BFH Urteil v. - V R 25/10

Umsatzsteuerliche Beurteilung des "Strohmann"-Geschäfts

Leitsatz

Entsprechend der Anwendung des § 3 Abs. 3 UStG und § 3 Abs. 11 UStG auf Kommissionsverhältnisse kann es auch bei Strohmann- und Treuhandgeschäften zu einer Verdoppelung der Leistungsbeziehungen kommen, so dass z.B. der " Hintermann" an den "Strohmann" und dieser an den Abnehmer liefert oder leistet.
Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der "Hintermann" als tatsächlich Handelnder die Leistungen im Namen des Strohmannes ausgeführt hat, z.B. gegenüber dem Leistungsempfänger als Angestellter des Vertragspartners (des Strohmannes oder Treuhänders) oder als dessen Subunternehmer aufgetreten ist.
Sind die Kommissionsgrundsätze maßgebend, gelten für die Leistungen des "Hintermannes" dieselben Kriterien, die für die Beurteilung der Leistungen des Kommissionärs bzw. Strohmannes maßgeblich sind. Ist die Tätigkeit für den Auftraggeber (Kommittent oder "Hintermann") nachhaltig im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG, hat auch dieser die ihm nach § 3 Abs. 3 UStG oder § 3 Abs. 11 UStG zuzurechnenden Leistungen als Unternehmer erbracht.
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss von Fall zu Fall anhand der einschlägigen materiell-rechtlichen oder verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsvorschriften beurteilt werden.
Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit eines Änderungsbescheids zu richten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein - wirksamer - Steuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht.

Gesetze: UStG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, UStG § 2 Abs. 1, UStG § 3 Abs. 3, UStG § 3 Abs. 11, AO § 119 Abs. 1, AO § 125 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Streitjahren 1993 und 1994 Vermittlungsumsätze an die F-GmbH zuzurechnen sind.

2Der Kläger war zunächst als angestellter Handelsvertreter der F-GmbH im Bereich der Kundenakquisition und -beratung für .sanierungen tätig.

3Da ihm selbst ab dem öffentlich-rechtlich untersagt worden war, selbstständig eine Handelsvertretung zu betreiben, meldete auf seine Veranlassung ab Februar des Streitjahres 1993 seine frühere Lebensgefährtin A ein Einzelunternehmen mit dem Geschäftszweck „Altbausanierungsvertretung” an. Die F-GmbH rechnete gegenüber A die Provisionen zum Teil durch Gutschriften ab; teilweise wurden der F-GmbH Rechnungen im Namen der A erteilt. Die fälligen Beträge zahlte die F-GmbH auf ein hierfür auf Veranlassung des Klägers eröffnetes Konto der A, über das der Kläger verfügen konnte.

4Wegen der Vermittlungsumsätze für die F-GmbH erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegenüber A auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhende Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre, wobei es die Zahlungen der F-GmbH an A zugrunde legte (1993: 222.487 DM und 1994: 344.413 DM).

5Der Kläger gab zunächst anhand entsprechend ausgestellter Lohnsteuerbescheinigungen für 1993 und 1994 vor, als Angestellter der A tätig gewesen zu sein und in dieser Funktion auf Rechnung der A für die F-GmbH Aufträge vermittelt zu haben.

6Im Jahr 1998 erklärte er u.a. für das Streitjahr 1994 nachträglich Betriebseinnahmen aus einer Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter (61.009,62 DM). Aufgrund dieser Angaben setzte das FA u.a. für das Streitjahr die Umsatzsteuer 1994 durch Bescheid vom fest.

7Im Anschluss an das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts vom Juli 2004, das den Kläger wegen Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hatte und dabei von Betriebseinnahmen in Höhe von 168.310,96 DM (1993) und 286.358,72 DM (1994) ausging, und unter Bezugnahme auf den Bericht der Steuerfahndung vom , wonach die F-GmbH dem Kläger für seine Vermittlungen Vergütungen in Höhe von 112.389,21 DM (1993) und 306.959,81 DM (1994) bezahlt habe, ging das FA davon aus, tatsächlich habe der Kläger das Einzelunternehmen der A auf eigenes Vergütungsrisiko wie ein selbstständiger Handelsvertreter geführt, ohne an deren Weisungen gebunden zu sein. Der Kläger habe weitgehend über die eingehenden Zahlungen verfügen können, da er Zugriff auf die Konten der A gehabt und diese ihrerseits die auf ihrem Konto eingehenden Zahlungen als Mittel des Klägers angesehen habe. Das FA erließ daraufhin am ausgehend von Provisionen in Höhe von 112.389,21 DM (1993) und 306.959,81 DM (1994) die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und setzte für 1993 erstmals Umsatzsteuer in Höhe von 14.659,50 DM und für das Streitjahr 1994 nunmehr mit 40.038,20 DM fest.

8Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging aufgrund der Feststellungen im Strafurteil des Amtsgerichts S davon aus, dass der Kläger seine Anstellung bei der F-GmbH aufgegeben habe, weil er im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit einen höheren Verdienst habe erzielen können, dass er das Gewerbe ohne an Weisungen der A gebunden zu sein „faktisch…selbständig” geführt und dessen Umsätze tatsächlich allein erwirtschaftet habe, während A selbst im Rahmen der Handelsvertretertätigkeit wesentliche Aufgaben weder wahrgenommen habe noch dazu in der Lage gewesen sei. Auch sah das FG als erwiesen an, dass der Kläger tatsächlich über die auf dem für A geführten Bankkonto gutgeschriebenen Provisionen der F-GmbH habe verfügen können und verfügt habe und in Übereinstimmung damit A ihrerseits die dort eingegangenen Geldbeträge als dem Kläger zustehend betrachtet habe. Da er tatsächlich auf eigenes Vergütungsrisiko als selbstständiger Handelsvertreter aufgetreten und nicht an Weisungen der A gebunden gewesen sei, habe er selbstständig eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und sei Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG). Offen bleiben könne, ob der Kläger oder A —Letztere auf Rechnung des Klägers— gegenüber der F-GmbH aufgetreten sei. Im letzten Fall habe der Kläger im Innenverhältnis umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die A erbracht. Dem Erlass der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre stehe —wie zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig ist— die Festsetzungsverjährung nicht entgegen.

9Die Entscheidung des FG ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte” 2011, 664 veröffentlicht.

10Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das FG habe dem Kläger die bei A erfassten Umsätze nicht zurechnen dürfen, weil es ihn zu Unrecht als Unternehmer angesehen habe. Maßgeblich für die Zurechnung der Umsätze sei, ob im Außenverhältnis gegenüber der F-GmbH der Kläger oder A als Leistender aufgetreten sei.

11Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom und die Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 vom aufzuheben.

12Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13Im Streitfall liege kein schriftlicher Handelsvertretervertrag zwischen der F-GmbH und dem Kläger und der A vor. Der Kläger sei entweder selbst Vertragspartner der F-GmbH gewesen oder habe als Hintermann mit der F-GmbH vereinbart, dass die Rechtswirkungen aus den zwischen der A und der F-GmbH geschlossenen Rechtsgeschäften ihn treffen sollten. Es sei nach allen denkbaren Sachverhaltsabläufen zutreffend, dem Kläger die Vermittlungsumsätze zuzurechnen.

14II. Die Revision wegen Umsatzsteuer 1993 ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Revision wegen Umsatzsteuer 1994 führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger jedenfalls Umsätze in der vom FA festgesetzten Höhe zu versteuern hat. Hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 ist die Sache jedoch nicht spruchreif, denn die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob der angefochtene Änderungsbescheid vom inhaltlich bestimmt ist.

151. Bei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Leistungen bestimmt sich die Person des Leistenden nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.

16a) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2006, 139, und vom V R 22/02, BFH/NV 2004, 233, sowie , BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, jeweils m.w.N.).

17b) Ohne Bedeutung ist, ob der im eigenen Namen Handelnde auch auf eigene Rechnung tätig ist.

18aa) Ein Kommissionär erbringt auch dann eigene Leistungen, wenn er bei der im Rahmen einer Verkaufskommission erfolgenden Lieferung eines Gegenstandes im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, der seines Kommittenten, handelt, wie sich aus § 3 Abs. 3 UStG ergibt. Zugleich liegt nach dieser Vorschrift auch eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär vor, obwohl es sich zivilrechtlich um eine Geschäftsbesorgung des Kommissionärs für den Kommittenten handelt. Ebenso geht Art. 5 Abs. 4 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) vom Vorliegen einer Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär bei der Übertragung eines Gegenstandes aufgrund einer Verkaufskommission aus. Das Entgelt für die Lieferung des Kommittenten richtet sich nach dem Entgelt für die Lieferung des Kommissionärs, von dem die dem Kommissionär zivilrechtlich vereinbarte Provision abzuziehen ist.

