BGH Beschluss v. - I ZB 86/10

Kostenfestsetzungsverfahren: Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die im Verfügungsverfahren entstandene Verfahrensgebühr

Gesetze: Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV, Teil 3 Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, § 15a RVG

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 4 W 241/10 Beschlussvorgehend Az: 416 O 313/07 Beschluss

Gründe

1I. Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im Jahr 2007 vor dem Land- und Oberlandesgericht Hamburg in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Erfolg auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Kosten des Verfahrens auf Erlass der einstweiligen Verfügung hat das Oberlandesgericht den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens und der Berufung sind der Antragsgegnerin auferlegt worden. Die Antragstellerin hat im Kostenfestsetzungsverfahren die hälftige Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3100 RVG VV aus einem Gegenstandswert von 100.000 € begehrt. Da die Prozessbevollmächtigten in derselben Angelegenheit für die Antragstellerin bereits vorgerichtlich tätig waren, hat die Rechtspflegerin eine hierdurch angefallene 1,3-fache Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 RVG VV unter Berufung auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV zur Hälfte von der Verfahrensgebühr in Abzug gebracht und die der Antragstellerin im Erlassverfahren zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 917,73 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben.

2Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Festsetzung der hälftigen 1,3-fachen Verfahrensgebühr entsprechend der Kostenquotelung weiter.

3II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die vorgerichtlich für die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin entstandene 1,3-fache Geschäftsgebühr sei zur Hälfte auf die im Erlassverfahren entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen mit der Folge, dass sich letztere entsprechend verringere. Der am in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe dem nicht entgegen, da diese Bestimmung aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall keine Anwendung finde.

52. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6a) Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die durch die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten im Verfügungsverfahren entstanden ist, ist im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht aufgrund der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu kürzen.

7b) Bis zum Inkrafttreten des § 15a RVG am entsprach es allerdings der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV eine in derselben Angelegenheit angefallene Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird (vgl. , NJW 2007, 2049 Rn. 11; Versäumnisurteil vom - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500 Rn. 11 f.; Beschluss vom - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 Rn. 6; Beschluss vom - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095 Rn. 4; Beschluss vom - IV ZB 26/07, Rn. 6, juris; Beschluss vom - VII ZB 93/07 Rn. 5, juris ; Beschluss vom - I ZB 30/08, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.).

8Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt, dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben die mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs den Standpunkt eingenommen, dass die Regelung in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert, sondern diese lediglich klargestellt hat. Dieser Auffassung hat sich der Senat - nicht zuletzt auch im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - angeschlossen und hält dementsprechend an seiner gegenteiligen Ansicht nicht mehr fest ( Rn. 12, juris, mwN).

93. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.

10Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV ist bei der Kostenfestsetzung in voller Höhe zu berücksichtigen, weil keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne von § 15a Abs. 2 RVG bestehen. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts abzuändern. Die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten sind danach antragsgemäß auf 6.428,91 € nebst Zinsen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festzusetzen.

11Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Büscher                                Pokrant                                Kirchhoff

                       Koch                                 Löffler

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Fundstelle(n):
XAAAD-88848