestimmte Aufenthaltsgenehmigungen vorhanden sind oder nicht” gelten würden.
13 b) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge, das FG habe nicht geprüft, ob auch die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG gegen die EMRK verstoße, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des EGMR in BFH/NV 2006, Beilage 3, 357 zur alten Fassung des Gesetzes ergangen sei. Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieser Rüge trifft die Behauptung der Klägerin nicht zu. Denn das FG hat seine Entscheidung insoweit u.a. darauf gestützt, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG der Aufforderung des BVerfG nachgekommen sei, gegen die Neuregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden und die Nichtgewährung von Kindergeld in einem Fall wie dem der Klägerin daher Art. 8 und Art. 14 der EMRK nicht widerspreche.
14 3. Kommt danach die Bewilligung von PKH nicht in Betracht, ist auch der Antrag der Klägerin, ihr Rechtsanwältin X nach § 142 FGO i.V.m. § 121 ZPO als Rechtsvertreter beizuordnen, abzulehnen.
15 4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).
Fundstelle(n):
AAAAD-89806