OFD Frankfurt - S 0130 A-115-St 23

Auskunftserteilung in Angelegenheiten des Insolvenzrechts

1. Allgemeines

Das Steuergeheimnis ist auch in Angelegenheiten des Insolvenzrechts gegenüber allen Beteiligten zu wahren. Soweit die Angaben allerdings zur Durchführung des Insolvenzverfahrens erforderlich sind, ist die Offenbarung geschützter Verhältnisse gem. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig. Denn das Insolvenzverfahren dient - soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis verfolgt werden - der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen.

Notwendige Angaben zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, die befugt offenbart werden dürfen, sind daher insbesondere

  • die in dem Antrag des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 13, 14 Insolvenzordnung [InsO]) zur Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes (§§ 16 - 19 InsO) notwendigen Angaben,

  • die Anmeldung der Abgabenforderungen zum Forderungsverzeichnis (der Tabelle) (§§ 174, 175 InsO) und

  • deren genaue Bezeichnung dem Grund und der Höhe nach (§§ 174, 175 InsO).

Darüber hinaus ist eine Weitergabe von Informationen durch das Finanzamt an den Insolvenzverwalter zwecks Anreicherung der Masse und Erreichung einer höheren Ouote für die Finanzverwaltung ebenfalls gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig, da auch diese Informationsweitergabe der erfolgreichen Durchführung des Besteuerungsverfahrens dient.

Wegen der Weitergabe von Informationen, die zu Insolvenzanfechtungen führen können (beispielsweise durch die Herausgabe von Speicherkontenauszügen), siehe InsO Karte 9 Tz. 1a.

Die Offenbarung weiterer Umstände oder gar die Abgabe der Steuerakten an das Gericht würde jedoch über den Rahmen des Erforderlichen und nach dem Gesetz Notwendigen hinausgehen.

Bestreitet der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger Forderungen des Finanzamts in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, werden diese nach § 176 Satz 2 InsO einzeln erörtert. Die Erörterung dient der unbestrittenen Feststellung der Forderung, was Einfluss auf das Stimmrecht der Finanzbehörde (§ 77 InsO) und den weiteren Verlauf des Verfahrens §§ 178 ff. InsO) hat. Die Offenbarung von Verhältnissen in diesem Verfahren zur Feststellung der Forderungen und Rechte (§§ 174 bis 186 InsO), dient deshalb dazu, die Forderung des Finanzamts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen und zu stützen. Die Offenbarung ist notwendig, damit das Finanzamt seine Rechte wahren und seine Pflichten als Gläubiger erfüllen kann. Sie ist daher insoweit nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.

Entsprechendes gilt, wenn das Finanzamt Angriffe Dritter auf seine Eigentums- und Pfandrechte abzuwehren gezwungen wird.

2. Auskunftserteilung gegenüber Insolvenzverwaltern

Vorläufiger Verwalter ohne allgemeines Verfügungsverbot des Schuldners / Gutachter

Bei Mitteilungen gegenüber vorläufigen Insolvenzverwaltern ist zu beachten, dass die Gerichte in der weitaus größten Zahl der Fälle dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen und dem vorläufigen Insolvenzverwalter nur vereinzelte Pflichten übertragen (§ 22 Abs. 2 InsO). Das Steuergeheimnis ist gegenüber einem solchen ("schwachen") vorläufigen Verwalter uneingeschränkt zu wahren. Auch wenn der Verwalter im Beschluss des Insolvenzgerichts ermächtigt wird, Auskünfte über den Schuldner bei den Finanzämtern und Banken einzuholen (§§ 5 Abs. 1, 21 Abs. 1 InsO), ist eine Auskunftserteilung gegenüber dem Verwalter nicht möglich. Dies gilt entsprechend für Gutachter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Vorläufiger Verwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot des Schuldners / Insolvenzverwalter

Wird dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 22 Abs. 1 InsO) bzw. wird das Insolvenzverfahren eröffnet, gilt zur Auskunftserteilung an den ("starken") vorläufigen Insolvenzverwalter und den Insolvenzverwalter Folgendes:

