BGH Beschluss v. - 2 StR 166/11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Gera vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Zu Unrecht ist das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen vom Vorliegen von Mordmerkmalen ausgegangen.

1. Die Annahme der Schwurgerichtskammer, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Das Landgericht hat bei der von ihm vorzunehmenden Gesamtwürdigung übersehen, dass der Angeklagte, der angesichts seines Hin- und Hergerissenseins zwischen zwei Frauen schon in der Vergangenheit mehrere Suizidversuche unternommen hatte, auch von Verzweiflung getrieben war und sich selbst im Anschluss an die Tötung seiner Ehefrau in ernsthaft suizidaler Absicht lebensgefährliche Verletzungen beigebracht hat. Dies durfte nicht unberücksichtigt bleiben, weil es die Bewertung der Kammer, der tief gekränkte und wütende Angeklagte habe allein aus verletzter Eitelkeit und verletztem Stolz gehandelt und damit krasse Selbstsucht offenbart, unvollständig erscheinen lässt. Ob angesichts dessen von nach allgemeiner sittlicher Anschauung als verachtenswert und auf tiefster Stufe stehenden Beweggründen des Angeklagten bei der Tötung ausgegangen werden kann, erscheint fraglich und bedarf deshalb erneuter umfassender tatrichterlicher Prüfung.

2. Soweit das Landgericht darüber hinaus angenommen hat, der Angeklagte habe heimtückisch gehandelt, ist auch dies nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar ist gegen die Feststellung einer objektiven Heimtückelage angesichts des überraschend von hinten geführten Messerstichs nichts zu erinnern. Die nicht näher begründete Annahme allerdings, der Angeklagte habe diese Situation bewusst ausgenutzt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hierfür ist es zwar genügend, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die Lage der angegriffenen Person erkennt, er sich damit bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. Fischer StGB 8. Aufl. § 211 Rn. 14 mwN). Dies dürfte auch regelmäßig bei einem Messerangriff von hinten anzunehmen sein. Doch hat das Landgericht in dieser besonderen Fallgestaltung an dieser Stelle die mit der Mitteilung der endgültigen Trennungsabsicht durch die Ehefrau entstandene Zuspitzung der Situation, die psychische Ausgangslage des Angeklagten sowie seine im Augenblick der Tatausführung gegebene Alkoholisierung nicht erkennbar bedacht. Diese Umstände aber können, insbesondere auch in ihrem Zusammenwirken, Anzeichen dafür sein, dass dem Angeklagten das erforderliche Bewusstsein gefehlt hat (vgl. mwN). Deshalb hätte sich das Landgericht mit diesen zusätzlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen müssen. So kann der Senat nicht ausschließen, dass die Schwurgerichtskammer bei gebotener Berücksichtigung der genannten Umstände zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung gelangt wäre.

3. Die festgestellten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils insgesamt, auch wenn die Annahme einer vorsätzlichen Tötung an sich rechtlichen Bedenken nicht begegnet. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, sich vor dem Hintergrund der psychischen Ausgangslage des Angeklagten und seiner Alkoholisierung erneut eingehend mit der Frage seiner Schuldfähigkeit auseinanderzusetzen.

Fundstelle(n):
UAAAD-88836