Besitz von in einem Mitgliedstaat belegenen Immobilien - Steuer auf den Verkehrswert dieser Immobilien - Versagung der Steuerbefreiung - Beurteilung in Bezug auf überseeische Länder und Gebiete - Bekämpfung von Steuerhinterziehung - Gesamtschuldnerische Haftung
Leitsatz
Art. 64 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass Art. 63 AEUV nicht die Anwendung einer am bestehenden nationalen Regelung berührt, die Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union von der Steuer auf den Verkehrswert von in diesem Staat belegenen Immobilien befreit, diese Befreiung aber bei Gesellschaften mit Sitz in einem überseeischen Land oder Gebiet vom Bestehen eines zwischen dem besagten Mitgliedstaat und diesem Land oder Gebiet zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig macht, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als die im Gebiet eben dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaften.
Instanzenzug: Tribunal de grande instance de Paris (Frankreich) vom ,
Gründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 ff. AEUV. Bei den in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Fragen geht es im Wesentlichen darum, ob die französische Steuer auf den Verkehrswert von in Frankreich belegenen Immobilien einer Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat auch dann gilt, wenn die Gesellschaft in einem der überseeischen Länder und Gebiete (im Folgenden: ÜLG), hier auf den Britischen Jungferninseln, ansässig ist, und ob die gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung der Steuer, die für jede juristische Person gilt, die zwischen dem Steuerschuldner und den in Frankreich belegenen Immobilien zwischengeschaltet ist, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Prunus SARL (im Folgenden: Prunus) und der Polonium SA (im Folgenden: Polonium) auf der einen Seite und dem Directeur général des impôts und dem Directeur des services fiscaux von Aix-en-Provence (im Folgenden zusammenfassend: französische Steuerverwaltung) auf der anderen Seite über die Zahlung, zu der Prunus als Gesamtschuldner verpflichtet war, weil zwei Gesellschaften, die Anteilseigner von Prunus sind, der Steuer auf den Verkehrswert von in Frankreich belegenen Immobilien im Besitz von juristischen Personen (im Folgenden: Steuer in Höhe von 3 %) unterliegen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Am erließ der Rat den Beschluss 91/482/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 263, S. 1, im Folgenden: Sechster ÜLG-Beschluss), der bis zum 1. Dezember 2001 galt.
Art. 180 Abs. 1 des Sechsten ÜLG-Beschlusses bestimmte für den Kapitalverkehr:
"Die zuständigen Behörden der ÜLG und die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft unterlassen hinsichtlich der Devisenregelung für den mit den Investitionen verbundenen Kapitalverkehr und die laufenden Zahlungen Maßnahmen, die mit den Verpflichtungen unvereinbar wären, die sich für sie aus der Anwendung der Bestimmungen dieses Beschlusses für die Bereiche des Waren- und Dienstleistungsverkehrs, des Niederlassungsrechts und der industriellen Zusammenarbeit ergeben. Diese Verpflichtungen hindern die Parteien jedoch nicht daran, im Falle ernster wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder schwerwiegender Zahlungsbilanzprobleme die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen."
Am erließ der Rat den Beschluss 2001/822/EG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ("Übersee-Assoziationsbeschluss") (ABl. L 314, S. 1, im Folgenden: Siebter ÜLG-Beschluss), der am in Kraft trat.
Art. 47 Abs. 1 Buchst. b des Siebten ÜLG-Beschlusses sieht vor, dass unbeschadet des Abs. 2 dieses Artikels "die Mitgliedstaaten und die Behörden der ÜLG hinsichtlich der Kapitalbilanztransaktionen nicht die freien Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit Direktinvestitionen in Gesellschaften [beschränken], die nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaates, Aufnahmelandes oder -gebietes gegründet wurden, und die Liquidation und ... die Repatriierung dieser Investitionen und der daraus resultierenden Gewinne [gewährleisten]". Nach Abs. 2 dieses Artikels sind die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die ÜLG befugt, u. a. die in Art. 64 AEUV genannten Maßnahmen im Einklang mit den dort genannten Bedingungen entsprechend anzuwenden.
Nationales Recht
Die Art. 990 D ff. des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) sind Teil der Maßnahmen, die der französische Gesetzgeber zur Bekämpfung bestimmter Formen der Steuerflucht erlassen hat.
