Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung
Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB
Instanzenzug: ArbG Solingen Az: 2 Ca 122/06 lev Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 7 Sa 443/07 Urteilnachgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 7 Sa 677/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht und inwieweit die Beklagte zur Zahlung von Arbeitsvergütung verpflichtet ist.
2Die Klägerin war seit 1981 bei der Beklagten, zuletzt als „Leiterin der Planung und Steuerung“ im Geschäftsbereich C I (CI) beschäftigt.
3Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten.
Mit Schreiben vom informierte die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:
5Mit Wirkung zum wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete
A GmbH übertragen. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht und arbeitete bis zum auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz weiter.
6Die A GmbH kündigte der Klägerin mit Schreiben vom „aus dringend betrieblichen Erfordernissen“ zum . Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin keine Kündigungsschutzklage.
Unter dem Datum des hatte die Beklagte der Klägerin schriftlich mitgeteilt:
8Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am eröffnet wurde.
9Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH wegen nicht ausreichender Unterrichtung über den Betriebsübergang.
10Die Klägerin meint, sie habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Juni 2005 wirksam widersprechen können, weil sie bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt sie insbesondere eine falsche Information über die Liquidität der Betriebserwerberin. Für die Zeit ab dem macht die Klägerin Vergütungsansprüche gegen die Beklagte geltend.
Die Klägerin hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt:
12Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und mittels Widerklage die Zurückerstattung der aufgrund des vorläufig vollstreckbaren arbeitsgerichtlichen Urteils an die Klägerin geleisteten Zahlungen verlangt.
13Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch der Klägerin sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht der Klägerin jedoch verwirkt.
14Mit Ausnahme eines Anspruchs auf einen Bonus für das Jahr 2004 iHv. 739,86 Euro brutto stünden der Klägerin gegen sie keine Vergütungsansprüche zu.
Das Arbeitsgericht hat dem zunächst nur hilfsweise gestellten Feststellungsantrag in vollem Umfange und der auf Zahlung von Arbeitsvergütung gerichteten Zahlungsklage teilweise stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat es die Beklagte noch zur Zahlung der anteiligen Sondervergütung für 2005 verurteilt und die klägerische Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Gründe
16Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
17I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
18Das Schreiben der Beklagten vom , mit dem sie die Klägerin über den Betriebsteilübergang unterrichtet habe, genüge nicht den Anforderungen des § 613a BGB. Wegen der fehlerhaften Unterrichtung der Klägerin habe für diese die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begonnen. Das Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt. Es fehle für eine Verwirkung am Vorliegen des Umstandsmoments. Allein die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der A GmbH reiche dafür nicht aus. Durch die Nichterhebung einer Klage gegen die von der A GmbH am ausgesprochene ordentliche Kündigung habe die Klägerin ebenfalls kein im Rahmen der Verwirkung zu berücksichtigendes Umstandsmoment gesetzt. Auch habe die Beklagte wegen der fehlerhaften Unterrichtung nicht darauf vertrauen dürfen, die Klägerin werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Die geltend gemachten Vergütungsansprüche stünden der Klägerin in der ausgeurteilten Höhe wegen des Annahmeverzugs der Beklagten zu. Der Anspruch auf das begehrte Jubiläumsgeld ergebe sich aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom .
19II. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, mit der es der Feststellungsklage stattgegeben hat, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
201. Ob zwischen den Parteien ab dem , dem Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH im Wege eines Betriebsteilübergangs (§ 613a BGB), ein Arbeitsverhältnis noch bestanden hat, weil die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH wirksam widersprochen hat, durfte der Senat nicht entscheiden, weil die Sache insoweit nicht entscheidungsreif war (§ 563 Abs. 3 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG).
212. Die Unterrichtung der Klägerin durch die Beklagte mit Schreiben vom über den am erfolgenden Betriebsteilübergang entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB (vgl. Senat - 8 AZR 871/07 -; - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106 und - 8 AZR 530/07 - NJW 2010, 1302 zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war deren Widerspruch im Juni 2005 nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 871/07 -; - 8 AZR 174/07 - aaO und - 8 AZR 530/07 - aaO).
223. Die Klägerin könnte ihr Widerspruchsrecht allerdings verwirkt haben.
23a) Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, mit welcher dieses eine Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint hat, ist nicht zu folgen.
24aa) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
25bb) Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat - 8 AZR 871/07 -; - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).
26cc) Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Erforderlich ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 871/07 -; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).
27dd) Ob diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung im Streitfalle vorliegen, weil sich die Klägerin gegen die ihr von der A GmbH ausgesprochene Kündigung nicht zur Wehr gesetzt hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
28b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird ( - AR-Blattei-ES 1100 Nr. 38; abweichend zur Prozessverwirkung: - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1). Diesen Überprüfungsmaßstäben hält das Berufungsurteil nicht stand, weil dem Landesarbeitsgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist.
29aa) Zwischen der Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und ihrem Widerspruch mit Schreiben vom liegt ein Zeitraum von etwa acht Monaten. Damit könnte in der erforderlichen Gesamtschau mit einem gegebenen Umstandsmoment das so genannte Zeitmoment erfüllt sein (vgl. Senat - 8 AZR 805/07 - DZWIR 2010, 368 und - 8 AZR 870/07 -). Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind. Wie der Senat am (- 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64) entschieden hat, ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen, was zur Folge hat, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers möglicherweise erst nach einer längeren Untätigkeit verwirken können. Erfolgt die Prüfung der Verwirkung nach diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist immer darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch die Nichtkenntnis des Berechtigten von den für die Geltendmachung seines Rechts bedeutsamen Tatsachen gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).