Mit der Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots (§§ 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 InsO) bzw. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 80 Abs. 1 InsO) verliert der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird von diesem Zeitpunkt an durch den vorläufigen Insolvenzverwalter im Sinne von § 22 Abs. 1 InsO bzw. den Insolvenzverwalter im Sinne von § 27 InsO ausgeübt. Der vorläufige Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter sind Vertreter gemäß § 34 Abs. 3 AO und haben auch die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen. Ihnen können deshalb alle Auskünfte über Verhältnisse des Schuldners erteilt werden, die sie zur Erfüllung dieser steuerlichen Pflichten benötigen. Hinsichtlich der Übersendung von Kontoauszügen siehe Vollstreckungskartei InsO Karte 9 Tz. 1. Soweit Steuerforderungen streitig sind, bei denen der Schuldner Gesamtschuldner zusammen mit anderen ist, steht das gegenüber den restlichen Gesamtschuldnern zu wahrende Steuergeheimnis einer Auskunftserteilung an den Insolvenzverwalter auch nicht hinsichtlich der Verhältnisse der anderen Gesamtschuldner entgegen (vgl. BStBl II S. 431 , m.w.N.). Darüber hinaus dürfen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Insolvenzverwalter keine Auskünfte erteilt werden.

Sachwalter bei der Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO)

Wird im Insolvenzverfahren die Eigenverwaltung angeordnet, kann der vom Gericht bestellte Sachwalter (§ 274 InsO) nicht als Vertreter im Sinne der §§ 34, 35 AO angesehen werden. Verhältnisse des Schuldners dürfen ihm nur insoweit offenbart werden, als dies für Besteuerungszwecke erforderlich ist (z. B. Anmeldung der Insolvenzforderungen beim Sachwalter gem. § 270 Abs. 3 Satz 2 InsO).

3. Teilnahme am Gläubigerausschuss

Ist die Finanzbehörde im Gläubigerausschuss vertreten (§ 67 ff. InsO) und erfordert die Wahrnehmung der damit verbundenen Rechte und Pflichten die Offenbarung im Besteuerungsverfahren bekannt gewordener Verhältnisse, ist dies im Hinblick auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.

4. Verbraucherinsolvenzverfahren

Außergerichtliches Einigungsverfahren

Im außergerichtlichen Einigungsverfahren gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist von einer Zustimmung nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO auszugehen, wenn eine Schuldnerberatungsstelle eingeschaltet ist und diese nach landesspezifischen Regelungen als geeignet anerkannt ist (auf die Liste der in Hessen z.Zt. anerkannten Schuldnerberatungsstellen wird hingewiesen, siehe AO-Kartei, § 4 Nr. 15 StBerG, Karte 1 , vgl. auch Vollstreckungskartei, Teil InsO, Karte 20). Bestehen hierüber Zweifel, ist die ausdrückliche, schriftliche Zustimmung des Schuldners einzuholen, bevor dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse gegenüber der Schuldnerberatungsstelle offenbart werden.

Vereinfachtes Insolvenzverfahren, Treuhänder

Grundsätzlich finden die Regelungen der InsO auch für das vereinfachte Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) Anwendung. Das Insolvenzgericht bestellt im Falle des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes einen Treuhänder, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dieser ist zwar in seinen Befugnissen eingeschränkt, er ist jedoch für die Dauer des vereinfachten Insolvenzverfahrens als Vertreter i.S. der §§ 34, 35 AO anzusehen. Folglich dürfen ihm Auskünfte erteilt werden, die zur Erfüllung steuerlicher Pflichten benötigt werden.

5. Restschuldbefreiungsverfahren

Im Restschuldbefreiungsverfahren (§ 286 ff. InsO) ist zu beachten, dass der vom Gericht bestellte Treuhänder wegen seiner eingeschränkten Befugnisse (§ 292 InsO) nicht als Vertreter i.S.d. §§ 34, 35 AO angesehen werden kann, weshalb ihm keine Auskünfte erteilt werden dürfen. Dies gilt entsprechend für den Sachverwalter i.S der §§ 270, 274 InsO. Ist das Finanzamt Insolvenzgläubiger im Rahmen eines Restschuldbefreiungsverfahrens, können im Besteuerungsverfahren bekannt gewordene Gründe, welche die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben (§ 290 InsO), gem. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO offenbart werden.

6. Zustimmung des Betroffenen

Hat der Schuldner im Einzelfall oder allgemein seine Zustimmung zur Offenbarung gegeben, hat das Finanzamt nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO die Möglichkeit, entsprechende Einzelheiten mitzuteilen. Hieraus ergibt sich jedoch keine Verpflichtung zur Herausgabe von Informationen, so dass auch in diesem Fall dem Insolvenzverwalter keine Auskünfte zu erteilen sind, die zu Insolvenzanfechtungen führen können (vgl. InsO Karte 9 Tz. 1a).

OFD Frankfurt v. - S 0130 A-115-St 23

Fundstelle(n):
TAAAD-82147