Versagung der Restschuldbefreiung: Bestellung einer nicht valutierten Fremdgrundschuld als Vermögensverschwendung
Leitsatz
Die Belastung eines Grundstücks mit einer Fremdgrundschuld, die keine Forderung sichert, stellt eine Vermögensverschwendung dar .
Gesetze: § 290 Abs 1 Nr 4 InsO
Instanzenzug: LG Dresden Az: 5 T 347/09 Beschlussvorgehend AG Dresden Az: 549 IN 160/06
Gründe
I.
1Am beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie Restschuldbefreiung. Am wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 3 (fortan: Verwalter) zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Schlusstermin beantragten die weiteren Beteiligten zu 1 und zu 2, die erste Ehefrau und die minderjährige Tochter des Schuldners (fortan: Gläubigerinnen), die Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner durch Leistung einer Zahlung auf fremde Schuld und durch die Bestellung zweier Grundschulden Vermögen verschwendet habe sowie seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Das Insolvenzgericht hat den Antrag wegen fehlender Glaubhaftmachung abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerinnen ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wollen die Gläubigerinnen weiterhin die Versagung der Restschuldbefreiung erreichen.
II.
2Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
31. Der angefochtene Beschluss übergeht entscheidungserhebliches Vorbringen der Gläubigerinnen und verletzt damit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG).
4a) Hinsichtlich des Versagungsgrundes der Vermögensverschwendung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) wegen einer Zahlung auf fremde Schuld haben die Gläubigerinnen vorgetragen, der Schuldner habe am die letzte Rate für einen Wohnwagen in Höhe von 3.206,20 € bezahlt, obwohl er den Wohnwagen zuvor, nämlich am , gegen Übernahme der Restraten an seine damalige Lebensgefährtin und heutige Ehefrau E. S. veräußert habe. Das Beschwerdegericht hat diesen Vortrag für "unschlüssig" gehalten, weil es sich um Mutmaßungen gehandelt habe und die Gläubigerinnen nicht ernstlich behauptet hätten, dass ihre Mutmaßungen zuträfen. Diese Würdigung des Vorbringens der Gläubigerinnen ist nicht nachzuvollziehen. Im Schriftsatz vom , auf den das Beschwerdegericht sich bezieht, erläutern die Gläubigerinnen anhand der von ihnen vorgelegten Unterlagen, warum die Mittel für die Rückzahlung des Darlehens aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssten; im weiteren Schriftsatz vom , auf welchen das Beschwerdegericht ebenfalls verweist, heißt es sodann, der Vorwurf, dass der Schuldner die Zahlung aus seinem Vermögen erbracht habe, bleibe aufrecht erhalten. Die Zahlung von 3.206,20 € auf die Schuld eines Dritten stellt eine Vermögensverschwendung im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO dar.
5b) Hinsichtlich des Versagungsgrundes des Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) haben die Gläubigerinnen vorgetragen, der Schuldner habe der Gläubigerin zu 1, die am Erwerb seines Wohn- und Geschäftshauses interessiert gewesen sei und es habe besichtigen wollen, den Zutritt verweigert. Das Beschwerdegericht hat hier keinen Pflichtverstoß gesehen, weil es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe; nach dem im Anhörungstermin gewonnenen Eindruck hätte sich der Schuldner einem nachdrücklichen Verlangen des Verwalters auf Duldung der Besichtigung nicht verschlossen. Die Gläubigerinnen hatten sich zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens jedoch auf einen Bericht des Verwalters bezogen, in dem es heißt, der Schuldner sei nicht dazu zu bewegen gewesen, eine Innenbesichtigung zuzulassen. Gemäß § 97 Abs. 2 InsO ist der Schuldner verpflichtet, den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Dazu gehört es, einem Kaufinteressenten den Zutritt zu einem bebauten Grundstück zu ermöglichen, um so eine möglichst günstige Verwertung des Grundstücks zu ermöglichen (§ 159 InsO).
62. Überdies hält die Begründung, mit welcher das Beschwerdegericht hinsichtlich der Eintragung der Grundschulden den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO für nicht erfüllt erachtet hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7a) Der Schuldner war Eigentümer eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks. Im Jahre 2005 bestellte er zugunsten seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, die keine Forderungen gegen ihn hatte, zwei Grundschulden in Höhe von je 250.000 €, die am eingetragen wurden. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt nicht wertausschöpfend belastet; die vorrangigen Grundpfandrechte valutierten nur noch in Höhe von etwa 22.000 €.
8b) Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Schuldner habe sein Verhalten hinreichend gerechtfertigt. Er habe die Grundschulden seinen Alt- oder Neugläubigern als Gegenleistung für eine Stundung oder Sicherheit für ein weiteres Darlehen anbieten wollen und sei überdies stets davon ausgegangen, dass die Grundschulden anfechtbar oder kondizierbar gewesen seien. Objektiv sei daher nur eine Vermögensgefährdung eingetreten, die keine Vermögensverschwendung darstelle; subjektiv scheide eine fahrlässige Verschwendung oder Verschwendungsabsicht aus.