30bb) Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, dass die Voraussetzungen für das Umstandsmoment nicht vorliegen, ist nicht zu folgen.
31Es hat das Vorliegen des Umstandsmoments mit der Begründung verneint, aus der Nichterhebung der Kündigungsschutzklage durch die Klägerin könne kein Erklärungswert hinsichtlich der Ausübung eines noch bestehenden Widerspruchsrechts hergeleitet werden. Außerdem habe die Beklagte wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung der Klägerin iSd. § 613a Abs. 5 BGB nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin nicht mehr widersprechen werde.
32Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht zunächst an, dass allein die widerspruchslose Weiterarbeit der Klägerin bei der Betriebserwerberin noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts der nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichteten Arbeitnehmerin begründet (vgl. Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).
33Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann aber ein ausschlaggebender Umstand für die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts deshalb vorliegen, weil die Klägerin die von der A GmbH am ausgesprochene Kündigung widerspruchslos hingenommen hatte. Als ein Umstand, der möglicherweise das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB rechtfertigt, kann es nämlich angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat (vgl. Senat - 8 AZR 805/07 - DZWIR 2010, 368, - 8 AZR 871/07 - und - 8 AZR 982/07 -; - 8 AZR 870/07 -; - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 und - 8 AZR 225/07 -).
34Die Klägerin wäre, um den Eintritt der Verwirkung ihres Widerspruchsrechts zu vermeiden, nicht gezwungen gewesen, gegen die von der A GmbH ausgesprochene Kündigung eine (möglicherweise erfolglose) Kündigungsschutzklage zu erheben. Sie hätte sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber der A GmbH auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen können, dass sie die Kündigung nicht akzeptiert, etwa deshalb, weil sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses noch widersprechen wolle und die A GmbH damit rückwirkend nicht mehr ihr Arbeitgeber sei.
35Der Senat sieht als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, welcher als Umstandsmoment für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts anzusehen ist, die „Hinnahme“ einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung an. „Hinnehmen“ ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Nichterheben einer Kündigungsschutzklage.
36So hat der Senat in der Entscheidung vom (- 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) ausdrücklich darauf abgestellt, ob der Arbeitnehmer eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung „widerspruchslos“ hingenommen hat und weiter ausgeführt: „… und dass der Kläger diese Kündigung weder mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen noch in sonstiger Weise die Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber der Beklagten (sc. Betriebsveräußerer) oder der A. Germany GmbH (sc. Betriebserwerber) geltend gemacht hat, …“. In einem anderen Fall hat der Senat ein Umstandsmoment für die Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint, weil der Arbeitnehmer, der eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung nicht angegriffen hatte, binnen der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebsveräußerer erklärt hatte. Dadurch habe der Arbeitnehmer die vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung ins Leere gehen lassen, als noch die Möglichkeit zu einer gegen den Betriebserwerber zu richtenden Kündigungsschutzklage bestanden habe (Senat - 8 AZR 152/08 -).
37Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der A GmbH, nicht aber der Beklagten alle von der Klägerin verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.
38Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr.: Senat - 8 AZR 871/07 -; - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).
39Unzutreffend ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe wegen der fehlerhaften Unterrichtung der Klägerin über den Betriebsteilübergang nicht darauf vertrauen dürfen, diese werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Würde man dieser Überlegung des Landesarbeitsgerichts folgen, führte das zu einem widersinnigen Ergebnis. Einerseits behielte der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normiert (einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht nicht verwirken, weil der Arbeitnehmer nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber idR nicht eintreten könnte. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.
40c) Trotz dieses Rechtsfehlers des Landesarbeitsgerichts war der Senat gehindert, abschließend zu entscheiden, ob die Klägerin ihr Widerspruchsrecht zum Zeitpunkt seiner Ausübung im Juni 2005 verwirkt hatte.
41Für die Gesamtschau zwischen Zeit- und Umstandsmoment ist nämlich auch die Tatsache miteinzubeziehen, dass die Beklagte kurz vor dem Betriebsübergang am der Klägerin mit Schreiben vom ua. mitgeteilt hatte: „hiermit bestätigen wir Ihnen, dass Sie bei einer betriebsbedingten Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum eine Abfindung in Höhe von derzeit 109.125,00 EUR erhalten.“ Ob der Umstand, dass die Klägerin die Unwirksamkeit der etwa sechs Wochen nach dem Betriebsübergang durch die A GmbH zum „aus dringend betrieblichen Erfordernissen“ ausgesprochenen Kündigung nicht geltend gemacht hat, angesichts dieser „Bestätigung“ der Beklagten das Umstandsmoment erfüllt und in Zusammenschau mit dem Zeitmoment zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führt, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung und diese muss vom Landesarbeitsgericht vorgenommen werden.
42III. Inwieweit der Klägerin die geltend gemachten Vergütungsansprüche zustehen, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden, weil diese vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien über den hinaus abhängen.
IV. Wegen der Zurückverweisung der Sache war auch nicht über die von der Beklagten gemäß § 717 ZPO erhobene Widerklage zu entscheiden.
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Fundstelle(n):
MAAAD-83506