BAG Urteil v. - 9 AZR 565/08

(MTV Techniker Krankenkasse - Arbeitsverhältnis als Voraussetzung für den Anspruch auf tarifvertragliches Beurlaubungsgeld - Grundsatz der Entgeltgleichheit - Anrechnung der ungekürzten, nicht durch den Zugangsfaktor nach § 77 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI verringerten gesetzlichen Altersrente bei Gesamtversorgungsansprüchen)

Gesetze: § 77 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6, § 612 Abs 3 S 1 BGB vom , § 4 KSchG, § 7 KSchG, § 17 S 1 TzBfG, § 21 TzBfG, § 256 Abs 1 ZPO, § 1 TVG, § 7 Abs 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 12 Ca 6478/05 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 14 Sa 682/06 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Dauer einer Beurlaubung sowie die Bemessung eines Gesamtruhegelds.

Die von § 30 Abs. 2 TKT in Bezug genommene Anlage 6a sieht ua. Folgendes vor:

4Vom bis zum war die Klägerin gemäß § 30 Abs. 2 TKT beurlaubt. Die Klägerin erhielt in diesem Zeitraum ein monatliches Gesamtruhegeld in Form von Beurlaubungsgeld, dessen Höhe die Beklagte nach Nr. 17 iVm. Nr. 9 und 10 Anlage 6a TKT berechnete.

5Auf der Grundlage des Bescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom bezog die Klägerin ab dem eine vorzeitige Altersrente für Frauen.

6Seit dem zahlt die Beklagte an die Klägerin ein Gesamtruhegeld gemäß § 34 Abs. 2 iVm. Anlage 6a TKT. Auf das Gesamtruhegeld rechnet die Beklagte die Abschläge, um die die Altersrente der Klägerin infolge der vorzeitigen Inanspruchnahme gemindert ist, zulasten der Klägerin in einer Höhe von monatlich 271,75 Euro an.

7Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin erfolglos von der Beklagten, in die Berechnung des Gesamtruhegelds lediglich die gekürzte Altersrente einzustellen.

8Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, an sie im Zeitraum vom bis zum einen Kassenzuschuss in Form von Beurlaubungsgeld zu zahlen. Ihre Beurlaubung habe erst am ihr Ende gefunden. Indem § 30 Abs. 3 TKT an die Möglichkeit anknüpfe, vorzeitige Altersrente zu beanspruchen, benachteilige die Tarifbestimmung Frauen wegen des Geschlechts. Auf das Gesamtruhegeld, das sie nach dem Ende der Beurlaubung ab dem beziehe, sei lediglich die tatsächlich von ihr bezogene Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die zeitliche Begrenzung der Beurlaubungsdauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls sei sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien seien befugt, die Dauer der Beurlaubung unter Rückgriff auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zu regeln. Denn die vor dem Eintritt des Versorgungsfalls liegende Beurlaubung bezwecke allein die Überbrückung des Zeitraums zwischen aktiver Beschäftigung und Eintritt in die Altersrente. Auf das tarifliche Gesamtruhegeld während des Versorgungsverhältnisses seien die Renteneinkünfte anzurechnen, welche die Klägerin ohne die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bezogen hätte. Schließlich seien die Ansprüche der Klägerin nach § 40 TKT verfallen.

Die Vorinstanzen haben der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - stattgegeben. Die Beklagte verfolgt mit der Revision die Abweisung der Klage.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten insoweit zu Unrecht zurückgewiesen, als das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. stattgegeben hat. Soweit die Klägerin mit dem Feststellungsantrag zu 2. ein höheres Gesamtruhegeld geltend macht, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

13I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere erfüllt der Klageantrag zu 2. die Voraussetzungen, an die § 256 Abs. 1 ZPO die Zulässigkeit einer Feststellungsklage knüpft.

141. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

152. Mit dem Klageantrag zu 2. will die Klägerin den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Versorgungsverhältnisses und damit eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO geklärt wissen. Feststellungsklagen müssen sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern können einzelne daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen zum Gegenstand haben (vgl.  - Rn. 20, EzA GG Art. 3 Nr. 109).

163. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, die Höhe des Gesamtruhegelds gerichtlich feststellen zu lassen.

174. Der Vorrang der Leistungsklage steht dem nicht entgegen. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (Senat - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72).

18Diese Erfordernisse sind gewahrt. Das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den Streit der Parteien über die Frage, ob die Rentenabschläge die Versorgungsansprüche der Klägerin mindern, abschießend zu klären und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über die Berechnung des Gesamtruhegelds, nicht über die Ausgestaltung der Leistungspflicht.

19II. Die Klage ist insoweit unbegründet, als die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1. für den Zeitraum vom bis zum Beurlaubungsgeld iHv. 99.932,40 Euro brutto abzüglich übergegangener Ansprüche iHv. 47.428,56 Euro netto sowie 4.919,40 Euro netto verlangt.

201. Die tarifvertraglichen Vorschriften der Nr. 17 Abs. 1 Buchst. a, Nr. 8 Satz 1 der Anlage 6a TKT, die kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme auf das Rechtsverhältnis der Parteien Anwendung finden, rechtfertigen das Klagebegehren nicht.

21a) Nach Nr. 17 Abs. 1 Buchst. a der Anlage 6a TKT haben Angestellte, die gemäß § 30 TKT beurlaubt sind, Anspruch auf ein Gesamtruhegeld.

22b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin war im Zeitraum vom bis zum weder beurlaubt, noch hatte sie einen Anspruch auf Beurlaubung. Zwischen den Parteien bestand zu diesem Zeitpunkt kein Arbeits-, sondern ein Versorgungsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis endete mit Wirkung zum infolge der in § 31 TKT vorgesehenen Beendigungsregelung, deren Wirksamkeit die Klägerin nicht binnen der in §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG bestimmten Dreiwochenfrist zur Überprüfung durch die Arbeitsgerichte gestellt hat. Eine Beurlaubung im Versorgungsverhältnis sehen die Vorschriften des TKT nicht vor.

23aa) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet worden ist (§ 17 Satz 1 TzBfG). Nach § 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG gilt die Befristung als wirksam, wenn die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung nicht innerhalb dieser Frist gerichtlich geltend gemacht worden ist. Das trifft gemäß § 21 TzBfG auch auf auflösend bedingte Arbeitsverträge zu.

24Knüpft eine Tarifnorm die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Eintritt einer Bedingung, hat der Arbeitnehmer, der die Wirksamkeit der Tarifvorschrift überprüfen lassen will, die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG zu beachten (vgl.  - zu I 1 der Gründe, BAGE 111, 148). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer geltend macht, die Tarifvorschrift sei wegen einer unzulässigen Benachteiligung bestimmter Arbeitnehmergruppen unwirksam (vgl.  - Rn. 31 ff., NZA 2010, 1409).

25Gemäß § 31 TKT endete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Ablauf des Monats, in dem der Klägerin der Rentenbescheid über „vorgezogenes Altersruhegeld“ zugestellt wurde. Diese auflösende Bedingung iSd. § 21 TzBfG ist mit Zustellung des Bescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom an die Klägerin eingetreten. Die Klägerin hat nicht binnen der in § 17 Satz 1 TzBfG bestimmten dreiwöchigen Frist Klage beim Arbeitsgericht erhoben, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Tarifbestimmung des § 31 TKT rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis deshalb nicht beendet.

26Die Fristenregelung der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Festlegung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung aus Gründen der Rechtssicherheit ist mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar, sofern damit die Ausübung eines Rechts nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl.  - [Bulicke] Rn. 36, 42, EzA AGG § 15 Nr. 8). Die zeitliche Begrenzung der Klagemöglichkeit bezweckt, alsbald Klarheit über den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen zu erhalten (vgl.  - Rn. 31, BAGE 129, 32). Eine dreiwöchige Frist zur Klageerhebung erschwert den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers nicht übermäßig, zumal §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 KSchG die nachträgliche Klagezulassung eröffnen, wenn ein Arbeitnehmer nach Eintritt einer das Arbeitsverhältnis auflösenden Bedingung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, fristgerecht Rechtsschutz zu suchen (vgl.  - Rn. 33, NZA 2010, 1409). Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet worden ist (§ 17 Satz 1 TzBfG). Nach § 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG gilt die Befristung als wirksam, wenn die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung nicht innerhalb dieser Frist gerichtlich geltend gemacht worden ist. Das trifft gemäß § 21 TzBfG auch auf auflösend bedingte Arbeitsverträge zu.

