OGAW-IV-Umsetzungsgesetz; Anwendungsfragen im Zusammenhang mit der Änderung des Kapitalertragsteuerverfahrens
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu den von Ihnen im Bezugsschreiben [Schreiben v. – ST.01.03 – Sk/Gg] aufgeworfenen Fragen nimmt das BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung (zur besseren Verständlichkeit hat das BMF den Text Ihrer Fragen wiedergegeben und um Antworten des BMF ergänzt):
1. Definition von Aktien im Sinne des § 43 Absatz 1 S. 1 Nummer 1a EStG
Die Kreditwirtschaft geht davon aus, dass der Begriff „Aktien” eng und in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften zur Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktien auszulegen ist. Demzufolge sind neben Aktien auch ADRs, GDRs und IDRs sowie Anteile an REIT-Aktiengesellschaften erfasst, nicht jedoch eigenkapital- oder rentenähnliche Genussrechte sowie Wandelanleihen und Gewinnobligationen. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind auch Aktien der Investment-Aktiengesellschaften, für die die Regelungen des Investmentsteuergesetzes gelten.
Das BMF bittet um Bestätigung.
BMF: Das BMF stimmt Ihrer Auffassung zu.
2. Erstattung der Kapitalertragsteuer bei Verwahrung im Ausland
Die Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer auf Dividenden im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG bei Verwahrung der Aktien im Ausland ist nach Auffassung des BMF weiterhin ausschließlich über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vorzunehmen. Diese Absicht des Gesetzgebers kommt unseres Erachtens auch deutlich in den vorgesehenen Änderungen des § 50d EStG und der diesbezüglichen Begründung des Regierungsentwurfs (S. 159 f) zum Ausdruck. Wünschenswert wäre allerdings eine klarstellende Ergänzung des § 44b Absatz 1 EStG um Kapitalerträge im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG.
Das BMF bittet um Bestätigung ihrer Interpretation und um eine Klarstellung, dass § 44b Absatz 1 EStG im Vorgriff auf eine künftige Ergänzung im vorbeschriebenen Sinne anzuwenden ist.
BMF: Für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige und in den Fällen des § 44a Absatz 5 EStG auch für beschränkt einkommensteuerpflichtige Gläubiger der Kapitalerträge ist bei Verwahrung der Aktien in dem Depot eines ausländischen Finanz- oder Kreditinstituts mit Ausnahme der Depots einer inländischen Zweigniederlassung oder dem Depot einer ausländischen Zweigniederlassung eines inländischen Finanz- oder Kreditinstituts § 44b Absatz 1 bis 4 EStG analog anzuwenden. Dasselbe gilt für nicht steuerbefreite unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige und in den Fällen des § 44a Absatz 5 EStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gläubiger der Kapitalerträge.
3. Steuerbescheinigung für Steuerausländer
Ausländische Gläubiger von inländischen Dividenden können künftig eine Kapitalertragsteuererstattung beim Bundeszentralamt für Steuern nur noch unter Vorlage einer Steuerbescheinigung im Sinne des § 45a Absatz 2 EStG erhalten (§ 50d Absatz 1 Satz 4, 8 EStG – neu).
Das BMF geht davon aus, dass für ausländische Gläubiger, soweit es sich um natürliche Personen handelt, grundsätzlich eine Steuerbescheinigung nach Muster I erstellt werden soll. Die Bescheinigung würde dann als Jahressteuerbescheinigung bzw. als zeitraumbezogene Steuerbescheinigung im Summenausweis alle Erträge des Jahres/Zeitraums umfassen, die beim Steuerausländer dem Steuerabzug unterliegen. In diesen Fällen wird aber künftig häufig der Bedarf entstehen, eine Einzelsteuerbescheinigung zu erstellen, insbesondere bei im Auftrag erstellten Steuerbescheinigungen bei Auslandsverwahrung.
Das BMF bittet daher, das Steuerbescheinigungsmuster I dahingehend zu ergänzen, dass es Einzelsteuerbescheinigungen für beschränkt Steuerpflichtige zulässt. Alternativ käme in Betracht, Muster III, das die Möglichkeit von Einzelsteuerbescheinigungen vorsieht, für Steuerbescheinigungen bei Einkünften von beschränkt Steuerpflichtigen vorzusehen; dieses Muster ist ohnehin um Kapitalerträge im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG zu ergänzen.
BMF: Im Vorgriff auf eine förmliche Änderung des Musters III kann dieses um die Angabe „§ 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG” ergänzt und in diesen Fällen auch für beschränkt Steuerpflichtige ausgestellt werden.