9c) Die Belastung eines Grundstücks zugunsten eines Dritten, dem keine zu sichernde Forderung gegen den Schuldner zusteht, stellt unabhängig davon eine Vermögensverschwendung dar, ob die Belastung nach dem Anfechtungsgesetz, nach den Vorschriften der Insolvenzordnung (§§ 129 ff InsO) oder nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff BGB) rückgängig gemacht werden könnte oder der Schuldner davon ausgehen kann, der Dritte werde die Grundschulden gegebenenfalls als Drittsicherheit zur Verfügung stellen.
10aa) Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch vereitelt hat, dass er Vermögen "verschwendet" hat. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung sollten mit diesem Begriff vor allem Ausgaben für Luxusaufwendungen erfasst werden (BT-Drucks. 12/2443, 190). Eine Verschwendung iSv § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist aber auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausgaben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen (, ZVI 2006, 511 Rn. 9; vom - IX ZB 199/08, ZVI 2009, 453 Rn. 3). Auch die schenkweise Hergabe von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass kommt als Verschwendung in Betracht, wenngleich eine nach § 134 InsO anfechtbare Schenkung für sich genommen nicht ohne weiteres den Versagungsgrund ausfüllt (, NZI 2009, 325 Rn. 10). In einer nicht veröffentlichten Entscheidung hat der Senat es als "Verschwendung" angesehen, ein Haus unentgeltlich einem Dritten zur Nutzung zu überlassen (, Rn. 2). Ob das Verheimlichen oder Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO erfasst wird, ist umstritten (ablehnend Uhlenbruck/Vallender, InsO 13. Aufl. § 290 Rn. 52). In der Kommentarliteratur wird vertreten, dass der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO bereits dann erfüllt ist, wenn ein Schuldner die Einzelzwangsvollstreckung erschwert, um so die Befriedigung der Gläubiger zu beeinträchtigen (Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 290 Rn. 17).
11bb) Das schlichte Verbergen eines Vermögensgegenstandes erfüllt nicht den Begriff der „Verschwendung“ im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO, auch dann nicht, wenn dadurch der Zugriff von Gläubigern auf diesen Gegenstand erschwert oder sogar vereitelt wird. Ein Gegenstand, über den der Schuldner noch verfügen kann, kann schon begrifflich nicht verschwendet worden sein. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Der Schuldner hat keine Eigentümergrundschulden bestellt, sondern das Grundstück zugunsten seiner jetzigen Ehefrau belastet. Nur diese kann nunmehr über die Grundschulden verfügen, sie etwa als Sicherheit für ein neu aufzunehmendes Darlehen oder als Gegenleistung für die Stundung einer Forderung zur Verfügung stellen. Der Schuldner selbst ist nicht mehr verfügungsbefugt. Dass die Weggabe des Vermögensgegenstandes anfechtbar ist, schließt die Annahme einer "Verschwendung" nicht aus. Schenkungen, die nicht nur gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert darstellen, sind nach § 4 AnfG oder § 134 InsO anfechtbar, können nach dem oben Gesagten aber durchaus unter den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO fallen, weil sich das Vermögen des Schuldners hierdurch verringert hat. Ob die Zuwendung kondiziert werden kann, was hier im Hinblick auf § 814 BGB durchaus in Frage steht, ist ebenfalls unerheblich. Ein Schuldner, der Restschuldbefreiung beantragen will, mag die sein Vermögen mindernde Verfügung rückgängig machen, wenn dies noch möglich ist, um sich nicht dem Vorwurf der Vermögensverschwendung auszusetzen; tut er dies nicht, bleibt es also bei der Vermögenseinbuße, hat er die Folge - die (mögliche) Versagung der Restschuldbefreiung - hinzunehmen. Entscheidend ist allein, dass die Grundschulden ohne äußeren Anlass und ohne Gegenleistung aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sind.
12d) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts setzt der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO keine "Verschwendungsabsicht" oder eine auf das Tatbestandsmerkmal der Verschwendung bezogene besondere Fahrlässigkeit voraus. Zu prüfen ist, ob der Schuldner infolge der Verschwendung vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat.
III.
13Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen (§ 577 Abs. 4 ZPO), das die geltend gemachten Versagungsgründe vollständig neu zu prüfen haben wird. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Das Beschwerdegericht ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner sich im Schlusstermin zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines vom Versagungsantragsteller dargelegten Versagungsgrundes zu erklären hat. Tatsachen, die im Schlusstermin unstreitig waren, können nachträglich nicht mehr bestritten werden (, NZI 2009, 256 Rn. 9). Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, ist der Schuldner jedoch rechtzeitig vor dem Schlusstermin darauf hinzuweisen, dass Versagungsanträge gegen ihn gestellt werden können und er in der Regel nur im Schlusstermin zu diesen Anträgen Stellung nehmen kann (, WM 2011, 839 Rn. 12). Ist ein solcher Hinweis nicht erfolgt, muss der Schuldner Gelegenheit zur nachträglichen Stellungnahme erhalten (Art. 103 Abs. 1 GG).
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2011 S. 1481 Nr. 31
ZAAAD-88467