NWB Nr. 17 vom Seite 1417

„Grober Unfug”

Heinrich Steinfeld | Verantw. Redakteur | nwb-redaktion@nwb.de

Sprachbarrieren

Deutsche Unternehmer tun gut daran, ihre linguistischen Talente zu stärken. Das nationale Arbeitsrecht verlangt ihnen einiges ab. So müssen etwa die komplizierten Mechanismen einer Betriebsratswahl den Berechtigten in deren Muttersprache nahegebracht werden; für eine Lufthansa-Tochter mit über 2.000 Mitarbeitern bedeutet das eben – so die Beispiele Frankfurter Arbeitsrichter – die Übersetzung in Koreanisch, Hindi und Thai (S. 1432). Dagegen werden osteuropäische Sprachen, die sich mit Eintritt der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum für Bürger von acht EU-Mitgliedstaaten (S. 1432) ausbreiten könnten, zum Kinderspiel. Schwerer als das sprachliche fällt meist das rechtliche Verständnis für Entscheidungen der Europäischen Kommission, insbesondere wenn sie sich auf Art. 107 Abs. 1 AEUV beruft, dem als europäische Norm verkleideten natürlichen Feind aller nationalen Steuervergünstigungen. Gegen die Stigmatisierung des § 8c Abs. 1a KStG als rechtswidrige Beihilferegelung hat die Bundesregierung Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union erhoben. Der Gesetzgeber reagiert mit Aufhebung der Vorschrift ab dem VZ 2011 im Rahmen der Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie (§ 34 Abs. 7c KStG-E). Befürchtungen, das Beihilfevirus könne auch auf den Sanierungserlass überspringen, hat der DStV jüngst in einer Pressemitteilung mit Verweis auf entsprechende Stimmen in der Literatur neue Nahrung gegeben. Gragert („Besteuerung von Sanierungsgewinnen”, S. 1438) mag sie nicht teilen. Es fehle an der Selektivität der Regelung, weil alle Unternehmen gleich welcher Rechtsform (freilich erst nach Verrechnung aller vorhandenen Verluste) in seinen Genuss kommen können. Ernst nehmen sollte man das Problem gleichwohl, es dürfte sich mit der angestrebten Stärkung des Insolvenzplanverfahrens und der Fortführung sanierungsfähiger Unternehmen durch die Insolvenzreform eher noch verschärfen. Das FG München hat den Sanierungserlass bereits 2008 als Verwaltungspraxis contra legem eingestuft. Nicht gegen, sondern für ein Gesetz hat der Bundesrat gestimmt und dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes wohl noch im April den Weg geebnet. Das Rätselraten um den Wortlaut des Art. 97 § 24 EGAO geht damit weiter, das BMF hält für die Zeit zwischen Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes das bestehende Recht in Ausformung des für maßgebend (vgl. Hechtner, NWB 14/2011 S. 1139). So gilt die verschärfte BGH-Rechtsprechung zunächst überhaupt nicht, dann aber doch für wenige Tage – grober Unfug, der bis in die späten sechziger Jahre seinerseits nach § 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB a. F. strafbar gewesen wäre!
Schutz vor strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen fordert die BStBK und kritisiert, dass die derzeitige Fassung des § 160 StPO nur Rechtsanwälte einschließt (S. 1490). Der deutsche Richtertag hingegen warnt: Steuerberater liefen dann Gefahr, selbst wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ins Visier der Staatsanwälte zu geraten. Ins Visier nehmen sollten Sie, liebe Leser, aber die NWB, am besten als Teilnehmer des NWB-Leserbeirats (Schlusspunkt, Seite 1504).

Beste Grüße

Heinrich Steinfeld

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 1417
QAAAD-81189