Markenrechtliches Löschungsverfahren: Bedingt erklärter Teilverzicht; Verletzung des rechtlichen Gehörs durch nicht hinreichend klar erteilten gerichtlichen Hinweis – Yoghurt-Gums
Leitsatz
Yoghurt-Gums
1. Ein Teilverzicht auf die Marke kann auch im Löschungsverfahren nicht bedingt erklärt werden .
2. Sieht der Markeninhaber in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht von der Erklärung eines Teilverzichts auf die Marke durch eine Beschränkung des Warenverzeichnisses ab, weil das Gericht die Erklärung eines Teilverzichts auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung als grundsätzlich unbedenklich bezeichnet, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn der rechtliche Hinweis des Gerichts nicht hinreichend klar erkennen lässt, dass es nach Schluss der mündlichen Verhandlung lediglich einen Teilverzicht berücksichtigen will, der sich auf eine bloße Streichung einzelner Begriffe des Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses beschränkt .
Gesetze: § 48 Abs 1 MarkenG, § 50 MarkenG, § 54 MarkenG, § 83 Abs 2 Nr 3 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: 26 W (pat) 72/07 Beschluss
Gründe
1I. Für die Markeninhaberin ist seit dem die Wort-/Bildmarke Nr. 30611652
unter anderem für Zuckerwaren, Konfekt, Lakritze (Süßwaren) und Bonbons in das Markenregister eingetragen.
2Auf Antrag der Antragstellerinnen hat die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts die Löschung der Marke für diese Waren angeordnet. Die Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen (BPatG, GRUR-RR 2009, 426).
3Hiergegen richtet sich die - vom Bundespatentgericht nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
4II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Löschung der Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 50 Abs. 1 MarkenG für Zuckerwaren, Konfekt, Lakritze (Süßwaren) und Bonbons vorlägen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5Die Markenabteilung habe zutreffend festgestellt, dass es sich bei der Bezeichnung "Yoghurt-Gums" im Hinblick auf die in Rede stehenden Waren um einen sachbeschreibenden Hinweis auf Gummibonbons mit Joghurtanteil bzw. -geschmack handele. Das der englischen Sprache entnommene Wort "Gums" werde im inländischen Verkehr zur Beschreibung von Fruchtgummiprodukten verwendet. Der Bestandteil "Yoghurt" gebe an, dass die beanspruchten Waren unter Verwendung von Joghurt hergestellt seien. Da die Kombination der für sich genommen schutzunfähigen Wortbestandteile "Yoghurt" und "Gums" keinen Gesamteindruck erwecke, der über die Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgehe, fehle ihr - auch unter Berücksichtigung der grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke - die Eignung zur betrieblichen Herkunftsbezeichnung.
6Die Markeninhaberin könne auch nicht damit gehört werden, dass sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung das Warenverzeichnis in erster Linie auf die Waren
Zuckerwaren, nämlich Fruchtgummi, Weingummi, Schaumzuckerbonbons, Gummibonbons, Bonbons, Lakritze (Süßwaren), Konfekt, Brausepulverkomprimate zum Essen, Brausepulver zum Essen, Salzlakritz, Hartkaramellen, Marzipan, Eiskonfekt, Krokant, Lakritzstangen, Pfefferminzbonbons, Nougat, Brauselutscher, Lutscher, kandierte Früchte, sämtliche der vorgenannten Zuckerwaren insbesondere unter Beifügung von Joghurt-Pulver
sowie hilfsweise weitergehend beschränkt habe.
7Bei einem gemäß § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG an Verkündungs Statt zuzustellenden Beschluss könne ein Teilverzicht auf die angegriffene Marke nach Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nur berücksichtigt werden, sofern er sich auf die bloße Streichung eines im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen enthaltenen Begriffs beschränke. Dagegen sei eine nachträgliche Berücksichtigung ausgeschlossen, wenn - wie hier - der Wortlaut eingetragener Begriffe des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen verändert werde, weil dies stets eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr mögliche Prüfung auf etwaige unzulässige Erweiterungen erfordere. Die Äußerung des Senats, eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgende Beschränkung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses der Anmeldung begegne grundsätzlich keinen durchgreifenden Bedenken, habe sich erkennbar ohne weiteres nur auf den - hier nicht gegebenen - Fall der zulässigen Einschränkung bezogen und gebe daher zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.
