BGH Beschluss v. - III ZB 6/11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Lübeck, 6 O 38/01 vom OLG Schleswig, 11 U 43/02 vom

Gründe

I. Die Kläger nehmen den Beklagten wegen notarieller Amtspflichtverletzung in Höhe von 32.190,54 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage nach mündlicher Verhandlung vom abgewiesen.

Hiergegen haben sich die Kläger mit der Berufung gewehrt. Ihrem Antrag auf Fristverlängerung zur Begründung der Berufung hat der Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts entsprochen und die Frist bis zum verlängert. Während des Laufs der Frist haben die Kläger beantragt, den Rechtsstreit

gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Zur Begründung haben sie angeführt, dass es in dem Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche aus § 19 Abs. 1 BNotO gehe. Neben der geltend gemachten Haftung des Notars komme möglicherweise eine Haftung ihres Steuerberaters in Betracht. Ob dies der Fall sei, hänge von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab, bei der es um die Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG gehe. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom das Verfahren gemäß § 148 ZPO ausgesetzt, weil die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgreiflich sei.

Im Januar 2004 hat das Berufungsgericht bei den Klägern angefragt, in welchem Stand sich das dem Aussetzungsantragschriftsatz zugrunde liegende verfassungsgerichtliche Verfahren befinde und welches Aktenzeichen dieses Verfahren habe. Der Prozessvertreter der Kläger teilte mit, dass das Aktenzeichen beim Bundesverfassungsgericht "2 BvL 17/02" laute. Im Folgejahr recherchierte der Berichterstatter des Berufungsgerichts als tatsächlich einschlägiges Aktenzeichen des Verfassungsgerichts "2 BvL 2/04". Das Bundesverfassungsgericht hat mit Schreiben vom mitgeteilt, dass das dem Aktenzeichen 2 BvL 2/04 zugrunde liegende Normenkontrollverfahren mit Beschluss vom abgeschlossen worden sei. Dies ist vom Berufungsgericht den Parteivertretern am mitgeteilt worden. Zugleich ist auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung hingewiesen worden. Mit Schriftsatz vom hat sich der Prozessvertreter der Kläger gegen die Auffassung des Berufungsgerichts gewandt, die Berufung sei wegen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist unzulässig. Er hat um eine angemessene Fristverlängerung für die Berufungsbegründung von zwei Monaten

gebeten. Im Übrigen hat er um einen Hinweis gebeten, um gegebenenfalls noch innerhalb der Monatsfrist des § 234 ZPO die Wiedereinsetzung zu beantragen. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember hat der Prozessvertreter der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da er vor dem Hinweis keine Kenntnis von der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erlangt habe.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch ist sie geeignet, der Fortbildung des Rechts zu dienen; auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Berufungsbegründungsfrist habe am mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Normenkontrollverfahren erneut zu laufen begonnen, da ab diesem Zeitpunkt die Wirkungen der Aussetzung gemäß § 148 ZPO entfallen seien. Dies geschehe ipso iure, sobald das andere Verfahren, um dessentwillen ausgesetzt wurde, zum endgültigen Abschluss gebracht worden sei. Einer Aufnahmeerklärung einer Partei oder der Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses

bedürfe es nicht. Darauf, ob die Kläger Kenntnis von dem Ausgang des Bezugsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht gehabt hätten, komme es nicht an. Jedenfalls hätten sie am durch die Mitteilung des Berufungsgerichts Kenntnis erhalten. Die Berufungsbegründungsfrist sei deshalb am abgelaufen, ohne dass eine Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei unzulässig, da die versäumte Prozesshandlung der Begründung der Berufung nicht innerhalb der Antragsfrist des § 234 ZPO nachgeholt worden sei. Die Kläger hätten die Gelegenheit gehabt, die Berufung innerhalb eines Monats nach Kenntnis von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem vorgreiflichen Verfahren am zu begründen und die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Eine Nachholung der versäumten Prozesshandlung sei nach Fristablauf nicht mehr möglich. Auf die Nachholung der versäumten Prozesshandlung könne auch nicht verzichtet werden, um den Klägern statt dessen eine Frist von zwei Monaten zur Berufungsbegründung zu gewähren. Die von den Klägern angeführte Entscheidung des (NJW 1987, 1191) sei mit dem hiesigen Verfahren nicht vergleichbar. Den Klägern habe nach dem Fortfall des Aussetzungsgrunds die volle Berufungsbegründungsfrist zur Verfügung gestanden. Danach hätten sie noch die Möglichkeit gehabt, diese Prozesshandlung innerhalb der Frist des § 234 ZPO nachzuholen, nachdem sie auf die Entscheidung in der vorgreiflichen Rechtssache hingewiesen worden seien. Rechtliches Gehör sei deshalb in ausreichender Weise gewährt worden.

