BGH Urteil v. - 5 StR 75/11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen versuchter Nötigung und wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf Überprüfung der im Fall II.2.b der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und der Gesamtstrafe beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen im Fall II.2.b der Urteilsgründe getroffen:

Der Angeklagte K., der dem engeren Umfeld der Rockergruppe "Hells Angels" zuzurechnen ist, erhielt am von dem Mitangeklagten J. die Mitteilung, dass ein Mitglied dieser Rockergruppe, der Mitangeklagte R., in Gefahr sein könnte, angegriffen zu werden. R. habe ihm telefonisch berichtet, dass er während seines Trainings im Fitness-Center zwei Personen bemerkt habe, von denen er vermute, dass sie der mit den "Hells Angels" verfeindeten Rockergruppe "Bandidos" angehören würden. J. und der Angeklagte, der bei zwei Messerattacken in den Jahren 2007 und 2008 erhebliche Verletzungen davongetragen hatte und deshalb aus Angst vor Übergriffen stets ein Messer und Pfefferspray mit sich führte, trafen sich vor dem Fitness-Center mit R., um diesem beizustehen. Nach einer kurzen Besprechung verfolgten R., J. und der Angeklagte die Nebenkläger G. und M., als diese das Fitness-Center verließen und zum Parkplatz gingen. Dort wollten sie die Nebenkläger zunächst zur Rede stellen; der Angeklagte K. entschloss sich aber, diese sogleich anzugreifen. Er sprühte ihnen Pfefferspray ins Gesicht. M. ging aufgrund der Schmerzen in den Augen sofort zu Boden. G. fiel, nachdem er zwei Faustschläge von den Angeklagten erhalten hatte, ebenfalls zu Boden und kam auf M. zu liegen. Nunmehr entschloss sich der Angeklagte K., die Nebenkläger durch "Messerstiche im Brust- und Rumpfbereich weiter zu verletzen". Es war insoweit nicht auszuschließen, dass der Angeklagte K. - aufgrund seiner Erfahrungen im Rahmen früherer Auseinandersetzungen - "jede Möglichkeit verhindern wollte, dass sich die Nebenkläger ihm gegenüber zur Wehr setzten". Er stach deshalb auf die am Boden liegenden Tatopfer ein; M. erlitt eine vier bis fünf Zentimeter tiefe Stichverletzung an der rechten Rumpfseite auf Höhe des Beckenkamms, die jedoch nicht "lebensgefährlich" war. G. erhielt zwei Stiche; einer drang in den Zwischenrippenraum ein und führte zu einer Blut-Luft-Brust. Die hierdurch bedingte Lebensgefahr konnte durch eine schnelle ärztliche Behandlung abgewendet werden.

Die Strafkammer hat die Tat des Angeklagten K. als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB bewertet, die mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich, mittels einer Waffe und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen wurde. Sie hat bei der Strafrahmenwahl einen minder schweren Fall nach § 224 Abs. 1 StGB im Rahmen einer Gesamtabwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte verneint; angesichts einer Schadensersatzleistung aller Angeklagter in Höhe von 5.000 € an die Nebenkläger und der schriftlichen Erklärung, weitere 5.265 € zu zahlen, aber den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten K. den Grad der Verletzungen beider Tatopfer berücksichtigt, strafmildernd insbesondere das Geständnis des nicht vorbestraften Angeklagten K., die ihm ansonsten nicht zuordenbaren Messerstiche ausgeführt zu haben, und seine Wiedergutmachungsbemühungen. Darüber hinaus hat es zu seinen Gunsten angeführt, dass es sich bei dem Angriff um eine ungeplante Spontantat gehandelt habe, bei der der Angeklagte einen Angriff auf den Mitangeklagten R. oder auf sich selbst für möglich hielt. Es lasse "sich nicht ausschließen, dass der Angeklagte nicht nur durch das Tränengas, sondern auch durch die Messerstiche jegliche Möglichkeit einer körperlichen Gegenwehr der Tatopfer und eigener Verletzungen von vornherein verhindern wollte, wenngleich - wie festgestellt - ein derartiger Angriff oder Gegenwehr der Nebenkläger nicht bevorstanden".

2. Die Strafzumessung der Strafkammer hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (, BGHSt 34, 345, 349). Angesichts dieses Prüfungsmaßstabs beanstandet die Revision zu Recht, dass das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinn Tatumstände als strafmildernd bewertet hat, die nicht vorliegen.

Insoweit ist es rechtsfehlerhaft, die nicht "ausschließbare" Vorstellung des Angeklagten bei dem Messereinsatz gegen die bereits kampfunfähigen und wehrlos am Boden liegenden Tatopfer - nämlich um jegliche Möglichkeit einer körperlichen Gegenwehr und eigene Verletzungen von vornherein zu verhindern - als bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt zu berücksichtigen. Eine Gegenwehr der Opfer war auch aus subjektiver Sicht des Angeklagten nicht mehr zu erwarten; ein von dem Landgericht angenommener "vorbeugender" Messereinsatz kann auch mit Blick auf frühere gewalttätige Auseinandersetzungen, in die der Angeklagte verwickelt war und bei denen er selbst erheblich verletzt wurde, nicht zur Begründung einer Strafmilderung herangezogen werden. Im Übrigen ist jegliche strafmildernde Bewertung einer "Präventivnotwehr" von der Rechtsordnung nicht anerkannt (vgl. , NJW 2003, 1955, 1958, insoweit in BGHSt 48, 207 nicht abgedruckt).

Darüber hinaus begegnet es durchgreifenden Bedenken, die Vorgehensweise des Angeklagten als ungeplante Spontantat zu bewerten. Es lag zum Zeitpunkt der Übergriffe keine wie auch immer geartete Provokation seitens der Tatopfer vor. Vielmehr haben der Angeklagte und die Mitangeklagten die Auseinandersetzung mit den Nebenklägern, in die sich der Angeklagte bewaffnet begeben hatte, gezielt gesucht und die vorgefundene Situation zu einem für die Nebenkläger überraschend geführten Angriff ausgenutzt.

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Strafzumessung auch wegen einer Überbewertung des bereits als strafrahmenverschiebend herangezogenen Täter-Opfer-Ausgleichs zu beanstanden wäre, ebenso, ob die Einsatzstrafe allein ihrer Bemessung wegen als unvertretbar milde angesehen werden müsste.

3. Die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen führen zur Aufhebung des Strafausspruchs im Umfang der Anfechtung. Bei den hier lediglich vorliegenden Wertungsfehlern bedarf es jedoch keiner Aufhebung von Feststellungen. Die bisherigen Feststellungen können um solche ergänzt werden, die zu den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.

Fundstelle(n):
OAAAD-85588