BAG Urteil v. - 10 AZR 379/10

Anspruch auf eine Zuwendung nach dem ZuwAngTVtr-O bei Altersteilzeit im Blockmodell

Gesetze: § 2 Abs 1 ZuwAngTVtr-O, § 4 Abs 1 AltTZTV, § 4 Abs 2 AltTZTV

Instanzenzug: Az: 33 Ca 11891/09 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 25 Sa 2550/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Rückzahlung einer Zuwendung.

2Der am geborene Kläger ist seit 1991 für das beklagte Land als Angestellter tätig. Arbeitsvertraglich vereinbart ist die Anwendung des BAT-O und der ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung. Hierzu gehören der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte - geltend für das Tarifgebiet Ost - (TV Zuwendung Ang-O) sowie der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ). Bis zum war der Kläger vollzeitbeschäftigt. Seit dem wird das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Grundlage des TV ATZ im Blockmodell fortgesetzt. Die Arbeitsphase endete am , die Freistellungsphase endet am .

Der TV Zuwendung Ang-O regelt die Höhe der Zuwendung wie folgt:

Im TV ATZ ist ua. geregelt:

5Im Jahr 2003 zahlte das beklagte Land dem Kläger auf der Grundlage der Vergütung des Monats September die volle Zuwendung nach dem TV Zuwendung Ang-O und im Jahr 2008 eine anteilige Zuwendung auf der Basis der durch Altersteilzeit reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit.

6Mit Schreiben vom hat das beklagte Land die Zuwendung für das Jahr 2008 zurückgefordert und von der Vergütung des Klägers für die Monate April und Mai 2009 223,33 Euro in Abzug gebracht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei zur Rückzahlung der Zuwendung nicht verpflichtet. Er hat zuletzt beantragt,

8Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, der Kläger habe im Jahr 2003 zu Unrecht die volle Zuwendung erhalten. Tatsächlich habe ihm nach § 2 TV Zuwendung Ang-O, § 4 TV ATZ und der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Spiegelbildrechtsprechung nur die Hälfte der gezahlten Zuwendung zugestanden; die andere Hälfte habe im Jahr 2008 zur Auszahlung kommen müssen. Da es im Jahr 2003 zu keinem Einbehalt gekommen sei, müsse der zu viel gezahlte Betrag spiegelbildlich auf den Anspruch für das Jahr 2008 angerechnet werden. Die Zahlung sei deshalb in diesem Jahr ohne Rechtsgrund erfolgt.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Gründe

10Die Revision ist unbegründet. Das beklagte Land hatte keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Zuwendung für 2008, mit dem es gegen den Vergütungsanspruch des Klägers aufrechnen konnte. Der Kläger hat deshalb aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf den einbehaltenen Teil der Vergütung für die Monate April und Mai 2009 (Antrag zu 1.) und kann die Feststellung begehren, dass er auch darüber hinaus nicht zur Rückzahlung der Zuwendung verpflichtet ist (Antrag zu 2.).

11I. Das beklagte Land hat mit der Zahlung der Zuwendung für das Jahr 2008 den Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ, § 2 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O erfüllt.

121. Nach § 4 Abs. 1 TV ATZ hat der Arbeitnehmer in der Altersteilzeit Anspruch auf die Bezüge, die sich für „entsprechende“ Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften (zB § 34 BAT/BAT-O) ergeben. Als Bezug iSv. Abs. 1 gilt nach § 4 Abs. 2 TV ATZ auch die Zuwendung. Seit Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses am ist zwischen den Parteien eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden vereinbart. Der Kläger hat deshalb Anspruch auf eine Zuwendung, wie sie sich für einen Teilzeitarbeitnehmer mit einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von 20 Stunden errechnet.

132. Die dem Kläger im Jahr 2008 mit der Novembervergütung ausgekehrte Zuwendung iHv. 1.405,63 Euro entspricht diesen tariflichen Vorgaben. Darüber streiten die Parteien nicht.

14II. Die Zahlung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb ohne rechtlichen Grund erfolgt, weil der Kläger 2003 im ersten Jahr der Arbeitsphase (noch) die volle Zuwendung erhalten hat.

151. Der Kläger hatte auch im Jahr 2003 nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ iVm. § 2 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O Anspruch auf eine Zuwendung in Höhe des gezahlten Betrags.

16a) Die Zuwendung nach § 1 TV Zuwendung Ang-O ist eine Sonderzuwendung mit Mischcharakter, die nicht nur erbrachte Arbeitsleistungen, sondern auch Betriebstreue honoriert ( - Rn. 12, AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 33). Der Anspruch entsteht nach § 4 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O spätestens am 1. Dezember des Zuwendungsjahres. Zu diesem Zeitpunkt war im Jahr 2003 zwischen den Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart. Der Kläger hatte deshalb Anspruch auf eine Zuwendung wie eine „entsprechende“ Teilzeitkraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden.