4. Problem der doppelten Kapitalertragsteuerbelastung deutscher Anleger bei Zwischenverwahrung im Ausland
Soweit inländische Kreditinstitute Aktienbestände im Ausland verwahren (z. B. bei Clearstream Luxemburg), führt dies dazu, dass es zu einem doppelten Einbehalt von Kapitalertragsteuer kommt. Zunächst löst die Zahlung der letzten inländischen auszahlenden Stelle (z. B. Clearstream Frankfurt) ins Ausland einen Steuerabzug aus. Sobald dann das inländische Kreditinstitut, das Aktien im Ausland verwahrt, die Dividende seinen Kunden gutschreibt, muss es erneut einen Steuerabzug vornehmen und über diesen Steuereinbehalt eine Steuerbescheinigung ausstellen. Dem Kunden könnte damit nur der nach einer doppelten Kapitalertragsteuerbelastung verbleibende Betrag ausgezahlt werden. Dies gilt es zu vermeiden.
Grundsätzlich könnte daran gedacht werden, den inländischen Kunden die Kapitalertragsteuer, die bereits bei Zahlung ins Ausland einbehalten und abgeführt wurde, erstatten zu lassen. Die hierfür benötigte Steuerbescheinigung müsste von dem inländischen depotführenden Institut auf den Namen seines Kunden über die ausländische Lagerstelle von dem Institut angefordert werden, das den Steuerabzug bei Zahlung ins Ausland vorgenommen hat. Die Erstattung könnte dann der Steuerpflichtige unter Vorlage der Steuerbescheinigung beim BZSt beantragen. Diese Vorgehensweise eignet sich allerdings nicht für die Abwicklung in einem Massenverfahren, wie es künftig zu erwarten sein wird. Häufig ist nicht nur eine ausländische Lagerstelle, sondern eine Kette von Lagerstellen im Ausland eingeschaltet, so dass die Praktikabilität des Verfahrens von der Mitwirkungsbereitschaft jeder einzelnen Stelle abhängt. Diese kann nach den bisherigen Erfahrungen jedoch nicht unterstellt werden. Selbst bei grundsätzlicher Mitwirkungsbereitschaft ist die Weiterleitung der Bescheinigungsanträge je nach Länge der Verwahrkette äußerst personal- und zeitintensiv, da hierfür bislang kein IT-gestütztes Verfahren existiert. Dies steht einer zeitnahen Abrechnung von Dividenden im Rahmen eines Kapitalertragsteuerverfahrens gravierend entgegen. Um Liquiditätsnachteile für Kunden darüber hinaus noch so gering wie möglich zu halten, bestünde zudem die Notwendigkeit, für deutsche Privatanleger die Möglichkeit einer Einzelsteuerbescheinigung in den beschriebenen Fällen der Auslandsverwahrung einzuräumen (analog Punkt 3), um eine zeitnahe Erstattung beim BZSt zu ermöglichen.
Die Kreditwirtschaft sucht derzeit nach einer allgemein anwendbaren, möglichst IT-gestützten Lösung der Problematik der Zwischenverwahrung im Ausland. Das BMF wird daher mit dieser Angelegenheit zu gegebenem Zeitpunkt nochmals auf Sie zukommen.
BMF: Da Sie noch keinen Vorschlag machen, wird von einer Stellungnahme derzeit abgesehen.
5. Bereitstellung der Steuerliquidität für ausschüttungsgleiche Erträge durch Inlandsfonds
Die inländischen Investmentvermögen haben über ihre Depotbank den auszahlenden Stellen die für den Steuerabzug auf die ausschüttungsgleichen Erträge notwendige Steuerliquidität zur Verfügung zu stellen. Diese beinhaltet neben der Kapitalertragsteuer den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer in Höhe von 9 % (vgl. Bericht des Finanzausschusses (BT-Drs. 17/5417, Seite 21). Der Gesetzgeber äußert sich allerdings an dieser Stelle nicht ausdrücklich zur Berücksichtigung eventueller ausländischer Quellensteuer.
Das BMF geht davon aus, dass bei der Ermittlung der Steuerliquidität eine anrechenbare ausländische Quellensteuer grundsätzlich mindernd zu berücksichtigen ist. Dies entspricht der bisherigen Berechnungsweise der inländischen thesaurierenden Investmentvermögen im Hinblick auf die an die Finanzverwaltung abzuführenden Steuerbeträge. Allerdings würde dann den auszahlenden Stellen im Hinblick auf den bei betrieblichen Anlegern oder Steuerausländern vorzunehmenden Steuerabzug zu wenig Liquidität zur Verfügung stehen, da bei diesen Gläubigern die ausländische Quellensteuer nicht angerechnet wird. Nach Auffassung des BMF haben daher die Investmentgesellschaften zum einen die Kapitalertragsteuer ohne Anrechnung ausländischer Quellensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag ohne Kirchensteuer (Annahme: Betriebliche Anleger bzw. Steuerausländer) zu ermitteln und mit dem Betrag der Kapitalertragsteuer unter Anrechnung ausländischer Quellensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und 9 %-iger Kirchensteuer (Annahme: Private inländische Anleger) zu vergleichen und den höheren der beiden Beträge als Liquidität zur Verfügung zu stellen. Damit stünde für den korrekten Steuerabzug aller Anlegergruppen eine ausreichende Liquidität zur Verfügung.