8III. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
91. Die Statthaftigkeit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) und hat dies im Einzelnen ausgeführt. Darauf, ob die Rüge durchgreift, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. , GRUR 2008, 1126 Rn. 6 = WRP 2008, 1550 - Weisse Flotte).
102. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Markeninhaberin in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
11a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; , GRUR 2007, 628 Rn. 10 = WRP 2007, 788 - MOON). Das rechtliche Gehör vor Gericht umfasst auch das Recht, Anträge zu stellen (, GRUR 2000, 512, 513 = WRP 2000, 542 - COMPUTER ASSOCIATES). Dabei ist das rechtliche Gehör grundsätzlich in der Weise zu gewähren, die für das in Betracht kommende Verfahren vorgeschrieben ist (, GRUR 2001, 337, 338 = WRP 2001, 408 - EASYPRESS, mwN).
12b) In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat das Gericht, wie im angefochtenen Beschluss dargelegt, den rechtlichen Hinweis erteilt, eine Beschränkung des Warenverzeichnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung begegne grundsätzlich keinen Bedenken. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dieser Hinweis sei in seiner Allgemeinheit unzutreffend gewesen, weil das Bundespatentgericht einen nach der mündlichen Verhandlung erklärten Teilverzicht nur dann berücksichtige, wenn er durch bloße Streichung einzelner Begriffe des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses erfolge. In der Erteilung des fehlerhaften und irreführenden Hinweises liege eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör, weil sie im Falle eines zutreffenden richterlichen Hinweises die später erklärte Beschränkung des Warenverzeichnisses noch während der mündlichen Verhandlung vorgenommen hätte.
13c) Hat wie im vorliegenden Fall nach § 69 MarkenG eine mündliche Verhandlung vor dem Beschwerdegericht stattgefunden, so ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 76 Abs. 6 Satz 1 MarkenG) aufgrund der dort erörterten Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung eintretende Tatsachen können, auch wenn die Endentscheidung statt der Verkündung zugestellt werden soll (§ 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG), grundsätzlich nur berücksichtigt werden, wenn erneut in die mündliche Verhandlung eingetreten (§ 76 Abs. 6 Satz 2 MarkenG) oder statt dessen mit Zustimmung der Beteiligten das schriftliche Verfahren angeordnet wird (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, § 128 Abs. 2 ZPO).
14Das gilt auch für die Tatsache des (teilweise) Erlöschens der Marke infolge eines (teilweisen) Verzichts des Markeninhabers (BGH, GRUR 2001, 337, 338 - EASYPRESS). Nach § 48 Abs. 1 MarkenG wird die Eintragung auf Antrag des Markeninhabers jederzeit für alle oder für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Register gelöscht. Die teilweise Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses stellt einen Teilverzicht im Sinne von § 48 Abs. 1 MarkenG dar (vgl. , GRUR 2008, 714 Rn. 35 = WRP 2008, 1092 - idw). Der Verzicht kann auch in einem anhängigen Widerspruchs- oder Löschungsverfahren erklärt werden und wird mit Abgabe der Erklärung unmittelbar wirksam (vgl. Begründung zu § 48 MarkenG, BlPMZ Sonderheft 1994, S. 88; BGH, GRUR 2001, 337, 338 - EASYPRESS). Da die Erklärung materiell-rechtlich ohne weiteres zum vollständigen oder teilweisen Erlöschen der Marke führt, kann sie auch im Löschungsverfahren nicht bedingt abgegeben werden (BGH, GRUR 2008, 714 Rn. 35 - idw, mwN). Soweit sich aus der Senatsentscheidung vom - I ZB 2/04 - MEY/Ella May (GRUR 2005, 513, 514 = WRP 2005, 744) etwas anderes ergibt, wird daran nicht festgehalten.