19Gleiches gilt auch in den Streitjahren für den „Verkauf” sonstiger Leistungen. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG erfasste § 3 Abs. 11 UStG auch in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung nicht nur den „Leistungseinkauf”, sondern auch den „Leistungsverkauf” (, BFHE 190, 235, BStBl II 2004, 308; vom V R 66/99, BFHE 191, 458, BStBl II 2004, 310; vom V R 40, 41/00, BFHE 197, 377, BStBl II 2004, 315; vom V R 8/02, BFHE 199, 88, BStBl II 2004, 320; vom V R 6/02, BFH/NV 2003, 517).

20bb) Von einer Leistung durch denjenigen, der im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelt, ist auch bei Strohmann- und Treuhandgeschäften auszugehen. Sofern der Strohmann oder der Treuhänder Unternehmer i.S. des § 2 UStG ist und im Rahmen seines Unternehmens handelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), steht es einer einem Strohmann oder dem Treuhänder zuzurechnenden Leistung oder einem Leistungsbezug nach § 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG nicht entgegen, dass sie (Strohmann und Treuhänder) auf fremde Rechnung tätig sind (, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628; in BFH/NV 2004, 233, und in BFH/NV 2006, 139, und BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622). Die gegenteilige Rechtsprechung des XI. Senats des BFH hat der im Zeitpunkt der Entscheidung ausschließlich für die Umsatzsteuer zuständige V. Senat ausdrücklich aufgegeben (BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.b für , BFH/NV 1995, 168). Dabei ist zwischen der Leistungserbringung und dem Leistungsbezug durch Treuhänder oder Strohmänner nicht zu differenzieren, da die Bestimmung von Leistendem und Leistungsempfänger nach einheitlichen Grundsätzen erfolgt (vgl. , BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, und vom V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876).

21Entsprechend der Anwendung des § 3 Abs. 3 UStG und § 3 Abs. 11 UStG auf Kommissionsverhältnisse kann es auch bei Strohmann- und Treuhandgeschäften zu einer Verdoppelung der Leistungsbeziehungen kommen, so dass z.B. der „Hintermann” an den „Strohmann” und dieser an den Abnehmer liefert oder leistet.

22Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der „Hintermann” als tatsächlich Handelnder die Leistungen im Namen des Strohmannes ausgeführt hat, z.B. gegenüber dem Leistungsempfänger als Angestellter des Vertragspartners (des Strohmannes oder Treuhänders) oder als dessen Subunternehmer aufgetreten ist (vgl. , BFH/NV 2010, 1597).

23c) Unbeachtlich ist das „vorgeschobene” Strohmanngeschäft aber, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann” eintreten sollen (vgl. § 41 Abs. 2 der AbgabenordnungAO—; ausführlich BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c; vgl. auch , BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass derjenige, mit dem oder in dessen Namen das Rechtsgeschäft abgeschlossen wird (sog. Strohmann), selbst keine eigene —ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende— Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622; , BFH/NV 2010, 259).

242. Im Streitfall kann offen bleiben, ob der Kläger die Leistungen unmittelbar an die F-GmbH erbracht hat, weil Vereinbarungen zwischen der GmbH und A nur zum Schein getroffen wurden und den unmittelbaren Leistungsbezug vom Kläger verdecken sollten, oder ob der Kläger entgeltliche Leistungen im Rahmen eines Kommissions- oder Strohmannverhältnisses an A erbracht hat.