Art. 990 D des CGI, wie er auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, bestimmt:
"Juristische Personen, die direkt oder über eine andere Person eine oder mehrere in Frankreich belegene Immobilien besitzen oder Inhaber dinglicher Rechte an solchen Grundstücken sind, haben darauf eine jährliche Steuer in Höhe von 3 % des Verkehrswerts dieser Immobilien oder Rechte zu entrichten.
Als jemand, der über eine andere Person in Frankreich Immobilien oder Immobiliarrechte besitzt, gilt jede juristische Person, die eine Beteiligung, unabhängig von deren Form und Umfang, an einer juristischen Person hält, die ihrerseits Eigentümer dieser Güter oder Inhaber dieser Rechte ist oder eine Beteiligung an einer dritten juristischen Person hält, die selbst Eigentümer der Güter oder Inhaber der Rechte oder andere Person innerhalb der Kette der Beteiligungen ist. Diese Bestimmung findet unabhängig von der Zahl der zwischengeschalteten juristischen Personen Anwendung."
Art. 990 E des CGI, wie er auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, bestimmt:
"Die in Art. 990 D vorgesehene Steuer wird nicht erhoben:
1. von juristischen Personen, deren in Frankreich belegenes unbewegliches Vermögen im Sinne des Art. 990 D weniger als 50 % ihres in Frankreich befindlichen Vermögens ausmacht. Für die Zwecke der Anwendung dieser Bestimmung bleiben bei der Feststellung des unbeweglichen Vermögens die Vermögensgegenstände außer Betracht, die die in Art. 990 D genannten juristischen Personen oder die zwischengeschalteten Personen ihrer eigenen Geschäftstätigkeit zuweisen, soweit sich diese nicht auf Immobiliengeschäfte bezieht;
2. von juristischen Personen, deren Sitz sich in einem Land oder Gebiet befindet, das mit Frankreich ein Amtshilfeabkommen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossen hat, und die spätestens zum 15. Mai jedes Jahres der Stelle, die durch die in Art. 990 F genannte Verordnung festgelegt wurde, Lage, Zusammensetzung und Wert der am 1. Januar in ihrem Besitz stehenden Immobilien, Identität und Anschrift ihrer Mitglieder zu diesem Zeitpunkt sowie die Anzahl der den einzelnen Mitgliedern zustehenden Anteile angeben;
3. von juristischen Personen, die den Sitz ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung in Frankreich haben, und von anderen juristischen Personen, die aufgrund eines Staatsvertrags nicht höher besteuert werden dürfen, wenn sie jedes Jahr der Steuerbehörde auf deren Aufforderung Lage und Zusammensetzung der am 1. Januar in ihrem Besitz stehenden Immobilien, die Identität und die Anschrift ihrer Anteilseigner, Teilhaber oder sonstigen Mitglieder, die Anzahl der diesen jeweils zustehenden Anteile oder sonstigen Rechte sowie einen Nachweis für deren Wohnsitz für Steuerzwecke mitteilen bzw. sich zu einer solchen Mitteilung verpflichten und dieser Verpflichtung nachkommen. Die Verpflichtung wird an dem Tag eingegangen, an dem die juristische Person die Immobilie oder das Immobiliarrecht oder die Beteiligung im Sinne von Art. 990 D erworben hat, oder, für die bereits am in ihrem Besitz stehenden Güter, Rechte oder Beteiligungen, spätestens am ;
..."
Art. 990 F des CGI, wie er auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, bestimmt:
"Die Steuer wird für die am 1. Januar des Steuerjahrs im Besitz stehenden Immobilien oder Immobiliarrechte mit Ausnahme der Immobilien erhoben, die ordnungsgemäß im Bestand von gewerblich als Immobilienmakler oder Bauträger tätigen juristischen Personen verzeichnet sind. Besteht eine Kette von Beteiligungen, wird die Steuer von der juristischen Person oder den juristischen Personen geschuldet, die in dieser Kette den Immobilien oder den Immobiliarrechten am nächsten stehen und nicht nach Art. 990 E Nr. 2 oder Nr. 3 von der Steuer befreit sind. Jede juristische Person, die zwischen dem oder den Steuerschuldnern auf der einen und den Immobilien oder den Immobiliarrechten auf der anderen Seite zwischengeschaltet ist, haftet gesamtschuldnerisch für die Entrichtung dieser Steuer.
