Umgerüsteter Geländewagen als Zugmaschine
Leitsatz
Eine Zugmaschine im Sinne des Kraftfahrzeugsteuerrechts ist ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist.
Dient die Umrüstung eines vom Hersteller als Geländewagen und damit als PKW konzipierten Fahrzeugs lediglich der Verbesserung von dessen Zugleistung und ändert sich dadurch nichts an der einem Geländewagen vorgegebenen Eignung zur Beförderung von Personen und Gütern, kann das Fahrzeug nicht als Zugmaschine im Sinne des § 3 Nr. 7 KraftStG beurteilt werden.
Eine sachliche Änderung dieser Grundsätze ist auch nicht durch die ab geltende Begriffsbestimmung der Zugmaschine in § 2 Nr. 14 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom eingetreten.
Die verkehrsrechtliche Einstufung als "Zugmaschine" ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend; auch auf die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs kommt es insoweit nicht an.
Gesetze: KraftStG § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchstabe a
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit dem Halter eines durch Umbaumaßnahmen veränderten Geländewagens des Typs Willys Overland CJ-5, den er im Rahmen einer nebenberuflichen Landwirtschaft sowie für Holzarbeiten einsetzte. Das Fahrzeug hat die Zulassungsbehörde als Zugmaschine eingestuft. Es weist laut Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) u.a. folgende Eigenschaften auf: Diesel-Motorisierung, Leergewicht 1 275 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1 600 kg, Hubraum 2 399 cbm, Länge 3,50 m, Breite 1,60 m, Höhe 1,85 m. Das Fahrzeug hat einen Anhängebock und zwei Anhängerkupplungen. Die zulässige Anhängelast beträgt bis zu 7 000 kg. Aufgrund der Umbauarbeiten hat das Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (statt wie bisher 115 km/h) sowie nur zwei (statt wie bisher drei) Sitzplätze.
2 Entgegen der Auffassung des Klägers beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den Geländewagen aufgrund der Höchstgeschwindigkeit und des äußeren Erscheinungsbildes nicht als steuerbefreite Zugmaschine i.S. des § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG), sondern als PKW. Mit Bescheid vom setzte er die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab auf 930 € fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Zustimmung des FA Sprungklage.
3 Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Geländewagen sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung als Zugmaschine i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 1 KraftStG zu beurteilen. Es berücksichtigte hierbei insbesondere die erfolgten Umbauten und die daraus resultierende Anhängelast von 7 000 kg. Andere Fahrzeugmerkmale wie z.B. Beifahrersitz und Höchstgeschwindigkeit stünden der Qualifizierung als Zugmaschine nicht entgegen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 597 veröffentlicht.
4 Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG. Das Fahrzeug sei nicht als landwirtschaftliche Zugmaschine zu qualifizieren. Die Umbauten hätten nicht dazu geführt, dass es für die Verwendung zur Personen- und Güterbeförderung nicht mehr geeignet bzw. dass diese Verwendungsmöglichkeit von nur untergeordneter Bedeutung sei. Es handle sich vielmehr nach wie vor um ein universell einsetzbares Fahrzeug.
5 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6 Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
7 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
8 1. Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass es sich bei dem Fahrzeug des Klägers um eine Zugmaschine i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG handelt.
9 a) Gemäß § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG ist u.a. das Halten von Zugmaschinen von der Steuer befreit, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
10 Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Zugmaschine im Sinne des Kraftfahrzeugsteuerrechts ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist (, BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451, m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung sind mit Anhängerkupplung bzw. Anhängebock umgerüstete „PKW-Kombi” bzw. LKW, die verkehrsrechtlich als Zugmaschinen anerkannt worden waren, in mehreren finanzgerichtlichen Entscheidungen nicht als Zugmaschinen beurteilt worden (vgl. , EFG 1988, 258; , EFG 1990, 269; Kfz, EFG 1991, 156).
11 Ebenso hat der BFH einen umgebauten LKW, der verkehrsrechtlich als Zugmaschine eingestuft war, nicht als Zugmaschine anerkannt. Er hat dabei entscheidend darauf abgestellt, dass das Fahrzeug als LKW konzipiert worden war (vgl. , BFH/NV 1992, 414). Bei Serienfahrzeugen ist in der Regel die Konzeption des Herstellers für die Bauart bestimmend und prägt die objektive Beschaffenheit eines Fahrzeuges entscheidend (BFH-Urteil in BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451, m.w.N.). Eine Umrüstung, die nur die Verwendbarkeit eines Fahrzeugs als Vorspann verbessert und an der vorgegebenen Eignung zur Beförderung von Gütern nichts ändert, führt nicht zu einer Bauart, die das Fahrzeug ausschließlich oder überwiegend als zum Ziehen von Anhängern geeignet erscheinen lässt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 414). Die verkehrsrechtliche Einstufung als „Zugmaschine” ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend (, BFHE 169, 468, 471, BStBl II 1993, 250); auch auf die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs kommt es insoweit nicht an (, BFH/NV 2007, 1193).
12 Eine sachliche Änderung dieser Grundsätze ist auch nicht durch die ab geltende Begriffsbestimmung der Zugmaschine in § 2 Nr. 14 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom (BGBl I 2006, 988) eingetreten (, nicht veröffentlicht).
13 b) Entsprechend diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Fahrzeug des Klägers nicht um eine Zugmaschine i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG. Denn dieses Fahrzeug ist durch den Hersteller als Geländewagen und damit als PKW konzipiert worden. Durch die Umbaumaßnahmen ist auch nicht ein vollkommen neuer Fahrzeugtyp entstanden. Vielmehr dienten die Umbaumaßnahmen nach den Feststellungen des FG lediglich dazu, die Zugleistung des Geländewagens zu erhöhen. Hierzu wurden im Wesentlichen die Aggregateinheit Motor und Getriebe verändert und der Leiterrahmen verstärkt. An der einem Geländewagen vorgegebenen Eignung zur Beförderung von Personen und Gütern hat sich dadurch jedoch nichts geändert. Dass sich die Höchstgeschwindigkeit durch die Umbaumaßnahmen geringfügig von 115 km/h auf 100 km/h verringert hat, beeinträchtigt nicht die Möglichkeit, mit dem Fahrzeug Personen und Güter zu befördern. Zudem hat sich, soweit der Geländewagen aufgrund der Umbauarbeiten nunmehr über eine feste Fahrzeugkabine verfügt, die Möglichkeit zum Transport von Personen und Gütern verbessert. Denn dadurch ist der Fahrzeuginnenraum, insbesondere auch die Ladefläche, wirksamer vor Witterungseinflüssen geschützt.
14 2. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Das FA hat zutreffend die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG abgelehnt. Auf die vom FA erhobene Verfahrensrüge braucht danach nicht eingegangen zu werden (, BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874, unter II.2.b dd).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1021 Nr. 6
HFR 2011 S. 877 Nr. 8
YAAAD-81720