27bb) Das Verstreichen der Klagefrist hat zur Folge, dass die tarifvertragliche Befristungsregelung im Verhältnis der Parteien als wirksam gilt (§ 7 KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG). Dies gilt unabhängig davon, ob die Tarifbestimmung Frauen wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt. Macht ein Arbeitnehmer von der Möglichkeit, eine Befristungsregelung durch die Gerichte für Arbeitssachen kontrollieren zu lassen, nicht Gebrauch, kann er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Bedingung nicht mehr infrage stellen. Denn mit dem Versäumen der Klagefrist werden alle Voraussetzungen einer rechtswirksamen Bedingung fingiert (vgl.  - zu III 2 b der Gründe, BAGE 109, 110).

28cc) Die Klägerin kann eine Fortgewährung von Beurlaubungsbezügen nicht mehr beanspruchen, nachdem das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beendet und der Versorgungsfall eingetreten ist. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens zum fehlt es an einem Arbeitsverhältnis, das die Grundlage für eine Beurlaubung der Klägerin bildete. Der Kassenzuschuss in Gestalt von Beurlaubungsbezügen gemäß Nr. 17 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a, § 30 Abs. 2, Abs. 4 TKT, den die Klägerin für den Zeitraum vom bis zum geltend macht, hängt sowohl für Männer als auch für Frauen von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ab. Dies folgt aus § 30 Abs. 2 TKT, der die Möglichkeit der Beurlaubung und damit den Bezug von Beurlaubungsgeld nur für „unkündbare Angestellte“ vorsieht. Versorgungsempfänger befinden sich nicht in einem unkündbaren Arbeitsverhältnis.

292) Die Klägerin kann den Zahlungsanspruch nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der Entgeltgleichheit bei Frauen und Männern stützen.

30a) Nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB idF des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom (BGBl. I S. 42) durfte bei einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Diese Bestimmung ist mit Wirkung zum außer Kraft getreten. Seitdem gelten die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (BGBl. I S. 1897). Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Benachteiligungsverbot verstoßen, unwirksam. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG schützt ua. Frauen gegen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

31b) Die Klägerin begehrt Gesamtruhegeld für einen Beurlaubungszeitraum, der sich vom bis zum erstreckt. Der Senat braucht nicht abschließend darüber zu befinden, ob die tarifliche Bestimmung des § 30 Abs. 3 TKT an § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB aF oder an den Vorschriften des AGG zu messen ist. Denn der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegt in beiden Fällen nicht vor. Es fehlt an einem vergleichbaren Sachverhalt, der Ansprüche der Klägerin begründen könnte.

32Im Gegensatz zu männlichen Arbeitnehmern, die gemäß § 30 Abs. 2 TKT bis zum Eintritt in die Altersrente im fortbestehenden Arbeitsverhältnis beurlaubt waren, bestand zwischen den Parteien nach dem kein Arbeits-, sondern ein Versorgungsverhältnis. Anders als den beurlaubten männlichen Mitarbeitern schuldete die Beklagte der Klägerin nicht eine Arbeitsvergütung, sondern eine nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlende Versorgung. Damit fehlt es an einem vergleichbaren Sachverhalt, der den Anwendungsbereich des § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB aF eröffnet. Wie der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom (- C-132/92 - [Birds Eye Walls Ltd.] Rn. 17 ff., Slg. 1993, I-5579) ausgeführt hat, sind die Entgeltbedingungen von männlichen Arbeitnehmern, die ohne tatsächliche Leistungserbringung noch Überbrückungszahlungen des Arbeitgebers erhalten, bis sie das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen, nicht mit denen weiblicher Versorgungsempfänger vergleichbar, die bei gleichem Alter gesetzliche Altersrente beziehen. Der Eintritt in die Altersrente bedeutet eine Zäsur, die dem Anspruch auf Gleichbehandlung entgegensteht.