Eine juristische Person, die, weil sie ihrer Verpflichtung aus Art. 990 E Nr. 3 nicht nachgekommen ist, der in Art. 990 D vorgesehenen Steuer unterliegt, kann sich von dieser ab dem Jahr befreien, in dem sie der Steuerverwaltung die in Art. 990 E Nr. 3 genannten Angaben übermittelt und sich erneut verpflichtet, ihr diese Angaben künftig auf Anforderung mitzuteilen.
Die Steuerpflichtigen geben alljährlich spätestens zum 15. Mai Lage, Zusammensetzung und Wert der betreffenden Immobilien und Immobiliarrechte an. Diese Erklärung ist unter Zahlung der Steuer bei der vom Haushaltsminister durch Verordnung festgelegten Stelle einzureichen.
Die Steuer wird nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Vorschriften, Sanktionen und Garantien erhoben. Außerdem gelten für die Steuer die Bestimmungen des Art. 223quinquies A.
Im Fall der Veräußerung der Immobilie haftet der Vertreter im Sinne von Art. 244bis A Ziff. I für die Zahlung der zu diesem Zeitpunkt noch geschuldeten Steuer."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Prunus, eine Gesellschaft mit Sitz in Frankreich, befindet sich zu 100 % im Besitz von Polonium, einer Holdinggesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz in Luxemburg. An dieser wiederum sind jeweils zu 50 % die Lovett Overseas SA und die Grebell Investments SA (im Folgenden: Lovett und Grebell), auf den Britischen Jungferninseln eingetragene Gesellschaften, beteiligt.
In den Jahren 1998 bis 2002 war Prunus unmittelbar oder mittelbar im Besitz mehrerer Immobilien in Frankreich.
Prunus und Polonium kamen ihren Erklärungspflichten nach und wurden nach Art. 990 E des CGI von der Steuer in Höhe von 3 % befreit.
Dagegen wurde bei Lovett und Grebell, den letzten Gliedern in der Beteiligungskette, diese Steuer jeweils zu 50 % auf den Verkehrswert der unmittelbar oder mittelbar von Prunus in Frankreich gehaltenen Immobilien erhoben, da die Befreiungsvoraussetzungen des Art. 990 E Nr. 3 des CGI bei diesen beiden Gesellschaften nicht vorlagen.
Am und am 24. Januar 2006 mahnte die französische Steuerverwaltung Prunus, die Nachzahlungen, die Lovett und Grebell durch Berichtigungen der Steuererklärung vom auferlegt worden waren, als Gesamtschuldnerin der von diesen Gesellschaften geschuldeten Steuer in Höhe von 3 % zu entrichten. Nachdem die von Prunus am und am erhobenen Beschwerden mit Bescheid vom zurückgewiesen worden waren, focht Prunus diesen ablehnenden Bescheid beim Tribunal de grande instance de Paris an, um von der gesamtschuldnerischen Haftung für die genannte Steuer für die Jahre 2001 und 2002 freigestellt zu werden.
Polonium wurde vom Tribunal de grande instance de Paris als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Prunus zugelassen, da sie alle Anteile an dieser hält.
Unter diesen Umständen hat das Tribunal de grande instance de Paris das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Stehen die Art. 56 ff. EG Rechtsvorschriften wie den Art. 990 D ff. des Code général des impôts entgegen, die juristischen Personen, die den Sitz ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung in Frankreich oder seit dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, einen Anspruch auf Befreiung von der streitigen Steuer verleihen, diesen Anspruch aber bei juristischen Personen, die den Sitz ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines Drittstaats haben, vom Bestehen eines zwischen Frankreich und diesem Staat zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig machen, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als die juristischen Personen, die den Sitz ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung in Frankreich haben?
2. Stehen die Art. 56 ff. EG einer Rechtsvorschrift wie Art. 990 F des Code général des impôts entgegen, die es den Steuerbehörden ermöglicht, für die Zahlung der in den Art. 990 D ff. des Code général des impôts vorgesehenen Steuer jede juristische Person gesamtschuldnerisch haften zu lassen, die zwischen dem oder den Schuldnern der Steuer und den Immobilien oder Rechten an Immobilien zwischengeschaltet ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegensteht, die Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Union von der Steuer auf den Verkehrswert von in diesem Staat belegenen Immobilien befreit, diese Befreiung aber bei Gesellschaften mit Sitz in einem der ÜLG vom Bestehen eines zwischen dem besagten Mitgliedstaat und diesem ÜLG zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig macht, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Ortes der Niederlassung enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als die im Gebiet eines Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaften.
