Plangenehmigung einer Erdmassen- und Bauschuttdeponie; Beteiligung der Gemeinde am Genehmigungsverfahren; Beeinträchtigung einer gemeindlichen Einrichtung
Gesetze: § 31 Abs 3 KrW-/AbfG, § 13 Abs 2 S 1 VwVfG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Az: 3 A 482/09 Urteil
Gründe
I.
1Die Beigeladene betreibt seit Beginn der 1970er Jahre in der Gemarkung L. der Kreisstadt S. Kies- und Sandabbau. Nordöstlich der Abbauflächen verläuft die Bundesautobahn A 620, zu der wiederum nördlich gelegen die S. fließt; nach Südosten schließt sich in wenigen hundert Meter Entfernung das Gemeindegebiet der Klägerin an. Erschlossen wird das Sand- und Kieswerk über eine Teilstrecke der ehemaligen Bundesstraße ..., die im Anschluss an die Inbetriebnahme der A 620 zur Gemeindestraße abgestuft worden ist. Nördlich des in der Straßenbaulast der Klägerin stehenden Teils der Deponiezufahrt befindet sich die Brunnenstube der R.-Quelle, die das ca. 1,2 km östlich der Abbauflächen gelegene, im Eigentum der Klägerin stehende Parkbad W. mit Wasser versorgt.
2Auf Antrag der Beigeladenen genehmigte der Beklagte mit Plangenehmigungsbescheid vom die Errichtung und den Betrieb einer Erdmassen- und Bauschuttdeponie zur Verfüllung von Teilflächen des Abbaugeländes gemäß § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 KrW-/AbfG. Die Klägerin, die am Verfahren nicht beteiligt worden war, erhielt erst im Frühjahr 2006 Kenntnis von der erteilten Plangenehmigung und erhob hiergegen im Februar 2007 Klage. Das Vorhaben verletze sie in ihrer Planungshoheit und gefährde den Naherholungs- und Freizeitbereich um das Parkbad; auch sei eine ausreichende Erschließung für das Vorhaben nicht gesichert.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Eine selbstständig durchsetzbare Rechtsposition auf Verfahrensbeteiligung bestehe nicht. Insbesondere sei das Einvernehmen der Klägerin nach § 36 BauGB nicht einzuholen gewesen, weil diese nicht Standortgemeinde sei. Es könne dahin gestellt bleiben, ob mit dem Plangenehmigungsverfahren die richtige Verfahrensart gewählt worden sei, denn ein Anspruch auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung stehe der Klägerin ebenso wenig zur Seite wie ein Planaufhebungsanspruch nach § 4 UmwRG. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gelte nicht für Verwaltungsverfahren, die bereits 2002 abgeschlossen worden seien. Belange der Klägerin, insbesondere deren Planungshoheit, würden durch die angefochtene Plangenehmigung nicht verletzt. Rechte an der R.-Quelle stünden der Fa. V., nicht aber der Klägerin zu. Abgesehen davon sei eine Beeinflussung der R.-Quelle durch den Betrieb der genehmigten Deponie aufgrund der Fließrichtung der örtlichen Grundwasserströme ausgeschlossen. Die abgestufte Bundesstraße ... werde als Zufahrtstraße zur Deponie im Rahmen der Widmung genutzt.
4Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II.
5Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
61. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
7a) Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob eine Gemeinde in einem Verfahren auf Erteilung einer Plangenehmigung (hier: nach § 31 Abs. 3 KrW-/AbfG) für ein Vorhaben auf der Gemarkung einer Nachbargemeinde nach § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG schon dann hinzuzuziehen ist, wenn (nur) die Möglichkeit besteht, dass durch die Genehmigung des Vorhabens abwägungserhebliche Belange der Gemeinde (als Trägerin der Straßenbaulast für die Erschließungsstraße bzw. als Betreiberin eines als öffentliche Einrichtung betriebenen Bades, das durch eine dem Vorhaben nahe gelegene Quelle seit Jahrzehnten mit Frischwasser versorgt wird) berührt werden können, ohne dass es zusätzlich darauf ankommen muss, ob der betreffende Belang derart berührt wird, dass er materiell-rechtlich als abwägungserheblicher Belang in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen ist,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
8In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass eine Gemeinde stets an Verfahren zu beteiligen ist, die zu einer Entscheidung führen, welche in eine Rechtsposition der Gemeinde, sei es in deren Planungshoheit oder in deren Eigentum an öffentlichen Einrichtungen, nachhaltig störend und gestaltend eingreift (vgl. hierzu BVerwG 9 VR 5.07 - NuR 2008, 502 <503> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 m.w.N.). Dies folgt aus der einfachgesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Insoweit ergibt sich die verfahrensrechtliche Stellung der Gemeinde ohne Weiteres bereits aus dem Gesetz. Kommt in diesem Sinne eine rechtsgestaltende (Ein-)Wirkung auf das Gemeindegebiet nicht in Betracht, kann sich eine auf Information und Anhörung beschränkte Beteiligung unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben ( BVerwG 4 B 232.91 - juris Rn. 5). Wann ein Vorhaben nachhaltig störend oder gestaltend eingreift, lässt sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise klären, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Abgesehen davon übersieht die Beschwerde, dass eine Verletzung des Beteiligungsrechts aus § 13 VwVfG der Klage für sich genommen nicht zum Erfolg verhelfen könnte, weil diese Vorschrift keine aus sich heraus klagefähige Rechtsposition begründet.