33III. Der Klageantrag zu 2. ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin für den Zeitraum ab dem ein um 157,33 Euro erhöhtes Gesamtruhegeld zu zahlen. Das Klagebegehren findet in § 34 Abs. 2 TKT iVm. Nr. 5, 8 und 9 Anlage 6a TKT seine Rechtfertigung. Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen.

341. Gemäß Nr. 5 Anlage 6a TKT haben Angestellte, deren Zusatzversicherung bis zu den in Abschnitt A Nr. 1 genannten Terminen als Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder als freiwillige Weiterversicherung bei der VBL durchgeführt wurde, Anspruch auf eine Gesamtversorgung, wenn sie die Wartezeit nach Nr. 6 erfüllt haben, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt wird, der Versorgungsfall nach Nr. 7 eingetreten ist und das Beschäftigungsverhältnis bis zu dessen Eintritt bestanden hat. Die Wartezeit ist nach Nr. 6 Satz 1 Anlage 6a TKT erfüllt, wenn Angestellte 60 Beschäftigungsmonate bei einer Krankenkasse zurückgelegt haben. Der Versorgungsfall tritt ein, wenn der Angestellte Altersruhegeld auf Antrag vor Vollendung des 65. Lebensjahres erhält, frühestens jedoch am Tage nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (Nr. 7 Abs. 1 Buchst. d Anlage 6a TKT).

35Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen zum Bezug von Gesamtruhegeld nach Eintritt des Versorgungsfalls. Die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte mit der Revision nicht angegriffen.

362. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Rentenabschläge wegen der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente auf die Versorgungsansprüche der Klägerin anzurechnen.

37a) Gemäß Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT wird auf das Gesamtruhegeld die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe angerechnet.

38b) Entgegen der Auffassung der Revision ist auf das ruhegehaltsfähige Gehalt iSd. Nr. 10 Anlage 6a TKT lediglich die von der Klägerin tatsächlich bezogene gesetzliche Altersrente iHv. 1.317,46 Euro, nicht aber die gesetzliche Altersrente, welche die Klägerin bezogen hätte, wenn sie die vorzeitige Altersrente nicht in Anspruch genommen hätte. Dies ergibt eine Auslegung der maßgeblichen Anrechnungsvorschrift Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT.

39aa) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschlüsse über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131). An versorgungsrechtliche Anrechnungsvorschriften legt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung von jeher einen strengen Maßstab an: Anrechnungen von anderweitigen Bezügen auf Versorgungsansprüche sind nur insoweit möglich, als die maßgeblichen Bestimmungen die Anrechnungstatbestände für den Versorgungsberechtigten erkennbar und eindeutig beschreiben (st. Rspr. seit  - zu 1 der Gründe, AP BetrAVG § 5 Nr. 32). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen eine Versorgungsordnung die Anrechnung einer ungekürzten, nicht durch den Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI verringerten Altersrente vorsieht.

40bb) Nach diesen Grundsätzen unterfällt dem Anrechnungstatbestand lediglich die gesetzliche Altersrente, die der Versorgungsempfänger tatsächlich bezieht. Fiktive Renten, die sich ergäben, wenn man einen vorzeitigen Rentenbezug hinwegdachte, bleiben bei der Berechnung der Höhe des Gesamtruhegeldes außer Betracht. Dies folgt aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang des Tarifvertrags und dem Zweck der Gesamtversorgung, wie Anlage 6a TKT sie den Berechtigten gewährt.

41(1) Der Wortlaut der Tarifbestimmung (Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT), der mit dem Begriff „Rente … in voller Höhe“ auf sozialrechtliche Vorschriften Bezug nimmt, lässt es nicht zu, Rentenbezüge, auf die die Klägerin keinen Anspruch hat, von dem ruhegeldfähigen Gehalt iSd. Nr. 10 Anlage 6a TKT in Abzug zu bringen.

42Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der „Rente ... in voller Höhe“ in § 42 Abs. 1 SGB VI in Abgrenzung zur Teilrente, die gemäß § 42 Abs. 2 SGB VI ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel der Rente in voller Höhe beträgt. Bereits im Jahr 2003, als die Tarifvertragsparteien die Anlage 6a TKT überarbeiteten, hatte der Begriff die durch § 42 Abs. 1 SGB VI festgelegte fachliche Bedeutung. Die Vorschrift ist mit dem Rentenreformgesetz vom (BGBl. I S. 2261) in Kraft getreten. Übernimmt ein Tarifvertrag ohne eigene Definition einen Begriff, der in einem Gesetz verwandt wird mit dem ein Sachzusammenhang besteht, so ist grundsätzlich die fachspezifische gesetzliche Bedeutung zugrunde zu legen ( - zu I der Gründe, AP BetrAVG § 1 Gesamtversorgung Nr. 4). Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT greift auf den durch rentenrechtliche Vorschriften präfigurierten Fachbegriff zurück, der mangels eigener Definition seitens der Tarifvertragsparteien für die Interpretation der Tarifbestimmung maßgeblich ist.

43(2) Der Regelungszusammenhang, in den die Anrechnungsbestimmung eingebettet ist, stützt dieses Auslegungsergebnis.

44Die Überschrift der Vorschrift (Nr. 11 Anlage 6a TKT) beschreibt die in Abzug zu bringenden Leistungen als „anzurechnende Bezüge“. Ein Bezug einer Leistung liegt nach umgangssprachlichem Begriffsverständnis nur vor, wenn der Berechtigte die Leistung tatsächlich vereinnahmt. Dem Begriff unterfallen nicht fiktive Leistungen.

45In dieselbe Richtung weist Nr. 8 Satz 2 Anlage 6a TKT, der zufolge auf das Gesamtruhegeld die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet werden. Es ist nicht anzunehmen, dass die Anrechnungsvorschrift, auf die Nr. 8 Satz 2 Anlage 6a TKT verweist, einen von der Verweisungsnorm abweichenden begrifflichen Inhalt hat.

46Die Annahme, unter Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT fielen auch fiktive Renten, führte darüber hinaus zu einem inkohärenten Auslegungsergebnis. So stellen sowohl Nr. 11 Abs. 1 Buchst. e Anlage 6a TKT als auch Nr. 11 Abs. 1 Buchst. f Anlage 6a TKT auf Versorgungsleistungen ab, die dem Empfänger tatsächlich zur Verfügung stehen. Gemäß Nr. 11 Abs. 1 Buchst. e Anlage 6a TKT sind auf das Gesamtruhegeld ua. auch Versicherungsrenten anzurechnen, die der Versicherungsträger in einer einmaligen Zahlung abfindet. Nach Nr. 11 Abs. 1 Buchst. f Anlage 6a TKT unterliegen auch die nach dem Beamtengesetz oder aus sonstigen öffentlichen Kassen gezahlten Versorgungsbezüge der Anrechnung. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf hindeuteten, die Tarifvertragsparteien wollten gesetzliche Renten abweichend von anderen Bezüge einem fiktiven Betrag nach anrechnen.

47(3) Gegen eine Einbeziehung hypothetischer Einkünfte sprechen schließlich Sinn und Zweck der durch Anlage 6a TKT gewährleisteten Gesamtversorgung. Tarifvertragliches Versorgungsziel ist es, ausscheidenden Arbeitnehmern mit einer Gesamtversorgungsobergrenze iHv. bis zu 75 % des Bruttoeinkommens den im aktiven Dienst erreichten Lebensstandard annähernd zu erhalten. Die durch Nr. 11 Anlage 6a TKT angeordnete Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen auf das ruhegeldfähige Gehalt will eine Überversorgung der in den Ruhestand getretenen Mitarbeiter vermeiden. Zu diesem Zweck sollen Nachteilsüberkompensationen aus der Summierung zweckähnlicher Leistungen der gesetzlichen wie der betrieblichen Alterssicherung vermieden werden. Zu den funktionsgleichen Erwerbsersatzeinkommen zählen jedoch nur die von dem Versorgungsempfänger tatsächlich vereinnahmten, nicht aber die Rententeile, auf die er infolge sozialrechtlicher Abschlagsregelungen keinen Anspruch hat. Damit ist eine Anrechnung der Beträge, um die die vorzeitige Rente der Klägerin gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI gemindert ist, ausgeschlossen.

