Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Oldenburg, 13 S 347/10 vom AG Oldenburg, 7 C 7471/09 (X) vom
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen der Unterbringung eines Hundes und der von ihr für dessen veterinärmedizinische Behandlung aufgewandten Kosten geltend. Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1.957 € nebst vorgerichtlicher Kosten und Zinsen verurteilt. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am zugestellt worden. Hiergegen haben sie Berufung eingelegt, welche sie mit einem am beim Landgericht eingegangenen, auf den Vortag datierenden Schriftsatz begründet haben.
Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Fristversäumung haben die Beklagtenvertreter mit am beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz vom die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, die Akte sei nach Anfertigung und Unterzeichnung der Berufungsbegründung am mit dem üblichen Hinweiszettel auf die an diesem Tage ablaufende "Rotfrist" ins Schreibbüro gegeben worden. Für Postausgänge, bei denen eine Rotfrist ablaufe, bestehe die allgemeine Anweisung, diese Schreiben, sofern sie für die Gerichte am Ort der Kanzlei bestimmt seien, herauszunehmen und am gleichen Abend direkt zum Adressaten zu bringen. Infolge eines Büroversehens sei es trotz des Hinweiszettels unterblieben, die Berufungsbegründung auszusortieren und sie noch am durch eine Mitarbeiterin oder einen auf dem Weg zum Gericht wohnenden Rechtsanwalt in den Gerichtsbriefkasten zu werfen.
Der Grund, weshalb der Berufungsbegründungsschriftsatz vom nicht mehr am selben Abend zum Landgericht gelangt sei, bestehe darin, dass in dieser Sache eine weitere Rotfrist für den notiert gewesen sei. Die zuständige Büromitarbeiterin sei am späten Nachmittag des 16. August 2010 aufgrund dieser weiteren Notiz davon ausgegangen, die Berufungsbegründungfrist laufe erst am ab, und der Schriftsatz könne deshalb auch am nächsten Tag mit der normalen Gerichtspost zum Landgericht gelangen. Tatsächlich habe sich aber die weitere Rotfrist für den auf die Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen den in diesem Verfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss bezogen.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Die Vorinstanz hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und infolgedessen die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten beruhe, welches diese sich zurechnen lassen müssten. Ein Rechtsanwalt habe alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Post bei Fristablauf auch tatsächlich rechtzeitig zum Gericht gelange. Hierzu sei nichts dargelegt worden. Es sei nicht ersichtlich, wie die Kontrolle organisiert sei, damit sichergestellt werde, dass das Erforderliche bei Fristablauf auch tatsächlich geschehe. Es sei nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, wer die Frist überwache und wer kontrolliere, dass die Post zum Nachtbriefkasten gebracht werde. Die Handhabung, dass derjenige, der am Gericht vorbeikomme, auch die Post mitnehme, reiche nicht aus. Dies gelte zumindest dann, wenn nicht dargelegt sei, wer überwache, dass die Post abends auch tatsächlich an einen Mitarbeiter übergeben werde.
2. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung einer Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, diese Frist einzuhalten. Die Partei muss sich hierbei das Verschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben ein für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächliches Verschulden bei der Organisation ihres Kanzleibetriebs nicht ausräumen können.
a) Zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz bei dem zuständigen Gericht rechtzeitig eingeht und dementsprechend eine Ausgangskontrolle stattfindet, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich pünktlich hinausgehen. Zu diesem Zweck muss er eine zuverlässige Fristenkontrolle einrichten und insbesondere einen Fristenkalender führen. Weiterhin muss er gewährleisten, dass der Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist (BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 132/08, [...] Rn. 11 und vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04, FamRZ 2006, 192). Das ist erst dann der Fall, wenn die Post bearbeitet ist und die einzelnen Schriftsätze so zur Versendung - oder, wie hier: zur Beförderung zum Gerichtsbriefkasten - fertig gemacht sind, dass damit eine sichere Vorsorge verbunden ist, dass die Beförderung nicht mehr durch ein Versehen verhindert werden kann (Senatsurteil vom - III ZR 148/00, NJW 2001, 1577, 1578; aaO).
Aus der innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingereichten Antragsschrift vom ergibt sich nicht, dass die Organisation der Behandlung fristgebundener Sachen in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten diesen Anforderungen genügte. Es kann dabei auf sich beruhen, ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat, die Überwachung, dass rechtzeitig zum persönlichen Einwurf bei den Gerichten am Sitz des Anwaltsbüros bereit gelegte Schriftsätze auch tatsächlich von einem Kanzleiangehörigen mitgenommen wurden, unzureichend organisiert war. Nach der Darstellung der Bevollmächtigten der Beklagten war Ursache für die Fristversäumung nicht, dass die rechtzeitig gefertigte und zur Mitnahme bereit gelegte Berufungsbegründung irrtümlich liegen blieb. Vielmehr war deren Einwurf bei Gericht am Abend des erst gar nicht mehr vorgesehen, weil "die zuständige Büromitarbeiterin" irrig davon ausging, die Berufungsbegründungsfrist ende erst am , da sie nicht erkannt hatte, dass in dieser Sache zwei verschiedene Fristen am 16. und am abliefen. Danach war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ein Fehler bei der Abwicklung des Postauslaufs ursächlich, sondern ein Irrtum bei der Fristüberwachung.
Die Angaben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten hierzu räumen ein Organisationsverschulden in ihrer Kanzlei nicht aus. Der Rechtsanwalt darf sich bei der Fristenkontrolle zwar darauf verlassen, dass die Einhaltung der im Kalender notierten Fristen von seinem Büropersonal kontrolliert wird. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um voll ausgebildete und sorgfältig überwachte Mitarbeiter handelt (st. Rspr. z.B. , NJW 2007, 3497 Rn. 15 mwN). Zu dieser Bedingung für die Delegation der Fristenüberwachung auf das Kanzleipersonal fehlen jegliche Angaben. Weder haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgetragen, welche ihrer Mitarbeiterinnen den Lauf der unterschiedlichen Fristen verkannte, noch über welche Ausbildung diese Angestellte verfügte, noch in welcher Weise und in welchen Abständen ihre Arbeit überwacht wurde.
b) Die Beklagten haben auch keinen Anspruch darauf, die fehlenden Angaben noch nachträglich vortragen zu können, so dass der Senat durch eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hierzu Gelegenheit geben müsste. Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müssen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthalten sein (Senatsbeschluss vom - III ZB 63/09, [...] Rn. 14; , [...] Rn. 4). Jedenfalls sind sie innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO vorzubringen (z.B. Senat aaO; BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 232/06, NJW 2007, 3212 Rn. 8 und vom - VI ZR 22/99, BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 12; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 236 Rn. 6a). Sie können deshalb grundsätzlich nicht nachgeholt werden (z.B. Senat sowie jew. aaO). Zulässig ist nur die Ergänzung von fristgerecht gemachten, aber erkennbar unklaren oder unvollständigen Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist (z.B. Senat; BGH, Beschlüsse vom , vom und vom jew. aaO mwN). Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Dem Wiedereinsetzungsantrag war auch nicht andeutungsweise etwas zur Person, Qualifikation und Überwachung der betroffenen Mitarbeiterin zu entnehmen. Nachgeholte Angaben hierzu würden damit nicht mehr eine bloße Präzisierung oder Klarstellung zuvor bereits vorgetragener Tatsachen darstellen, sondern - ausgeschlossenen - neuen Vortrag.
Fundstelle(n):
OAAAD-81907