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Kläger haben die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten. Die Frist zur Begründung der Berufung nach § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO betrug einen Monat; sie begann spätestens am und endete am (Montag).

aa) Die Frist zur Begründung der Berufung begann am , da zu diesem Zeitpunkt die mit Beschluss des Berufungsgerichts vom angeordnete Aussetzung des Verfahrens endete. Ist ein Verfahren bis zur Erledigung eines anderen Verfahrens nach § 148 ZPO ausgesetzt, so endet die Aussetzung mit der Erledigung dieses Verfahrens; einer Aufhebungserklärung seitens der Parteien oder eines Aufhebungsbeschlusses bedarf es nicht (, BGHZ 106, 295, 298; OLG Oldenburg MDR 2008, 763, 764; OLG Köln VersR 2002, 68; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 148 Rn. 41; MünchKomm-ZPO/Wagner, 3. Aufl., § 148 Rn. 19; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 148 Rn. 21; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 3. Aufl., § 148 Rn. 64; Prütting/Gehrlein/Dörr, ZPO, 3. Aufl., § 148 Rn. 21; Hk-ZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 148 Rn. 8).

bb) Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, die Beendigung des Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht am könne keine verfahrensbeendende Wirkung gehabt haben, da dieses Verfahren nicht im Aussetzungsbeschluss genannt worden sei. Dieser habe allgemein eine vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Rechtsfrage bezeichnet und nicht an ein konkretes Verfahren angeknüpft.

Zwar wird im Aussetzungsbeschluss kein konkretes Aktenzeichen für ein Ausgangsverfahren beim Bundesverfassungsgericht genannt, dessentwegen

die Aussetzung erfolgt ist. Dass hier gleichwohl die Aussetzung wegen eines bestimmten verfassungsgerichtlichen Verfahrens angeordnet werden sollte, ergibt sich zum einen daraus, dass die in dem Beschluss angesprochene Frage der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre vom Bundesverfassungsgericht nicht allgemein, sondern nur im Rahmen der Entscheidung eines konkreten verfassungsgerichtlichen Verfahrens beantwortet wird. Ein solches Verständnis des Aussetzungsbeschlusses hat das Berufungsgericht durch die Anfrage bei den Klägern, welches konkrete Verfahren ihrem Aussetzungsantrag zugrunde gelegen habe, deutlich gemacht. Auch der Klägervertreter hat den Aussetzungsbeschluss entsprechend verstanden und ein Aktenzeichen, das er für einschlägig hielt, dem Berufungsgericht genannt.

Die Kläger machen im vorliegenden Fall auch nicht geltend, dass das nunmehr vom Berufungsgericht herangezogene verfassungsgerichtliche Verfahren nicht das hier für die Aussetzung des Rechtsstreits maßgebliche gewesen ist. Im Übrigen handelt es sich um dasjenige Verfahren, das zuletzt geendet hat. Alle weiteren, auch das vom Klägervertreter auf die gerichtliche Anfrage genannte Verfahren mit anderem Aktenzeichen, sind zeitlich jedenfalls nicht später beendet worden. Deshalb hat das Berufungsgericht mit dem Abstellen auf die Beendigung des Normenkontrollverfahrens mit dem Aktenzeichen "2 BvL 2/04" den für die Kläger günstigsten Zeitpunkt der Beendigung der Aussetzung angenommen. Sonst wäre die Berufungsbegründungsfrist möglicherweise noch früher abgelaufen.

cc) Die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F., § 26 Nr. 5 EGZPO betrug einen Monat und hat gemäß § 249 Abs. 1 ZPO mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von neuem zu laufen

begonnen. Den Klägern hat nicht etwa deshalb eine längere Frist zur Verfügung gestanden, weil das Berufungsgericht auf ihren Antrag die ursprüngliche Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom bis zum verlängert hatte. Gemäß § 249 Abs. 1 ZPO wird nach Beendigung der Aussetzung die gesetzliche Frist in Lauf gesetzt. Dabei ist es unerheblich, ob diese Frist zuvor bis zu einem bestimmten Termin, der bereits verstrichen ist, verlängert worden war (vgl. , BGHZ 64, 1, 4 f).

dd) Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, auf ihren Antrag vom hätte das Berufungsgericht eine Fristverlängerung gewähren müssen. Da die Begründungsfrist zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrags bereits abgelaufen war, kam eine Verlängerung nicht mehr in Betracht (vgl. , NJW 2009, 1149 Rn. 13; Beschluss vom - VI ZB 26/91, BGHZ 116, 377, 378 f).

b) Vergeblich wenden sich die Kläger auch gegen die Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs. Gemäß § 236 Abs. 2 ZPO ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist des § 234 ZPO nachzuholen. Da diese Frist, soweit es um die Begründung von Rechtsmitteln geht, mit Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom (BGBl. I S. 2198) - und zwar mit Wirkung auch für bereits anhängige Verfahren (vgl. Zöller/Greger, aaO § 234 Rn. 1) - von zwei Wochen auf einen Monat verlängert wurde, hätten die Kläger nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gelegenheit gehabt, die Berufung innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung vom Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht am zu begründen. Da nach dem hier noch einschlägigen § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO

a.F. die Berufungsbegründungsfrist ebenfalls einen Monat betrug, konnte sich im konkreten Fall die fehlende Kenntnis der Kläger vom verfassungsgerichtlichen Verfahren in keiner Weise nachteilig auswirken: Den Klägern hat auch unter Berücksichtigung des Wiedereinsetzungsverfahrens die volle Berufungsbegründungsfrist zur Verfügung gestanden. Eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG oder des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG kommt daher nicht in Betracht. Fehl geht deshalb auch der Hinweis der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 74, 220 = NJW 1987, 1191), zumal sich auch die dortige prozessuale Situation von der vorliegenden dadurch unterscheidet, dass hier die unterbliebene Begründung der Berufung nicht auf einer Zurückweisung der Berufung als unzulässig beruht.

Fundstelle(n):
BAAAD-88462