48(4) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, die Tarifvertragsparteien hätten den Willen gehabt, den Arbeitgeber zu einer Anrechnung fiktiver Rentenbestandteile zu ermächtigen, ist dies für das Auslegungsergebnis unbeachtlich. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist bei der Auslegung von Tarifverträgen nur zu berücksichtigen, wenn und soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. Senat - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131). Hieran fehlt es. Der Wortlaut der Nr. 11 Abs. 1 Buchst. a Anlage 6a TKT lässt lediglich eine Anrechnung tatsächlich bezogener Leistungen zu.

493. Die Beklagte hat auf das Gesamtruhegeld, das die Klägerin seit dem bezieht, Rentenabschläge in einer monatlichen Höhe von 271,75 Euro angerechnet. Diese Anrechnung ist tarifwidrig. Die Klägerin hat deshalb ab dem Anspruch auf ein höheres Gesamtruhegeld. Der Senat, der gemäß § 557 Abs. 1 ZPO an die von den Parteien gestellten Anträge gebunden ist, kann nur darüber befinden, dass der Klägerin jedenfalls ein Gesamtruhegeld zusteht, dass 157,33 Euro über dem bislang von der Beklagten gezahlten Betrag liegt.

504. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 TKT steht dem von der Klägerin erhobenen Anspruch nicht entgegen. Nach dieser Tarifbestimmung sind tarifvertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Die Klägerin hat ihre Rechte mit Schreiben vom form- und fristgemäß gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

51IV. Die Kosten des Rechtsstreits bestimmen sich nach den Kostenanteilen und dem Unterliegen der Parteien in den Instanzen.

521. Die Parteien haben die Kosten erster Instanz im Umfang ihres Unterliegens und der Klagerücknahme zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Es errechnet sich ein fiktiver Gesamtstreitwert erster Instanz iHv. 157.143,96 Euro. Dieser setzt sich aus dem 36-fachen Betrag des von der Klägerin geltend gemachten Beurlaubungsgelds iHv. monatlich 2.775,90 Euro und dem 36-fachen Betrag der monatlich beanspruchten Betriebsrente iHv. 1.589,21 Euro zusammen. Soweit die Klägerin Beurlaubungsgeld begehrt hat, ist sie unterlegen. Im Übrigen hat sie die Klage im Umfang von 51.547,68 Euro (36-fache Differenz zwischen den Beträgen, die die Klägerin ursprünglich als Betriebsrente und letztlich als Differenz zur Betriebsrente verlangt hat) zurückgenommen. Die Beklagte ist mit einem Betrag iHv. 5.663,88 Euro belastet (36-facher Differenzbetrag zwischen der von der Beklagten gezahlten und der von der Klägerin begehrten Betriebsrente). Die Kosten erster Instanz sind damit im Verhältnis von 97 % zu 3 % zu teilen.

2. Auch die Kosten zweiter und dritter Instanz sind zwischen den Parteien zu teilen. Auf der Grundlage eines fiktiven Streitwerts iHv. 53.248,32 Euro (bezifferter Zahlungsantrag zu 1.: 47.584,44 Euro; 36-facher Betrag nach dem Klageantrag zu 2.: 5.663,88 Euro) ist die Klägerin mit dem Betrag, den sie mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemacht hat, unterlegen. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich eines Betrags iHv. 5.663,88 Euro erfolglos geblieben. Dies entspricht einem Verhältnis der Kostentragung von 89 % zu 11 %.

Fundstelle(n):
XAAAD-83777