25Denn in jedem der beiden Fälle liegen entgeltliche Leistungen des Klägers vor, für die er nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG Steuerschuldner ist. In beiden Fällen hat der Kläger auch als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG gehandelt. Sind die Kommissionsgrundsätze maßgebend, gelten für die Leistungen des „Hintermannes” dieselben Kriterien, die für die Beurteilung der Leistungen des Kommissionärs bzw. Strohmannes maßgeblich sind. Ist die Tätigkeit für den Auftraggeber (Kommittent oder „Hintermann”) nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, hat auch dieser die ihm nach § 3 Abs. 3 UStG oder § 3 Abs. 11 UStG zuzurechnenden Leistungen als Unternehmer erbracht. Davon abgesehen ist auch nach den vom FG getroffenen Feststellungen im Streitfall nicht davon auszugehen, dass der Kläger in einem Abhängigkeitsverhältnis zu A stand und er daher unselbständig tätig gewesen wäre.

26Ob der Kläger bei einer unmittelbaren Leistung an die F-GmbH höhere Entgelte —entsprechend den Steuerfestsetzungen für A— zu versteuern hätte, ist im Hinblick auf das Verböserungsverbot unerheblich. Denn Bemessungsgrundlage der Leistungen des Klägers ist im Fall eines Kommissions- oder Strohmannverhältnisses der Betrag, den der Kläger aufgrund der Tätigkeit der A erhalten hat. Das FG geht insoweit mit dem FA davon aus, dass der Kläger von den in den Umsatzsteuerbescheiden der A erfassten Provisionen von 222.487 DM (1993) und 344.413 DM (1994) nur 112.389,21 DM (1993) und 306.995,89 DM (1994) erhalten hat. In Bezug auf diese Feststellungen hat der Kläger mit der Revision keine Rügen erhoben.

273. Der Senat kann —anders als für das Streitjahr 1993, für das die Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger erstmals festgesetzt worden ist—, nicht abschließend über den Umsatzsteuerbescheid für 1994 vom entscheiden. Denn die Feststellungen des FG erlauben keine Entscheidung darüber, ob dieser Änderungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt ist.

28a) Ein Verwaltungsakt ist nach § 125 Abs. 1 AO nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss von Fall zu Fall anhand der einschlägigen materiell-rechtlichen oder verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsvorschriften beurteilt werden (z.B. , BFH/NV 2007, 186; vom X R 2/93, BFH/NV 1995, 467).

29b) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Die Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit eines Änderungsbescheids zu richten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 186; vom II R 56/81, BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140).

30c) Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein —wirksamer— Steuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht (, BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662). Denn der Steuerpflichtige muss erkennen können, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang eine bisherige Festsetzung geändert worden ist. Hierzu genügt es jedoch, dass aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den —dem Empfänger bekannten— näheren Umständen des Bescheiderlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 186; vom VII R 3/79, BFHE 133, 163; , juris; vgl. auch , BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4; vom X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791; vom II R 126/91, BFH/NV 1995, 178; BFH-Beschlüsse vom VII B 82/00, BFH/NV 2001, 1003, sowie Beschluss vom V B 205/04, BFH/NV 2007, 5). Dass das Datum des geänderten Bescheides nicht genannt wird, ist daher nicht allein entscheidend.

31d) Im Streitfall weist zwar der Umsatzsteuerbescheid vom für 1994 nicht ausdrücklich darauf hin, dass es sich um einen Änderungsbescheid handelt; er erging jedoch im Anschluss an ein auch Umsatzsteuer 1994 betreffendes Steuerstrafverfahren und den Bericht der Steuerfahndung, auf den in den Erläuterungen des Bescheides vom ausdrücklich hingewiesen wird. Danach konnte der Kläger unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände keine vernünftigen Zweifel daran haben, dass es sich um einen (Umsatzsteuer 1994 betreffenden) Änderungsbescheid handelt. Auch Zweifel daran, dass dadurch der auf seiner Selbstanzeige für 1994 beruhende Umsatzsteuerbescheid des FA vom geändert werden sollte, wären zu verneinen, wenn es sich bei diesem Umsatzsteuerbescheid vom um den einzigen dem Kläger gegenüber ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 1994 gehandelt hat. Denn dann wäre der Bezug zu einem anderen Umsatzsteuerbescheid für 1994 ausgeschlossen. Den Feststellungen des FG lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei entnehmen, ob dem Umsatzsteuerbescheid 1994 vom ein Umsatzsteuerbescheid vorausging. Die Sache war daher hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1541 Nr. 9
DStRE 2011 S. 1326 Nr. 21
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2011 S. 637
HAAAD-87154