9Eine gesetzlich vorgesehene Verfahrensbeteiligung erfüllt nämlich keinen Selbstzweck; sie hat, wie das Verfahren insgesamt, grundsätzlich dienende Funktion gegenüber dem Verfahrensziel. Demjenigen, dem eine materielle Rechtsposition zusteht, bietet die Beteiligung daher Schutz allein im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung dieser materiellen Position bei der das Verfahren abschließenden Entscheidung ( BVerwG 11 C 1.97 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 27 = juris Rn. 28). Verfahrensbeteiligungen, denen keine materiellen Rechte korrespondieren, sind im Regelfall ausschließlich dem objektiv-rechtlichen Ziel einer breiteren Beurteilungsgrundlage und damit einer besseren Entscheidungsfindung verpflichtet. Sie begründen daher grundsätzlich keine aus sich heraus klagefähige Position ( BVerwG 7 A 2.92 - BVerwGE 92, 258 <261> = Buchholz 406.401 § 9 BNatSchG Nr. 2), es sei denn, dem jeweiligen Gesetz lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beteiligung als solche gerichtlich verfolgbar sein soll ( BVerwG 4 C 26.78 - BVerwGE 64, 325 <331 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 47). Für eine solche Ausnahme, wie sie das Luftverkehrsrecht für Gemeinden wegen der Eigenart des dortigen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahrens enthält (vgl. zu § 6 Abs. 2 LuftVG a.F. BVerwG 4 C 40.86 - BVerwGE 81, 95 <106> = Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 1), ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im übrigen Bereich der Fachplanung kein Raum (Urteil vom a.a.O. S. 263). Dies gilt gleichermaßen für die abfallrechtliche Plangenehmigung nach § 31 Abs. 3 KrW-/AbfG.
10Zu Recht hat daher das Oberverwaltungsgericht die Klägerin darauf verwiesen (UA S. 25), dass der Einzelne nur einen Anspruch darauf hat, dass im Rahmen des Verwaltungsverfahrens seine materiellen Rechte gewahrt werden, nicht aber darauf, dass dies in einem bestimmten Verfahren geschieht, wie er auch die Beachtung von Verfahrensvorschriften nicht um ihrer selbst willen erzwingen kann, wenn seine materiellen Rechte gewahrt bleiben. Die Unbeachtlichkeit eines möglichen Verstoßes gegen § 13 Abs. 2 VwVfG richtet sich insbesondere nach § 46 VwVfG. Danach ist der Verfahrensfehler dann unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass dieser die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Davon ist die Vorinstanz ausgegangen.
11b) Die weitere aufgeworfene Frage,
ob die Beeinträchtigung von Wasser einer Quelle, die eine Gemeinde für eine öffentliche Einrichtung nutzt, nur dann ein abwägungserheblicher Belang im Rahmen der Erteilung einer Plangenehmigung ist, wenn der Gemeinde ein Recht an der Quelle bzw. an dem Wasser dieser Quelle zusteht,
rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass die gemeindliche Selbstverwaltungsbefugnis den Gemeinden ein Abwehrrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen gemeindlicher Einrichtungen vermittelt und es dabei für die Wehrfähigkeit weder auf die Größe und Bedeutung der gemeindlichen Einrichtung noch darauf ankommt, ob in die bauliche Anlage der Einrichtung selbst eingegriffen wird oder sie nur in ihrer Funktionsfähigkeit zerstört oder erheblich beeinträchtigt wird ( BVerwG 4 C 3.98 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 18 Rn. 11).
