BVerwG Urteil v. - 4 A 4001.09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gründe

I

Die Klägerin wendet sich gegen den Planergänzungsbeschluss des Beklagten "Lärmschutzkonzept BBI" vom zum Vorhaben "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld".

Der angegriffene Beschluss ergänzt den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Durch den Planfeststellungsbeschluss wurde die Grundlage für den Ausbau des Flughafens zum alleinigen internationalen Verkehrsflughafen für die Region Berlin-Brandenburg geschaffen. Abschnitt A II 5.1.1 regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 bis 6:00 Uhr). In dieser Zeit sollten grundsätzlich nur lärmarme Flugzeuge starten und landen dürfen (A II 5.1.1 Nr. 1); Ausbildungs- und Übungsflüge waren grundsätzlich nicht zulässig (A II 5.1.1 Nr. 4); darüber hinaus war der Flugbetrieb nicht beschränkt. Der Planfeststellungsbeschluss traf darüber hinaus Anordnungen zum passiven Schallschutz für die Nachtstunden (A II 5.1.3) und regelte die Entschädigung für die Beeinträchtigung der Nutzung des Außenwohnbereichs (A II 5.1.5).

Gegen den Planfeststellungsbeschluss erhob die Klägerin Klage mit den Anträgen,

1.

die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom über weitergehende Maßnahmen des passiven Schallschutzes an bestimmten, näher bezeichneten Gebäuden unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

2.

hilfsweise

in diesem Punkt die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen,

3.

die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom über weitergehende Entschädigungsleistungen für die infolge Flughafenausbau eintretende Ertrags- und Verkehrswertminderung näher bezeichneter Grundstücke unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

4.

hilfsweise

in diesem Punkt die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen.

Das zunächst unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 A 1023.04 geführte Verfahren setzte der Senat mit Beschluss vom gemäß § 93a Abs. 1 VwGO aus. Auf die als Musterverfahren ausgewählten Klagen BVerwG 4 A 1073.04, 1075.04 (BVerwGE 125, 116), 1078.04 und 1001.04 verpflichtete der Senat den Beklagten mit Urteilen vom , über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1, über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädigungsgebietes Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Nr. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegenstand, hob der Senat ihn auf. Im Übrigen wies er die Musterklagen ab.

Das Verfahren der Klägerin wurde unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 A 1040.06 fortgeführt. Mit Schreiben vom gab der Prozessbevollmächtigte des Beklagten folgende Erklärung ab:

"1. Das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung wird im Hinblick auf die am ergangenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts die Kläger des o.a. Verfahrens mit den Klägern der Musterverfahren gleichstellen. Die nach den Urteilen notwendigen Planergänzungen werden auch für die Kläger dieses Verfahrens vorgenommen. Die Kläger dieses Verfahrens werden am Verfahren der Planergänzung in gleicher Weise beteiligt wie die Kläger der Musterverfahren.

[Es folgen unter Ziff. 2. und 3. Vorschläge zur Verfahrensbeendigung und Kostenverteilung.]

4. Wird entsprechend verfahren, so haben nach Auffassung des MIR und des Unterzeichners die Kläger des o.a. Verfahrens im künftigen Planergänzungsverfahren sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Hinblick auf die Klagemöglichkeiten all die Rechte, die sie hätten wenn sie zum Kreis der "Musterkläger" gehört hätten.

5. ..."

Die Klägerin forderte gegenüber dem Beklagten eine ihr günstigere Kostenverteilung, weil sie - anders als die Kläger der Musterverfahren - lediglich begrenzte Bescheidungsanträge gestellt habe. Nach weiterem Schriftwechsel zur Frage der Kostenverteilung erklärten die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom eingestellt.

Um der Verpflichtung aus den Urteilen vom nachzukommen, hat der Beklagte den Planergänzungsbeschluss vom erlassen. Die neu gefassten flugbetrieblichen Regelungen sehen grundsätzlich ein Nachtflugverbot von 23:30 bis 5:30 Uhr vor (A I 1 5.1.1 Nr. 1). Hiervon werden Ausnahmen zugelassen (A I 1 5.1.1 Nr. 3 und 4). Der Nachtverkehr ist nach Maßgabe von A I 1 5.1.1 Nr. 9 mengenmäßig beschränkt.

Am hat die Klägerin gegen die im Planergänzungsbeschluss enthaltenen flugbetrieblichen Regelungen Klage erhoben. Die Neufassung der Regelungen zum passiven Schallschutz und zur Grenzziehung des Entschädigungsgebietes Außenwohnbereich greift sie nicht an. Zur Begründung macht sie geltend:

Ihre Klage sei zulässig. Ihre Klagebefugnis ergebe sich aus der Erklärung des Beklagten vom . Die darin enthaltene Ankündigung, die Klägerin in gleicher Weise am Verfahren zu beteiligen wie die Kläger der Musterverfahren, eröffne ihr die Möglichkeit, den Planergänzungsbeschluss vollumfänglich, auch über ihr Klagebegehren im Verfahren BVerwG 4 A 1023.04 bzw. 4 A 1040.06 hinaus, anzugreifen. Die Erklärung des Beklagten sei gleichförmig gegenüber einer Vielzahl von Klägern, deren Verfahren ausgesetzt gewesen seien, abgegeben worden, ohne dass dabei Einschränkungen zu Lasten von Betroffenen, die ihr Klagebegehren beschränkt hätten, gemacht worden seien. Sie sei daher auch einheitlich im Sinne der Einräumung einer umfassenden Klagebefugnis gegen den Planergänzungsbeschluss auszulegen. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte nachträglich auf die besondere Situation der Klägerin hingewiesen worden sei, denn er habe dies nicht zum Anlass genommen, seine Erklärung umzuformulieren. Die Klägerin habe dem Senat mit einem Schriftsatz vom mitgeteilt, dass es ihr darauf ankomme, gegen eine eventuell unzureichende Planergänzung umfassend vorgehen zu können. Grund sei, dass die im damaligen Klageverfahren geforderten passiven Schallschutzmaßnahmen und Entschädigungszahlungen in einem engen Zusammenhang mit den nächtlichen Betriebsregelungen stünden. Ziffer 4 der Erklärung vom stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Soweit der Beklagte nunmehr eine gegenteilige Auffassung vertrete, sei dies treuwidrig.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung der im Planergänzungsbeschluss "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung des Beklagten vom angeordneten flugbetrieblichen Regelungen (Verfügungen A I 1) sowie der diese ergänzenden Nebenentscheidungen (Verfügungen A III und IV) über weitergehende Einschränkungen des Flugbetriebes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden;

2.

hilfsweise festzustellen, dass die im Planergänzungsbeschluss "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung des Beklagten vom angeordneten flugbetrieblichen Regelungen (Verfügungen A I 1) sowie die diese ergänzenden Nebenentscheidungen (Verfügungen A III und IV) insoweit rechtswidrig sind, als darin weitergehende Einschränkungen des Flugbetriebes abgelehnt werden.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Sie halten die Klage für unzulässig.

II

Der Senat kann nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die Klage ist unzulässig. Die Klägerin ist nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann nicht geltend machen, durch die in A I 1 des Planergänzungsbeschlusses getroffenen flugbetrieblichen Regelungen oder den Verzicht auf weitergehende Betriebsbeschränkungen in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom dessen flugbetriebliche Regelungen nicht angegriffen. Der Planfeststellungsbeschluss ist ihr gegenüber insoweit bestandskräftig geworden. Gegen die im Planergänzungsbeschluss getroffenen flugbetrieblichen Regelungen könnte sie daher klageweise nur vorgehen, wenn sie durch diese erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird ( BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 <320 ff.> und vom - BVerwG 9 A 22.06 - BVerwGE 130, 138 <145>; BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189). Dass dies der Fall ist, hat die Klägerin selbst nicht geltend gemacht; hierfür ist auch nichts ersichtlich.

Die Klage ist der Klägerin auch nicht durch die Erklärung des Beklagten in dessen Schreiben vom eröffnet. Gleichgestellt mit den Klägern der Musterverfahren hat der Beklagte die übrigen Kläger nur in den Grenzen der jeweils gestellten Klageanträge. Der Beklagte wollte den Klägern nicht Ansprüche zugestehen, die ihnen das Gericht mangels eines entsprechenden Antrags nicht hätte zusprechen können. Wie Ziffer 4 der Erklärung zeigt, sollten die Kläger so gestellt werden, wie sie gestanden hätten, wenn das Bundesverwaltungsgericht auch ihre Klage als Musterklage ausgewählt hätte. Die Betriebsregelungen des Planfeststellungsbeschlusses wären der Klägerin gegenüber auch in diesem Fall bestandskräftig geworden. Dass die Klägerin anders als die Musterkläger weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugs beantragt hatte, war den Beteiligten auch bewusst (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom , S. 3). Ihre weniger weit gehenden Anträge waren der Grund für die von den Musterurteilen abweichende Kostenverteilung, auf die sich die Parteien erst nach längeren Verhandlungen geeinigt haben. Ein Anlass, auch Ziffer 1 der Erklärung den von der Klägerin gestellten Anträgen anzupassen, ergab sich daraus für den Beklagten nicht; die Klageanträge begrenzten - wie dargelegt - von vornherein die Reichweite seiner Erklärung.

Dass die Parteien ihrer übereinstimmenden Erledigungserklärung eine weitergehende Auslegung der Erklärung des Beklagten zugrunde gelegt hätten, ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Klägerin an das Gericht vom . Mit diesem Schreiben wollte die Klägerin sicherstellen, dass sie im Planergänzungsverfahren keinen Rechtsnachteil erleidet, wenn das Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht durch eine gerichtliche Entscheidung in der Sache, sondern durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung beendet wird. Ein solcher Rechtsnachteil tritt durch die hier vorgenommene Auslegung der Erklärung des Beklagten nicht ein. Der Klage steht nicht die Abgabe der Erledigungserklärung entgegen, sondern dass die Klägerin im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss die damaligen flugbetrieblichen Regelungen nicht angefochten hat.

Dass die Erforderlichkeit passiven Schallschutzes - wie die Klägerin weiter geltend macht - u.a. von der Anzahl und der zeitlichen Verteilung der Flugbewegungen abhängt, ist für die Zulässigkeit der Klage nicht erheblich. Die flugbetrieblichen Regelungen und die Regelungen zum passiven Schallschutz sind gesondert angreifbare Bestandteile des Planfeststellungsbeschlusses. Mit ihrer lediglich auf weitergehenden passiven Schallschutz und weitergehende Entschädigung gerichteten Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss hat die Klägerin den Umfang des zugelassenen Nachtflugbetriebes hingenommen.

Vor diesem Hintergrund ist die Berufung des Beklagten auf die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht treuwidrig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Rechtsbehelfsbelehrung

Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung beantragen.

...

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Fundstelle(n):
JAAAD-80967