Da die Britischen Jungferninseln, auf denen Lovett und Grebell ihren Sitz haben, im Verzeichnis der ÜLG in Anhang II des AEU-Vertrags aufgeführt sind, ist zu prüfen, ob Art. 63 AEUV für den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLG gilt.
Dazu ist festzustellen, dass Art. 63 AEUV "alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern" verbietet. Angesichts des unbeschränkten räumlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift ist davon auszugehen, dass sie zwangsläufig für den Kapitalverkehr nach und aus den ÜLG gilt.
Es ist daher zu prüfen, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren den freien Kapitalverkehr behindern kann.
Dabei ist zu beachten, dass der Gerichtshof die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung bereits im Urteil vom , ELISA (C-451/05, Slg. 2007, I-8251), im Hinblick auf Art. 63 AEUV und im Urteil vom , Établissements Rimbaud (C-72/09, Slg. 2010, I-0000), im Hinblick auf Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom (ABl. 1994, L 1, S. 3) geprüft hat. Aus dem Urteil ELISA (Randnr. 60) ergibt sich, dass eine grenzüberschreitende Investition in eine Immobilie, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, eine Kapitalbewegung im Sinne von Art. 63 AEUV darstellt.
In den Urteilen ELISA und Établissements Rimbaud wurde bereits festgestellt, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs darstellt, soweit juristische Personen ohne Geschäftsleitungssitz in Frankreich im Gegensatz zu anderen Steuerpflichtigen nach Art. 990 E Nrn. 2 und 3 des CGI einer zusätzlichen Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Vorteils unterliegen, nämlich derjenigen des Bestehens eines Abkommens oder eines Staatsvertrags zwischen der Französischen Republik und dem betroffenen Staat. Ohne ein solches Abkommen hat eine juristische Person, die den Sitz ihrer Geschäftsleitung nicht in Frankreich hat, keine Möglichkeit, mit Erfolg die Befreiung von der Steuer in Höhe von 3 % nach den Art. 990 D und 990 E Nrn. 2 und 3 des CGI zu verlangen. Diese zusätzliche Voraussetzung kann für diese Kategorie juristischer Personen faktisch zu einer Regelung führen, nach der eine Befreiung von der genannten Steuer auf Dauer ausgeschlossen ist und durch die Anlagen in Immobilien in Frankreich für diese gebietsfremden Gesellschaften weniger attraktiv gemacht werden.
Im Ausgangsverfahren steht fest, dass zwischen der Französischen Republik und den Britischen Jungferninseln kein Amtshilfeabkommen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht und kein Staatsvertrag geschlossen worden ist, nach dem juristische Personen, deren Gesellschaftssitz nicht in Frankreich liegt, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als juristische Personen mit Gesellschaftssitz in diesem Mitgliedstaat.
Demzufolge können juristische Personen mit Gesellschaftssitz auf den Britischen Jungferninseln von der Steuer in Höhe von 3 % nicht befreit werden. Infolgedessen werden durch diese Regelung Anlagen in Immobilien in Frankreich für diese gebietsfremden Gesellschaften weniger attraktiv. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften stellen daher für die genannten Gesellschaften eine nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.
Allerdings ist noch zu prüfen, ob, wie die französische Regierung und die Europäische Kommission geltend machen, eine Beschränkung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art eine am bestehende Beschränkung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 AEUV ist.
Nach Art. 64 Abs. 1 AEUV berührt das Verbot von Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV nicht die Anwendung solcher Beschränkungen auf Drittstaaten, die am aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder aufgrund von Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien bestehen.
Insoweit ist zunächst festzustellen, ob die ÜLG für die Zwecke der Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr als Mitgliedstaaten oder als Drittstaaten anzusehen sind.
Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass für die ÜLG das besondere Assoziierungssystem gilt, das im Vierten Teil des Vertrags festgelegt ist, so dass die allgemeinen Vertragsbestimmungen, deren räumlicher Anwendungsbereich sich grundsätzlich auf die Mitgliedstaaten beschränkt, ohne ausdrückliche Verweisung nicht auf sie anwendbar sind (vgl. Urteile vom , Leplat, C-260/90, Slg. 1992, I-643, Randnr. 10, vom 28. Januar 1999, van der Kooy, C-181/97, Slg. 1999, I-483, Randnr. 37, vom 22. November 2001, Niederlande/Rat, C-110/97, Slg. 2001, I-8763, Randnr. 49, sowie vom , Eman und Sevinger, C-300/04, Slg. 2006, I-8055, Randnr. 46). Die unionsrechtlichen Vorschriften gelten folglich für die ÜLG nur dann entsprechend wie für die Mitgliedstaaten, wenn das Unionsrecht eine solche Gleichstellung der ÜLG mit den Mitgliedstaaten ausdrücklich vorsieht.