Das BMF bittet um Bestätigung dieses Berechnungsverfahrens.
BMF: Das BMF stimmt Ihrer Auffassung zu.
Der jeweils Entrichtungspflichtige hat den zur Verfügung gestellten Betrag zum Einbehalt der im Einzelfall zutreffenden Steuerabzugsbeträge zu verwenden. Übersteigt im Einzelfall der zur Verfügung gestellte Betrag die einzubehaltenden Steuerabzugsbeträge, hat der Entrichtungspflichtige den Mehrbetrag an den Anleger auszuzahlen oder ihm bei entsprechender Vereinbarung zusätzliche Anteile zuzuteilen.
6. Verbleibende Erstattungsfälle im Sinne des § 7 Absatz 5 und 6 InvStG – neu
Das BMF bittet, die in den neu gefassten Absätzen 5 und 6 des § 7 InvStG erwähnten verbleibenden Erstattungsfälle, für die künftig die inländische Investmentgesellschaft zuständig sein wird, näher zu präzisieren. Bisher wird in Absatz 5 nur auf die Fälle des § 44a Absatz 4 und des § 44b Absatz 1 Satz 1 EStG Bezug genommen. Die im Bericht des Finanzausschusses (BT-Drs. 17/5417, Seite 23) zu Absatz 6 genannten Beispiele für Erstattungsfälle bei Steuerausländern (Treuhandfälle, Personengesellschaften, Tafelgeschäfte, Auslandsverwahrung) könnten auch im Zusammenhang mit Absatz 5 genannt werden, der sich mit inländischen Erstattungsberechtigten befasst. Das BMF reget an, einen abschließenden Katalog der verbleibenden Erstattungsfälle für beide Absätze zu definieren.
Ferner bittet das BMF klarzustellen, dass die vorzunehmenden Erstattungen seitens der Investmentgesellschaft über das für sie zuständige Betriebstättenfinanzamt abzuwickeln sind.
Im Hinblick auf die Anwendung des § 7 Absatz 6 S. 3 InvStG-E benötigen die Investmentgesellschaften im Interesse der Rechtssicherheit entweder eine Regelung, wonach sie auf eine Erklärung der dort genannten Anleger vertrauen dürfen, dass diese die Erstattungsvoraussetzungen erfüllen, oder das Bundesfinanzministerium veröffentlicht eine Liste der insoweit erstattungsberechtigten Anleger.
BMF: Eine abschließende Liste mit Ausschlusswirkung wäre eine materielle Typisierung, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist.
Auf die Frage der Erstattungsfälle wird das BMF noch gesondert zurückkommen, da deren Darstellung bei gleichzeitiger Festlegung der Fälle einer Abstandnahme durch die inländische Kreditwirtschaft erfolgen sollte.
Die Entlastung für EU- und EWR-Pensionskassen gilt nicht nur nach § 7 Absatz 6 InvStG, sondern wegen § 44a Absatz 4 Satz 6 EStG auch bei der Direktanlage. Es ist daher geplant, eine Liste derjenigen Rechtsformen im Internet bereit zu stellen, die deutschen Pensionskassen entsprechen und in ihrem Sitzstaat nicht wie steuerpflichtige Pensionsfonds deutschen Rechts behandelt werden. Eine verbindliche Beurteilung jeder einzelnen ausländischen Einrichtung ist nicht möglich.
Den Ausgleich für vorzunehmende Erstattungen hat die Investmentgesellschaft gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt des Investmentvermögens geltend zu machen.
Inhaltlich gleichlautend
BMF v. - IV C 1 -
S 2400/11/10002 : 001
Bayerisches Landesamt
für Steuern v. - S
1980.1.1-25/11 St32
Bayerisches Landesamt
für Steuern v. - S
2252.2.1-68/3
St32
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BB 2011 S. 1814 Nr. 30
DStR 2011 S. 10 Nr. 29
DStZ 2011 S. 883 Nr. 24
EStB 2011 S. 298 Nr. 8
FR 2011 S. 779 Nr. 16
StB 2011 S. 262 Nr. 8
KAAAD-87166