Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: .A OVG Nordrhein-Westfalen, 9 A 1017/08 vom
Gründe
Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
1. Die Beschwerde hält zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig,
|ob die Rechtsprechung des Berufungsgerichts, wonach Sunniten im Irak nicht allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt sind, mit Art. 16a GG vereinbar ist.
Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil das Berufungsgericht die Berufung hinsichtlich des Asylbegehrens nicht zugelassen hat und die Ablehnung des Bundesamts damit insoweit in Rechtskraft erwachsen ist. Eine Klärungsbedürftigkeit wird im Übrigen auch nicht hinsichtlich der - noch streitgegenständlichen - Flüchtlingsanerkennung dargelegt. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung, an denen auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten ist, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt (vgl. BVerwG 10 C 11.08 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 39 m.w.N.). Danach setzt die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung - abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden (Urteil vom a.a.O.). In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht nach Auswertung der ihm vorliegenden Erkenntnisquellen zu dem Ergebnis gekommen, dass es für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Sunniten auch bezogen auf Bagdad an der nötigen Verfolgungsdichte fehle (BA S. 10 ff.). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.
2. Auch die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
|ob das Vorliegen einer Gefahrenlage nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzt, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre,
rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Insoweit fehlen nähere Darlegungen, inwiefern diese Frage mit Blick auf die hierzu bereits ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom - Rs. C-465/07, Elgafaji - InfAuslR 2009, 138) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 m.w.N.) weiterer Klärung bedarf. Danach muss der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausgesetzt zu sein. Eine derartige Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Unabhängig davon kann sie auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom a.a.O. Rn. 15). In Anwendung dieser Grundsätze konnte das Berufungsgericht nach Auswertung der Erkenntnisquellen weder den für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr erforderlichen hohen Gefahrengrad noch besondere in der Person des Klägers liegende, seine persönliche Situation betreffende Umstände feststellen, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen ließen (BA S. 20 f.).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Fundstelle(n):
DAAAD-82644