17b) Nach § 2 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O richtet sich die Zuwendung nach der Vergütung, die dem Arbeitnehmer zugestanden hätte, wenn er während des gesamten Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte. In dem Bemessungsmonat September 2003 war der Kläger vollzeitbeschäftigt. Nach dem Bemessungsmonat eintretende Veränderungen in der Höhe der Vergütung bleiben bei der Berechnung der Zuwendung nach § 2 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O unberücksichtigt (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand August 2006 § 2 TV Zuwendung Rn. 5). Dies gilt auch bei einem Wechsel von der Voll- zur Teilzeitarbeit. Eine vertragliche Änderung der geschuldeten Arbeitszeit nach Ablauf des Monats September wirkt sich auf die Höhe der geschuldeten Zuwendung nicht aus. Diese richtet sich weiter nach der im September zustehenden Urlaubsvergütung (vgl.  - zu II 3 b der Gründe, BAGE 92, 218; - 5 AZR 482/74 - zu 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 87 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 48). Mit der Wahl dieses kurzen Bemessungszeitraums zur Berechnung der Zuwendung haben die Tarifvertragsparteien Abweichungen vom durchschnittlichen Jahres- oder Monatsverdienst bewusst in Kauf genommen.

18c) Auch beim Übergang in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist die Höhe der im Wechseljahr geschuldeten Zuwendung davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt der Übergang vereinbart wird. Vollzieht er sich in der Zeitspanne vom 1. Oktober bis zum 30. November, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die volle Zuwendung, obwohl er zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs bereits in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis steht (Cle-mens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Juni 2006 Teil VI - Altersteilzeit-TV Erl. 16.3.9 für einen Übergang zum 1. Oktober).

192. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Verhältnis von § 2 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O zu § 4 TV ATZ nicht, dass in der Altersteilzeit unabhängig vom Zeitpunkt des Wechsels durchgehend nur eine Zuwendung entsprechend der Hälfte der zuvor bezogenen Zuwendung gezahlt werden muss.

20a) § 4 Abs. 1 TV ATZ enthält mit Ausnahme einer Ergänzung für bestimmte Bezügebestandteile keine eigenständige Regelung der Vergütung im Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Die Vorschrift bestimmt auch keine von § 2 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O abweichende Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Zuwendung. § 4 Abs. 1 TV ATZ verweist lediglich auf „die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften … ergebenden Beträge“. Damit bleibt es für die Zuwendung bei der Maßgeblichkeit des im September als Urlaubsvergütung zustehenden Betrags.

21b) Auch nach den Grundsätzen der von der Revision als „Spiegelbildrechtsprechung“ bezeichneten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich nicht, dass das beklagte Land einen Teil der Zuwendung für 2003 auf die im Jahr 2008 gezahlte Zuwendung hätte anrechnen können.

22aa) Nach dieser Rechtsprechung hat der Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell - vorbehaltlich abweichender Regelungen - in der Arbeitsphase trotz Erbringung der vollen Arbeitsleistung in Bezug auf die festen Bezügebestandteile nur Anspruch auf die Vergütung einer Teilzeitkraft. Der Arbeitnehmer geht während der Arbeitsphase mit seiner vollen Arbeitsleistung im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung ( - Rn. 18, NZA 2011, 593; - 9 AZR 515/09 - Rn. 34; - 9 AZR 51/09 - Rn. 32, AP ATG § 4 Nr. 3; - 9 AZR 449/04 - Rn. 16, BAGE 116, 86). Er erarbeitet in der Arbeitsphase ein Guthaben, welches in der Freistellungsphase zur Auszahlung kommen soll. Aus dem Umfang seiner Vorleistungen ergeben sich Ansprüche auf die spätere Zahlung der Vergütung und auf Freistellung von der Pflicht zur Arbeitsleistung. Das für die Freistellungsphase angesparte Entgelt ist die Gegenleistung für die bereits in der Arbeitsphase geleistete, über die verringerte Arbeitszeit hinausgehende Arbeit (vgl.  - Rn. 34).

23bb) Mit Hilfe dieser Rechtsprechung lassen sich interessengerechte Ergebnisse erzielen, wenn im Blockmodell der Altersteilzeit vergütungsrelevante Veränderungen eintreten (vgl.  - BAGE 116, 86 zur Änderung der tariflichen Vergütungsgruppe; - 9 AZR 353/02 - BAGE 106, 353 zum Widerruf einer Zulage vor Beginn der Freistellungsphase). Sie bietet aber keine eigenständige, unabhängig von tariflichen Regelungen geltende Grundlage für die Berechnung von Ansprüchen in der Altersteilzeit bzw. - wie die Revision im Umkehrschluss meint - für die Anrechnung vermeintlich überzahlter Vergütung (vgl.  - Rn. 34: „vorbehaltlich abweichender Regelungen“). Maßgeblich bleibt die konkrete tarifliche Ausgestaltung der jeweiligen Ansprüche.

24III. Die Klage ist auch dann begründet, wenn es im Jahr 2003 zu einer Überzahlung gekommen wäre. Ein etwaiger Anspruch des beklagten Landes aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB wäre im Zeitpunkt der Überzahlung entstanden (für den Fall der Überzahlung eines Anspruchs nach § 16 LeistungsTV-Bund  - AP ATG § 4 Nr. 3), aber nach Maßgabe der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT-O verfallen.

IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
PAAAD-86966