12Dabei versteht es sich von selbst und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass es für die Frage nach der Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Belangs entscheidend auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt. Insoweit kann u.a. von Bedeutung sein, ob die Gemeinde sich hinsichtlich des konkreten Betriebs der gemeindlichen Einrichtung auf eine rechtlich gesicherte Position berufen kann. Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Im Übrigen stützt das Oberverwaltungsgericht seine Annahme, die mögliche Beeinträchtigung der Quelle sei nicht abwägungsrelevant, nicht nur auf das fehlende Eigentum der Klägerin, sondern - selbstständig tragend - auch darauf, dass die Gefahr einer Verunreinigung der Quelle mit Nitrat durch den Deponiebetrieb ausgeschlossen sei (UA S. 38). Diese tatsächliche Feststellung hat die Beschwerde nur hinsichtlich einer der beiden Begründungen - und auch insoweit nicht mit Erfolg (vgl. unten zu 3.) - angegriffen.
132. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
14Eine Divergenzrüge ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ( BVerwG 9 B 28.08 - Buchholz 406.25 § 50 BImSchG Nr. 6 Rn. 10). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.
15Die Beschwerde rügt eine Abweichung des Berufungsurteils von dem BVerwG 4 C 3.98 - (Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 18). Eine derartige Divergenz ist nicht feststellbar. Zu Recht verweisen der Beklagte und die Beigeladene darauf, dass die Beschwerde dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, dass "die gemeindliche Selbstverwaltungsbefugnis ein Abwehrrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen gemeindlicher Einrichtungen vermittelt" (Urteil vom a.a.O. = juris Rn. 11), noch den in diesem Urteil nicht enthaltenen Zusatz angefügt hat "auch wenn der Gemeinde ein Recht auf Bezug von Wasser nicht zusteht". Zu Letzterem verhält sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aber nicht: Sie bezieht sich vielmehr auf eine gemeindliche Trinkwasserversorgung und eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Einzugsbereich ihrer Brunnen und hebt damit auf ein Abwehrrecht gegen die Beeinträchtigung einer kommunalen Einrichtung, nämlich der gemeindlichen Wasserversorgung, ab. Demgegenüber versteht das Oberverwaltungsgericht die R.-Quelle weder als öffentliche Einrichtung noch hat es irgendwelche Rechte der Klägerin an der Brunnenstube bzw. an der Quelle selbst feststellen können und deshalb das Vorliegen eines abwägungserheblichen öffentlichen Belangs verneint. Im Übrigen ist das Berufungsurteil - wie bereits oben zu 1.b) ausgeführt - insoweit auf eine selbstständig tragende zweite Begründung gestützt.
163. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Aufklärungsmängel im Hinblick auf die drohende Erhöhung der Nitratbelastung des Grundwassers und die Fließrichtung der örtlichen Grundwasserströme zuzulassen. Das angefochtene Urteil beruht jedenfalls nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
17Im Falle einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründung eines angefochtenen Urteils bedarf es zur Zulässigkeit der Beschwerde in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes (stRspr, vgl. Beschluss vom a.a.O. = juris Rn. 38 und BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Diese Anforderung erfüllt die Beschwerde nicht. Die Aufklärungsrüge bezieht sich auf die (nachrangige - UA S. 38 ff.) Feststellung der Vorinstanz, dass es zum einen durch den künftigen Betrieb der Deponie zu einer Belastung des Grundwassers durch Nitrat nicht kommen werde und zum anderen eine Schadstoffbelastung der R.-Quelle aufgrund der Fließrichtung der örtlichen Grundwasserströme auszuschließen sei. Die angefochtene Entscheidung wird darüber hinaus aber in Bezug auf eine potentielle Beeinträchtigung des Quellwassers (vorrangig - UA S. 37 f.) auf die Erwägung gestützt, dass der Klägerin Rechte hieran nicht zustünden, vielmehr allein die Firma V. Inhaberin eines bestehenden Altrechts an der Quelle sei. Gegen diese mehrfache Begründung hat die Klägerin durchgreifende Zulassungsgründe nicht umfassend geltend gemacht. Darüber hinaus hat die Beschwerde nicht dargetan, dass das Oberverwaltungsgericht trotz der bereits vorliegenden Gutachten weitere Sachverständigengutachten hätte einholen müssen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HAAAD-81931