15d) Es kann dahingestellt bleiben, ob der in der mündlichen Verhandlung erteilte Hinweis des Beschwerdegerichts, gegen eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgende Beschränkung des Warenverzeichnisses bestünden grundsätzlich keine Bedenken, schon deshalb unzutreffend war, weil die Berücksichtigung einer solchen Verzichtserklärung wie jeder anderen nachträglich eintretenden Tatsache stets die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder den Übergang in das schriftliche Verfahren mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, GRUR 2001, 337, 338 - EASYPRESS) voraussetzt, oder ob ein solcher Verzicht nach Schluss der mündlichen Verhandlung auch ohne deren Wiedereröffnung (ausnahmsweise) dann berücksichtigt werden kann, wenn er sich auf die bloße Streichung eines im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthaltenen Begriffs beschränkt. Denn die Markeninhaberin ist in der Wahrnehmung ihrer Rechte jedenfalls dadurch erheblich beeinträchtigt worden, dass aus dem erteilten richterlichen Hinweis nicht mit der gebotenen Klarheit erkennbar war, dass eine Berücksichtigung eines nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärten Teilverzichts von bestimmten einschränkenden Voraussetzungen abhängig sein sollte. Der Auffassung des Bundespatentgerichts, der Hinweis habe sich erkennbar nur auf den - hier nicht gegebenen - Fall der nach Ansicht des Bundespatentgerichts zulässigen Einschränkung, also auf die bloße Streichung eines Waren- oder Dienstleistungsbegriffs, bezogen, kann nicht gefolgt werden. Der Wortlaut des Hinweises, der sich angesichts der Verfahrenssituation aus der Sicht der Markeninhaberin ersichtlich darauf beziehen sollte, ob ein Teilverzicht durch Beschränkung des Warenverzeichnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung noch vom Beschwerdegericht berücksichtigt werden würde, bietet für ein solches Verständnis keinen Anhaltspunkt. Die Erklärung einer Beschränkung des Warenverzeichnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist im Gegenteil als grundsätzlich unbedenklich bezeichnet worden. Wird eine Verfahrenshandlung vom Gericht als grundsätzlich unbedenklich bezeichnet, kann ein Verfahrensbeteiligter davon ausgehen, dass sie - sofern die allgemeinen Voraussetzungen jeder Verfahrenshandlung gegeben sind - im Allgemeinen und nicht nur bei Vorliegen weiterer besonderer Voraussetzungen zulässig ist.
16Die Markeninhaberin musste den Hinweis des Beschwerdegerichts auch nicht aus anderen Gründen dahin verstehen, dass ein Teilverzicht auf die Marke nach Schluss der mündlichen Verhandlung trotz der grundsätzlichen Unbedenklichkeit einer solchen Erklärung nur berücksichtigt werden könnte, wenn er sich auf eine bloße Streichung von Begriffen des Warenverzeichnisses beschränkte. Eine der Ansicht des Bundespatentgerichts entsprechende gesetzliche Regelung besteht nicht. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich gleichfalls nichts für eine solche Auffassung entnehmen. Soweit sich das Beschwerdegericht in der angefochtenen Entscheidung auf den (im Widerspruchsverfahren ergangenen) Beschluss des 24. Senats des Bundespatentgerichts vom (24 W (pat) 32/01, GRUR 2003, 530, 531 - Waldschlößchen) bezieht, ist bei Erteilung des gerichtlichen Hinweises eine ausdrückliche oder erkennbare Bezugnahme, aus der die Markeninhaberin entnehmen konnte, dass das Beschwerdegericht sich dieser Rechtsprechung (für das Löschungsverfahren) anschließen wollte, nicht erfolgt.
17e) Das Bundespatentgericht hat sich nicht damit befasst, ob die von der Markeninhaberin erklärte Beschränkung des Warenverzeichnisses, soweit sie nicht hilfsweise, sondern unbedingt erklärt worden ist, einen wirksamen Teilverzicht oder eine unzulässige Erweiterung enthält. Diese Beurteilung erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung der Begriffe des (geänderten) Warenverzeichnisses, an der es hier fehlt. Für die rechtliche Prüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist daher das Vorbringen der Markeninhaberin zugrunde zu legen, dass die unbedingt erklärte Änderung des Warenverzeichnisses keine unzulässige Erweiterung enthält und auch im Übrigen inhaltlich zulässig ist.
18f) Da davon auszugehen ist, dass die Markeninhaberin bei einem zutreffenden Hinweis des Beschwerdegerichts die Beschränkung des Warenverzeichnisses schon in der mündlichen Verhandlung erklärt hätte, hat das fehlerhafte Vorgehen des Bundespatentgerichts zur Verhinderung einer entsprechenden prozessualen Erklärung der Markeninhaberin geführt. In diesem Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht liegt demnach auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 84, 188, 190).
19IV. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ZAAAD-80927