Es ist jedoch festzustellen, dass der EU-Vertrag und der AEU-Vertrag keine ausdrückliche Bezugnahme auf den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLG enthalten.
Demzufolge kommt die in Art. 63 AEUV vorgesehene Liberalisierung des Kapitalverkehrs den ÜLG in ihrer Eigenschaft als Drittstaaten zugute.
Für diese Auslegung sprechen auch die Bestimmungen des Siebten ÜLG-Beschlusses, der zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, zu dem die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten verwirklicht war. In Art. 47 Abs. 2 dieses Beschlusses heißt es nämlich, dass Art. 64 AEUV für die ÜLG entsprechend gilt.
Sodann ist zu prüfen, ob eine Beschränkung wie die aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung resultierende, die sich auf Anlagen in Immobilien bezieht, eine am 31. Dezember 1993 bestehende Beschränkung ist.
Der Gerichtshof hat dazu bereits entschieden, dass der Begriff der am bestehenden Beschränkung voraussetzt, dass der rechtliche Rahmen, in den sich die betreffende Beschränkung einfügt, seit diesem Datum ununterbrochen Teil der nationalen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats gewesen ist. Wäre dies anders, könnte ein Mitgliedstaat nämlich jederzeit Beschränkungen für den Kapitalverkehr nach oder aus Drittstaaten wieder einführen, die in der nationalen Rechtsordnung am bestanden, die aber nicht aufrechterhalten worden sind (Urteil vom , A, C-101/05, Slg. 2007, I-11531, Randnr. 48).
Ausweislich der Akten, die dem Gerichtshof vorgelegt worden sind, wurde die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung mit der Loi n° 92-1376 portant loi de finances pour 1993 (Haushaltsgesetz für 1993) vom 30. Dezember 1992 (JORF Nr. 304 vom ) erlassen, die am in Kraft trat. Die aus ihr resultierende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs aus den ÜLG bestand also vor dem in Art. 64 Abs. 1 AEUV vorgesehenen .
Es ist auch unstreitig, dass zwischen der am geltenden Fassung der Bestimmungen der Regelung und derjenigen, die in den im Ausgangsverfahren maßgeblichen Steuerjahren 2001 und 2002 galt, nur geringfügige redaktionelle Unterschiede bestehen, die in keiner Weise den Grundgedanken des rechtlichen Rahmens berühren, der seit dem ununterbrochen Teil der Rechtsordnung des betroffenen Mitgliedstaats gewesen ist.
Demzufolge sind die aus einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren resultierenden Beschränkungen nach Art. 64 Abs. 1 AEUV gegenüber den ÜLG zulässig.
Unter diesen Umständen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass Art. 63 AEUV nicht die Anwendung einer am bestehenden nationalen Regelung berührt, die Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Union von der Steuer auf den Verkehrswert von in diesem Staat belegenen Immobilien befreit, diese Befreiung aber bei Gesellschaften mit Sitz in einem der ÜLG vom Bestehen eines zwischen dem besagten Mitgliedstaat und diesem ÜLG zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig macht, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als die im Gebiet eben dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaften.
Zur zweiten Frage
In Anbetracht des Vorstehenden ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 64 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass Art. 63 AEUV nicht die Anwendung einer am bestehenden nationalen Regelung berührt, die Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union von der Steuer auf den Verkehrswert von in diesem Staat belegenen Immobilien befreit, diese Befreiung aber bei Gesellschaften mit Sitz in einem überseeischen Land oder Gebiet vom Bestehen eines zwischen dem besagten Mitgliedstaat und diesem Land oder Gebiet zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht geschlossenen Amtshilfeabkommens oder davon abhängig macht, dass diese juristischen Personen aufgrund eines Staatsvertrags, der eine Bestimmung über ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält, keiner höheren Besteuerung unterworfen werden dürfen als die im Gebiet eben dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaften.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KAAAD-83644