BGH Beschluss v. - 4 StR 249/11

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Anforderungen an die Urteilsgründe

Gesetze: § 55 Abs 1 StGB, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Detmold Az: 4 KLs 22 Js 110/10 - 57/10 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Detmold vom und vom und unter Auflösung der im letztgenannten Urteil gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Bildung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte nach den hier abgeurteilten Taten und vor Erlass der einbezogenen Entscheidungen zwei weitere Male durch das Amtsgericht Detmold verurteilt, nämlich am zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und am zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Bewährung. Feststellungen zum Vollstreckungsstand - bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils - fehlen völlig; auch werden die den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Tatzeiten nicht mitgeteilt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bereits dem Urteil vom Zäsurwirkung zukommt. Denn auszugehen ist von der ersten unerledigten Verurteilung, die Zäsurwirkung entfaltet, so dass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist (, NStZ 2007, 28, 29; zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 658/10 und vom - 3 StR 110/11).

4Dieser Rechtsfehler kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass lediglich die am verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten gemäß § 55 Abs. 1 StGB einzubeziehen ist.

5Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen; das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu entscheiden haben.

62. Für die erneute Sachbehandlung weist der Senat darauf hin, dass bei der Bildung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung von zur Bewährung ausgesetzter Strafen gegebenenfalls auch über die Anrechnung im Rahmen der Bewährung erbrachter Leistungen zu entscheiden ist (§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 StGB).

Ernemann                                  Roggenbuck                                  Cierniak

                        Mutzbauer                                        Bender

Fundstelle(n):
PAAAD-87014