Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Verden vom
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung in vier Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Weiter hat es gegen den Angeklagten L. in Höhe von 225,79 € und gegen den Angeklagten D. in Höhe von 175 € den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Angeklagten im Übrigen freizusprechen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seinen Antragsschriften ausgeführt:
"Die Anklage (Bd. lll, Bl. 156 ff. d. A.) ging von 293 materiell-rechtlich selbständigen Taten aus und wurde ausweislich des Eröffnungsbeschlusses vom (Bd. lV, Bl. 13 f.) unverändert zugelassen. Der Eröffnungsbeschluss enthielt lediglich einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO, dass auch die Annahme von nur vier rechtlich selbständigen Taten in Betracht kommt. Es hatte daher ein Teilfreispruch zu erfolgen, weil nur 210 der nach Anklage und Eröffnungsbeschluss 293 tatmehrheitlichen Taten zur Aburteilung gekommen sind (Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 260 Rdnr. 13 m.w.N. aus der Rspr.)."
Der Senat holt den danach gebotenen Teilfreispruch der Angeklagten - mit der Kostenfolge aus § 467 StPO - gemäß § 354 Abs. 1 StPO nach.
2. Die Verfallsanordnung hält bezüglich beider Angeklagter rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt bemerkt:
"Gleichviel, ob diese auf §§ 73, 73 a StGB oder §§ 73 d, 150 Abs. 1 StGB gestützt ist, stehen ihr nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Ansprüche der Verletzten nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 146, 263 StGB und § 826 BGB entgegen, die diese aus dem Einsatz des Falschgeldes erlangt haben. Allerdings ist nach § 111 i Abs. 2 StPO in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO durch das Revisionsgericht festzustellen, dass ... nur deshalb nicht auf Verfall e rkannt wurde, weil Ansprüche der durch die Taten Verletzten entgegenstehen."
Der Senat ändert den Ausspruch deshalb wie aus der Beschlussformel ersichtlich ab.
3. Die weitergehenden Rechtsmittel der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge, das Urteil sei nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ergebenden Zeitraums vollständig zu den Akten gebracht worden (§ 338 Nr. 7 StPO).
a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
Die Hauptverhandlung gegen die Angeklagten vor der 7. Strafkammer des Landgerichts Verden begann am und erstreckte sich über insgesamt dreizehn Verhandlungstage; das Urteil wurde am verkündet. Zum wurde die als Beisitzerin teilnehmende Richterin N. an das Amtsgericht S. versetzt und schied aus der 7. Strafkammer aus, soweit sie dort nicht durch laufende Verfahren gebunden war. Die Urteilsurkunde wurde am , dem letzten Tag der sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ergebenden Frist, zu den Akten gebracht. Sie war von Richterin N. nicht unterschrieben und trug folgenden Verhinderungsvermerk der Vorsitzenden (§ 275 Abs. 2 Satz 2 StPO): "Ri'in N. ist an eine andere Dienststelle versetzt worden und kann infolge Ortsabwesenheit nicht unterschreiben."
b) Nach Ansicht der Beschwerdeführer ist die Vorsitzende zu Unrecht von einem Verhinderungsfall ausgegangen. Der Vermerk lasse schon nicht erkennen, ob die Vorsitzende eine tatsächliche oder eine rechtliche Verhinderung der Richterin angenommen habe. Allein deren Versetzung an ein anderes Gericht habe nicht dazu geführt, dass sie das Urteil aus Rechtsgründen nicht mehr hätte unterschreiben dürfen. Sollte der Vermerk dagegen so zu verstehen sein, dass Richterin N. aus tatsächlichen Gründen daran gehindert gewesen sei, ihre Unterschrift zu leisten, so sei er inhaltlich unrichtig. Die Richterin habe sich nicht in Urlaub befunden; auch werde nicht ersichtlich, dass ihrem Tätigwerden anderweitige, ihre Zeit voll beanspruchende Dienstgeschäfte entgegenstanden. Die Entfernung zwischen Verden und S. betrage lediglich 35 km, was mit dem Pkw in ca. 45 Minuten und mit der Bahn in ca. 75 Minuten zu bewältigen sei. Nötigenfalls hätte die Richterin darauf hingewiesen werden müssen, dass sie sich am letzten Tage der Frist zur Unterzeichnung des Urteils bereitzuhalten habe. Auskünfte dazu, ob dies geschehen sei, habe das Landgericht nicht erteilt.
c) Die Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
aa) Der Senat legt den oben wiedergegebenen Vermerk dahin aus, dass die Vorsitzende von einer Verhinderung der Richterin nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen ausgegangen ist, denn nach dem Wortlaut konnte diese das Urteil "infolge Ortsabwesenheit" nicht unterschreiben. Der Hinweis auf die Versetzung an eine andere Dienststelle diente vor diesem Hintergrund allein der näheren Erläuterung des Abwesenheitsgrundes.
bb) Bei der Beurteilung, ob ein Richter aus tatsächlichen Gründen daran gehindert ist, das Urteil zu unterschreiben, steht dem Vorsitzenden ein Beurteilungsspielraum zu (, NStZ 2011, 358; Urteil vom - 3 StR 153/02; Beschluss vom - 4 StR 634/97, NStZ-RR 1999, 46; Urteil vom - 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96). Revisionsgerichtlicher Beanstandung unterliegt die Entscheidung des Vorsitzenden deshalb nur dann, wenn sie auf sachfremden Erwägungen beruht oder den eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschreitet, so dass sie objektiv willkürlich erscheint. Die freibeweisliche Überprüfung des Sachverhalts durch den Senat ergibt, dass nach diesen Maßstäben die Annahme einer Verhinderung von Richterin N. aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist.
