Attraktivität als Kriterium bei Auswahl von Fahrgeschäften
Gesetze: § 70 Abs 3 GewO
Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 8 A 1779/10 Beschluss
Gründe
1Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm die Beklagte zu Unrecht die Zulassung mit seinem Autoscooter-Fahrgeschäft zum in der Zeit vom 23. bis veranstalteten "Kalten Markt" in O. versagt habe. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (1.) und der Divergenz (2.) liegen nicht vor, § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.
31. Bei der Grundsatzrüge muss der Beschwerdeführer eine abstrakte, von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage des revisiblen Rechts bezeichnen und substantiiert darlegen, warum er diese Rechtsfrage für klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren für klärungsfähig hält; ferner muss er dartun, warum deren Tragweite über den konkreten Einzelfall hinausreicht und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (stRspr; vgl. u.a. Beschlüsse vom - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>, vom - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 und vom - BVerwG 8 B 121.09 - juris). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Beschwerdeschrift nicht gerecht.
4Auf die Frage,
ob es rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich ein Schausteller mit seinem Fahrgeschäft für den gleichen Zeitraum im Zusammenhang zu mehr als einer Veranstaltung bewirbt, und ob im Falle der Absage einer hiergegen gerichteten Fortsetzungsfeststellungsklage das Feststellungsinteresse fehlt,
kommt es nicht an, weil der Verwaltungsgerichtshof von einer zulässigen Feststellungsklage ausgegangen ist.
5Die Frage,
ob im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 70 Abs. 3 GewO bei der Beurteilung der Attraktivität die - unterstellte - Erwartungshaltung des Publikums in den Blick genommen werden kann, die auf die Beibehaltung "bekannt und bewährt" gewordener Fahrgeschäfte gerichtet sein kann,
bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn die Fragen bezüglich der Grenzen einer Auswahlentscheidung gemäß § 70 Abs. 3 GewO und der zulässigen Verteilungskriterien sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Der Anspruch gemäß § 70 Abs. 1 GewO auf Veranstaltungsteilnahme wird gemäß § 70 Abs. 3 GewO unter anderem dadurch eingeschränkt, dass der Veranstalter unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung den Interessenten wegen Platzmangels durch Ermessensentscheidung (Auswahlentscheidung) von der Veranstaltung ausschließen darf. Das dem Veranstalter eingeräumte Ermessen ist danach insoweit begrenzt, als eine Ausschließung nur bei Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes erlaubt ist. Erfolgt der Ausschluss wegen Platzmangels, muss der zwischen den Bewerbern angelegte Verteilungsmaßstab sachlich gerechtfertigt sein. Was sachlich gerechtfertigt ist, bestimmt sich nach dem allgemeinen Gleichheitssatz unter Berücksichtigung des Lebenssachverhalts, in dessen Rahmen das Ermessen ausgeübt wird. Ein Rechtsgrundsatz, dass nur oder vorrangig nach Auswahlkriterien wie Attraktivität, Neuartigkeit, Vielseitigkeit gleichartiger Fahrgeschäfte ausgewählt werden dürfe, besteht nicht, auch wenn derartige Kriterien ebenfalls Gesichtspunkte für eine sachgerechte Auswahlentscheidung darstellen können, wenn dies dem Veranstaltungszweck entspricht. Die "Attraktivität" eines Fahrgeschäfts kann sich vor allem in der Publikumsresonanz niederschlagen. Es kann durchaus dem Veranstaltungszweck entsprechen, auch ältere oder weniger vielseitige Fahrgeschäfte zuzulassen (vgl. BVerwG 6 B 63.05 - GewArch 2006, 81 f.). Allerdings darf das Auswahlkriterium der Attraktivität nicht verabsolutiert und so ausgelegt und gehandhabt werden, dass Neubewerbern oder Wiederholungsbewerbern, die nicht kontinuierlich auf dem Markt vertreten waren, praktisch keine Zulassungschance verbleibt. Eine Auswahlentscheidung, der ein System zugrunde liegt, dass solchen Bewerbern weder im Jahre der Antragstellung noch in einem erkennbaren zeitlichen Turnus eine Zulassungschance einräumt, liegt in jedem Fall außerhalb der Ermessensgrenzen des § 70 Abs. 3 GewO ( BVerwG 1 C 26.82 - Buchholz 451.20 § 70 GewO Nr. 2). Dieses Urteil erging zu einer Auswahlentscheidung, die sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts von der Erwägung hat leiten lassen, auf unbegrenzte Zeit das Merkmal "bekannt und bewährt" bei der Platzverteilung ausschlaggebend sein zu lassen; es gilt aber für andere Merkmale gleichermaßen, wenn sie denselben Effekt haben.
6Nach den tatsächlichen Feststellungen, die den Senat mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, erfolgte die Auswahlentscheidung hinsichtlich des Traditionsmarktes "Kalter Markt" nicht in Anwendung von Maßstäben, die Neubewerbern oder bislang erfolglosen Wiederholungsbewerbern keine Zulassungschance gelassen hätten. Die Marktsatzung des Beklagten sieht in § 5 Abs. 3 hiernach unter anderem neben dem Begriff der Attraktivität von Geschäften gleichberechtigt die weiteren Auswahlkriterien "bekannt und bewährt" und den Gesamteindruck der Anlage sowie ihre Kompatibilität mit dem Marktgeschehen im Übrigen vor. Feststellungen dazu, dass sich der Kläger schon mehrfach erfolglos um Zulassung zum "Kalten Markt" bemüht haben soll, sind der Entscheidung des Berufungsgerichts im Übrigen nicht zu entnehmen.
72. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.
8Die Beschwerde benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit der der Verwaltungsgerichtshof einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ( BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen der Divergenz nicht ( BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).
9Die Beschwerde macht in diesem Zusammenhang lediglich geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof das nicht richtig angewendet habe. Dessen ungeachtet liegt auch keine derart unrichtige Anwendung vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs waren die Auswahlkriterien "alt und bewährt" weder nach der Satzung der Beklagten noch tatsächlich allein ausschlaggebend.
Fundstelle(n):
TAAAD-88605