Ist der in einem Verhinderungsvermerk angegebene Umstand - hier die Ortsabwesenheit infolge Tätigkeit bei einem anderen Gericht - generell geeignet, den Richter von der Unterschrift abzuhalten, wird allerdings im Rechtsmittelzug grundsätzlich von vorneherein nicht mehr geprüft, ob er im Einzelfall vorgelegen und ob er tatsächlich zu einer Verhinderung geführt hat (, BGHSt 31, 212). Der Senat hat sich gleichwohl veranlasst gesehen, die Vorsitzende ebenso wie Richterin N. zu einer Äußerung dazu zu bitten, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um sicherzustellen, dass das Urteil von allen mitwirkenden Richtern unterschrieben werden konnte, und ob Richterin N. aus dienstlichen oder anderen Gründen zur Unterschrift tatsächlich außerstande war. Denn die Beschwerdeführer haben - in dem ihnen möglichen Umfang - schlüssig dargelegt, dass der Verhinderungsvermerk auf sachfremden, objektiv willkürlichen Erwägungen beruhe (vgl. BGH aaO). Zu Recht weisen sie darauf hin, dass der Vorsitzende im Falle zulässiger Ausschöpfung der Frist des § 275 Abs. 1 StPO verpflichtet ist, rechtzeitig organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, welche die Unterzeichnung des Urteils durch den Beisitzer sicherstellen (, NStZ 2011, 358; Beschluss vom -5 StR 21/06, NStZ 2006, 586; Beschluss vom -3 StR 415/90, NStZ 1991, 297; Urteil vom - 1 StR 448/78, BGHSt 28, 194).
Die nach dem Inhalt der dienstlichen Äußerungen zur Annahme eines Verhinderungsfalles führenden Erwägungen der Vorsitzenden waren indes nicht sachfremd.
Wie die Vorsitzende ausführt, ging ihr der von der weiteren Beisitzerin und Berichterstatterin verfasste Urteilsentwurf um die Mittagszeit des zu. Sie nahm an, diesen spätestens am Vormittag des ihrerseits unterzeichnen zu können. Noch zuvor setzte sie sich mit Richterin N. wegen deren Unterschriftsleistung fernmündlich in Verbindung. Dabei erfuhr sie, dass Richterin N. für den 25., 26. und Sitzungen beim Amtsgericht S. anberaumt hatte. In der Absicht, den Entwurf vorab per Telefax zu übermitteln, kündigte die Vorsitzende an, sich wegen der weiteren Vorgehensweise nach eigener Durchsicht des Entwurfs wieder zu melden. In der Folge stellte sich indes die Notwendigkeit umfangreicher Änderungen heraus, an denen die Vorsitzende und die Berichterstatterin noch bis zum späteren Nachmittag des arbeiteten. Eine erneute telefonische Unterredung mit Richterin N. um diese Zeit ergab, dass diese noch mit der erforderlichen Vorbereitung ihrer Sitzung am Folgetag befasst war. Da Richterin N. anschließend mangels eigenen Pkws mit der Bahn anzureisen und sodann das Urteil zunächst durchzusehen hätte, ging die Vorsitzende davon aus, dass sich die Unterschriftsleistung bis in die späten Abendstunden hinein verzögern würde. Sie hielt deshalb die Feststellung einer Verhinderung für vertretbar. Richterin N. hat hierzu ergänzend dargelegt, dass sie nicht vor 19.50 Uhr, unter Umständen aber auch erst gegen 20.50 Uhr beim Landgericht Verden hätte eintreffen können.
Danach hat die Vorsitzende die ihr möglichen Bemühungen unternommen, um eine Unterzeichnung des Urteils durch Richterin N. sicherzustellen. Dass es zu deren Unterschrift letztlich nicht kam, lag nicht an mangelnden organisatorischen Vorkehrungen, sondern daran, dass sich die Fertigstellung des Entwurfs unvorhergesehen bis zum späten Nachmittag des letzten Tages der Frist verzögerte. Soweit die Vorsitzende zu diesem Zeitpunkt schließlich deshalb von einem Verhinderungsfall ausging, weil Richterin N. zunächst noch mit anderen Dienstgeschäften befasst war und ihre Unterschrift voraussichtlich erst in den späten Abendstunden hätte leisten können, ist dies nach den oben dargestellten Maßstäben nicht zu beanstanden.
4. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel und den ihnen dadurch entstandenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAD-87012